Anspruchsvolle Gewerbebauten brauchen das Stromnetz: Diese Weisheit aus früheren Tagen gilt längst nicht mehr. Ein Schwabe bewies das Gegenteil, einer, der genau aufs Geld schaut. Ein Tüftler und Macher, der durchzieht, was er sich in den Kopf gesetzt hat. Denn es funktioniert durchaus: das stromautarke Firmengebäude.
Der Mann heißt Friedhelm Widmann, er ist Chef und Mitgründer der Endreß & Widmann Solar GmbH. Im Frühsommer nahm er nach neunmonatiger Bauzeit sein neues Firmengebäude (Energiefabrik: Enfa) in Betrieb, mit Büros und Werkstätten. Es befindet sich im Gewerbegebiet zwischen Neuenstadt, Hardthausen und Langenbrettach.
Der Gebäudekomplex versorgt sich ausschließlich durch erneuerbare Energien. Und weitestgehend autark: Lediglich eine Gasleitung zum örtlichen Versorger gibt es noch, um das zur Enfa gehörende Blockheizkraftwerk zu betreiben, wenn der Strom aus der Photovoltaikanlage nicht ausreicht.
Das Projekt ist auch ein Erfolg für den mit spitzem Stift rechnenden Kaufmann, der sich nicht auf staatliche Hilfen verlassen will. Die Enfa sei ohne einen Cent an öffentlichen Subventionen entstanden, betont der Bauherr. Er wolle nicht nur beweisen, dass die Energiewende schon heute technisch machbar sei. Sondern auch, dass solche Projekte wirtschaftlich auf solidem Boden stehen und sich ohne staatliche Unterstützung rechnen.
Ein radikaler Ansatz
Der Ansatz ist radikal, seine Umsetzung konsequent: Der Anteil der Gebäude in Deutschland, die nicht ans öffentliche Stromnetz angeschlossen sind, liegt wahrscheinlich unter einem Prozent. Die Enfa in Neuenstadt gehört dazu.
Trotzdem laufen hier Computer, Drucker und Scanner, trotzdem funktionieren die Heizung und die Kühlung. Trotzdem geht das Licht an, wenn man den Schalter betätigt, und trotzdem kann man jederzeit den Akku seines Handys an der Steckdose aufladen – oder eins der Elektrofahrzeuge betanken, die zum Widmann‘schen Fuhrpark gehören.
Die autarke Versorgung des Gebäudes mit gut 350 Quadratmetern Produktions- und rund 600 Quadratmetern Bürofläche basiert auf einem Mix verschiedener Arten der Erzeugung und Speicherung von Energie. Rund 80 Prozent der gesamten Energie liefert das Photovoltaiksystem mit 112 Kilowatt Leistung und einem erwarteten Gesamtertrag von rund 90.000 Kilowattstunden im Jahr. Schon hier zeigt sich, dass zur Energieautarkie vor allem dies gehört: ein intelligenter und bewusster Umgang mit der kostbaren Ressource Energie.
Energie bewusst einsetzen
Um den Ertrag während des gesamten Tages möglichst gleichmäßig zu halten, sind die Solarmodule in unterschiedliche Himmelsrichtungen ausgerichtet – die Anlage auf dem Flachdach mit 44 Kilowatt nach Osten, Süden und Westen.
Die Fassade (rund 68 Kilowatt) ist an allen vier Seiten mit Modulen verkleidet. Friedhelm Widmann erläutert: „Die Nordseite haben wir aus optischen Gründen einbezogen.“
Liefern die Solarmodule mehr Energie, als direkt verbraucht wird, geht der Überschuss in einen 400 Kilowattstunden großen Stromspeicher aus Blei-Gel-Batterien. Sowohl das Solarstromsystem als auch der Batteriespeicher kommen von IBC Solar.
Zwei mit Biogas gespeiste Blockheizkraftwerke von Viessmann mit je 20 Kilowatt elektrischer und 40 Kilowatt thermischer Leistung werden eingesetzt, um gegebenenfalls Heizwärme zu erzeugen.
Oder sie springen bei der Stromproduktion ein, wenn die Photovoltaikanlage an sonnenarmen Tagen nicht genügend Energie liefert.
Eigentlich würde für die Versorgung des Gebäudes ein BHKW reichen. Das zweite ließ der Bauherr als Back-up-System installieren. „Ein wesentlicher Faktor, um den Energieverbrauch optimal auszusteuern, sind modulierende Einheiten“, sagt er. „Deshalb haben wir uns für BHKWs entschieden, die variabel zwischen 50 und 100 Prozent Leistung arbeiten.“
Wärmepumpen kühlen und heizen
Drei leistungsgeregelte Wärmepumpen von Mitsubishi ergänzen die Energiezentrale. Sie arbeiten mit Solarstrom und sind sowohl zum Kühlen als auch zum Heizen einsetzbar.
Die maximale Gesamtleistung des Trios liegt bei 60 Kilowatt. Abhängig vom Bedarf und der Verfügbarkeit von Solarenergie lassen sich die Wärmepumpen von 0 bis 60 Kilowatt Leistung stufenlos regulieren.
Im Sommer, wenn die Kühlung anspringen soll, wird die Wärmepumpe in aller Regel mit Sonnenenergie vom Dach beziehungsweise von der Fassade betrieben. Reicht die Solarenergie im Winter für die Beheizung der Energiefabrik durch die Wärmepumpe nicht aus, wird das BHKW zusätzlich als Energielieferant angefordert.
Für die Speicherung der thermischen Energie stehen zwei Wassertanks mit je zwei Kubikmetern Fassungsvermögen zur Verfügung – der eine als Kältetank mit rund sieben Grad kaltem Wasser, der andere als Wärmetank, befüllt mit rund 50 Grad heißem Wasser von der Wärmepumpe oder bis zu 70 Grad aufgeheizt vom BHKW.
Einen zusätzlichen thermischen Speicher hat Friedhelm Widmann in den Fußboden im Erdgeschoss und im ersten Stock einbauen lassen. „Hier haben wir Betonkerntemperierung“, erklärt er. „Sie funktioniert nach dem Prinzip einer Fußbodenheizung. Nur dass die Wasserrohre nicht auf dem Beton aufgebracht sind, sondern im Betonkern. Auf diese Weise kann die Enfa weitere 200 Kilowattstunden Wärme pro Stockwerk speichern.“
Ausgeklügeltes Energiemanagement
Um Energiefluss und Bedarf optimal aufeinander abzustimmen, hat Friedhelm Widmann auf Basis seiner 20-jährigen Berufserfahrung ein ausgeklügeltes Energiemanagement entwickelt. Die Software bezieht alle relevanten Parameter ein und steuert das gesamte System.
Unter anderem greift das Programm auf die Wettervorhersage zu, errechnet daraus den Wärme- beziehungsweise Kühlbedarf für das Gebäude und steuert die Raumtemperaturen, die Beladung der Elektroautos und stabilisiert das interne Stromnetz.
Auch die Steuerung von abschaltbaren Verbrauchern übernimmt das Energiemanagement. Dazu wurden Verbraucher im Gebäude definiert, die sich problemlos innerhalb bestimmter Zeitfenster außer Betrieb setzen lassen – ohne Einbußen an Komfort oder Funktionalität. Das können Warmwasserspeicher sein, Kühlspeicher oder Staplerbatterien. „Wir bilden hier einfach ein Smart Grid ab“, meint Widmann.
Um den Energieertrag aus der Photovoltaikanlage möglichst zuverlässig planen zu können, geht in die Berechnungen auch die Wetterprognose für die kommenden Tage ein.
Intelligent tanken
Wie sich dies im täglichen Betrieb niederschlägt, erklärt Friedhelm Widmann am Beispiel seiner Stromtankstellen für zwei Elektrofahrzeuge: „Einer unserer Mitarbeiter pendelt mit einem E-Mobil zwischen Wohnort und Geschäft. Das andere Auto nutze ich als Geschäftsfahrzeug. Wenn wir ein Fahrzeug an die Stromtankstelle anschließen, geben wir den Kilometerstand ein und den Zeitpunkt, zu dem das Auto wieder verfügbar, die Fahrzeugbatterie also wieder voll beladen sein sollte.“
Aus diesen Daten errechnet das System zunächst den Strombedarf und die optimale Beladungsgeschwindigkeit. Anhand der Wettervorhersage erkennt die Software relativ zuverlässig, ob das Fahrzeug mit Sonnenstrom vom Dach geladen werden kann, ob Energie aus der Batterie zugeführt werden oder das BHKW einspringen muss. Widmann gerät ins Schwärmen: „Das Fahrgefühl mit Elektroautos, die ausschließlich mit erneuerbarem Strom betrieben werden, ist phantastisch.“ Günstig ist es obendrein: 100 Kilometer Fahrt mit einem grünstrombetankten E-Auto kosten gerade mal 85 bis 90 Cent, wohingegen der klassische Benzinbetrieb mit satten neun Euro zu Buche schlägt.
Unschlagbar niedrige Stromkosten
Überhaupt sind die Gestehungskosten für den Enfa-Strom mehr als nur Anlass zur Freude für den Schwaben Widmann. Sie sind auch Basis für eine solide langfristige Kalkulation seiner Betriebskosten. Und sie zeigen, dass die Versorgung mit erneuerbaren Energien heute schon höchst wirtschaftlich ist.
Für Strom, der aus seiner Photovoltaikanlage kommt, bezahlt Friedhelm Widmann rund sechs Cent pro Kilowattstunde. Denn er muss keine EEG-Umlage zahlen, schließlich ist er autark. Bezieht er den Sonnenstrom aus dem elektrischen Zwischenspeicher, schlägt die Kilowattstunde mit rund 16 Cent zu Buche.
Wurde der Strom im BHKW generiert und auf dem Umweg über den Batteriespeicher ins Hausnetz eingespeist, rechnet Widmann mit rund 20 Cent pro Kilowattstunde – die Investitionen für die Energiezentrale über 20 Jahre mit eingerechnet. „Das ist deutlich weniger, als die Energieversorger verlangen.“
Natürlich hat Widmann den Energieverbrauch seiner Enfa im Vorfeld durchkalkuliert. Inzwischen, nach einem halben Jahr Betrieb, zeigt sich, dass er dabei ziemlich treffsicher war. Denn die Rechnung ging in jeder Hinsicht auf: „Wir rechnen damit, dass wir uns rund 270 Tage im Jahr komplett mit Photovoltaikstrom versorgen können“, resümiert er. „An 30 bis 40 Tagen werden wir einen Mix aus Sonnenstrom und Energie vom BHKW haben. An weiteren rund 60 Tagen wird das Blockheizkraftwerk als Hauptenergiequelle fungieren.“
Themendossier
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Endreß & Widmann Solar
Auf Strom und Wärme vonder Sonne spezialisiert
Die Endreß & Widmann Solar GmbH mit Hauptsitz in Neuenstadt am Kocher hat sich auf die Planung und die Installation von Solaranlagen zur Gewinnung von Strom und Wärme spezialisiert.
Das 1994 gegründete Unternehmen ist als zertifizierter Fachpartner von IBC Solar in den Regionen um Heilbronn und Stuttgart aktiv.
Mit 35 Mitarbeitern sowie eigenen Teams zur Installation und Wartung bietet Endreß & Widmann seinen Kunden eine breite Palette an Dienstleistungen und Produkten für die Photovoltaik und die Solarthermie an.
Die Anlagen entstehen sowohl im privaten Segment als auch für gewerbliche Anwendungen oder für Gebäudeder Industrie.
My-PV
Einfaches Gerät erhöht Eigenverbrauch
Die Firma My-PV aus Österreich hat das Gerät Elwa entwickelt, um Warmwasser aus Sonnenstrom zu erzeugen. Das zum Patent angemeldete System ist für Haushalte mit zwei bis vier Personen konzipiert. Mit einer Photovoltaikleistung von 1,5 bis 2,1 Kilowatt wird bis zur Hälfte des jährlichen Warmwassers bereitet. Dies entspricht einer thermischen Solaranlage mit vier bis acht Quadratmetern Kollektorfläche.
Elektrische Leitungen sind deutlich einfacher zu verlegen als hydraulische Rohrleitungen. Elwa funktioniert auch bei Stromausfall. Bei Schlechtwetter ist durch eine automatische Nachheizung vom Netz die erforderliche Warmwassertemperatur gewährleistet. Damit entfällt die Inbetriebnahme der Heizung in den Übergangszeiten und im Sommer. Zusätzlich erlaubt Elwa auf sehr einfache Weise die Schichtladung des Warmwasserspeichers durch Installation eines zweiten Gerätes.
Elwa lässt sich auch bei bestehenden Photovoltaikanlagen einsetzen. Man klemmt einen Teil des Solargenerators auf den Warmwasserbereiter. Der Eigenverbrauchsanteil steigt so deutlich, auf bis zu 60 Prozent bei einer Fünf-Kilowatt-Anlage.