S ie wollen mehr als nur Module verkaufen. „Die Idee ist viel mächtiger“, sagt Toralf Nitsch, Strategiechef von Sun Invention, einem britisch-deutschen Anbieter von Plug-in-Solaranlagen namens Plug & Save. Strom von Kleinstanlagen auf dem eigenen Balkon, von der Außenwand der Mietwohnung oder auf dem Stückchen Rasen vor dem Haus, eingespeist direkt in die Steckdosen der eigenen vier Wände – unter dem Schlagwort Guerilla-PV verbreitet sich ein neues Konzept der dezentralen Stromerzeugung. Jetzt sollen nicht mehr nur die mit den Eigenheimen, Scheunen und Gewerbebauten mitmachen können, sondern praktisch fast jeder zum Mini-Erzeuger von Energie werden. „Mit den Solarmodulen wird die Energiewende für jedermann zum Kinderspiel“, so Nitsch.
Die Kleinstanlagen aus Modul, Mikrowechselrichter und oft auch noch Speicher dazu zielen nicht mehr auf Einspeisevergütungen ab. Sie sollen die Stromrechnung reduzieren, indem sie vor allem den Grundverbrauch runterdrücken, der beispielsweise durch den Standbybetrieb von immer mehr Geräten im Haushalt auf die Stromrechnung schlägt. Und das alles ohne den üblichen Aufwand, den die Installation einer Photovoltaikanlage sonst erfordert. Niemand muss mehr aufs Dach für die Installation und Wartung, keine langen Gleichstromleitungen führen mehr quer durchs halbe Haus, keine Einspeisestromzähler sind nötig. „Und was die Regierungen in Berlin zu den Einspeisetarifen beschließen, kann den Nutzern nun egal sein“, so Nitsch.
Egal sollte ihnen aber nicht sein, was der Verband Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik (VDE) zu einem Teil dieser Art von mobilen Kleinstanlagen sagt. Der warnt nämlich ausdrücklich vor Modellen mit gewöhnlichen Steckern, die einfach so in die Steckdose des Endstromkreises in der Wohnung gesteckt werden können. Der Anschluss von Stromerzeugungsanlagen an die Steckdose berge Unfall- und Haftungsrisiken. „Das Einstecken eines elektrischen Erzeugungsgerätes in die Steckdose ist nicht mit dem Einstecken eines elektrischen Verbrauchsgerätes zu vergleichen und nach der Sicherheitsnorm DIN VDE 0100-551 unzulässig.“
Schutzkonzept nur für Verbrauch
Der VDE führt auch aus, warum „plug & save“ nach seiner Ansicht eben nicht sicher sei. Ausgehend vom Hausanschluss fächern sich die Stromzuleitungen strahlenförmig über entsprechende Schutzeinrichtungen bis zu den Steckdosen für elektrische Verbrauchsgeräte auf. Dadurch ist der Energiefluss in einer vorgegebenen Richtung von der Einspeisung zum Verbraucher festgelegt, worauf die existierenden Schutzkonzepte beruhen. Die Wirksamkeit ist bei der parallelen Einspeisung elektrischer Energie über Steckdosen in bestehende Endstromkreise aber nicht mehr gesichert. Beim Anschluss eines Stromerzeugers an eine Steckdose in der Wohnung fließt Strom nämlich „zurück“. Das heißt, ein Teil des zu verbrauchenden Stroms läuft nicht mehr über die Sicherungen zu den Orten des Verbrauchs. Dadurch erkennen die Sicherungen im Fall einer Überlastung die kritische Situation nicht mehr rechtzeitig und können nicht wie definiert reagieren. Je mehr Plug-in-Leistung eingespeist wird, desto kritischer die Lage. „Aus diesem Grund kann es bereits kurz nach dem Einstecken des PV-Moduls zu einer Überlastung des Stromkreises und zu Bränden kommen“, warnt der VDE.
Heikle Haftungsfrage
In der DIN VDE 0100-551 wird gefordert, dass parallel erzeugter Strom nicht in den Endstromkreis eingespeist werden darf. Die Generatoren müssten danach von entsprechenden Fachkräften auf der Versorgungsseite aller Schutzeinrichtungen der Endstromkreise angeschlossen werden, also vor den Wohnungssicherungen.Der Anlagenerrichter müsse dabei auch eine besondere Sorgfalt auf die Prüfung der Elektroinstallation hinsichtlich Leitungsdimensionierung und Schutz legen, heißt es außerdem in der VDE-AR-N 4105. Und es dürfe zu keinen negativen Auswirkungen auf das Stromverteilungsnetz kommen. So müsse ein Trennen der Stromerzeuger vom öffentlichen Stromverteilungsnetz möglich sein. Die Zugänglichkeit dieser Trenneinrichtungen müsse den Anforderungen des Netzbetreibers entsprechen. Und schließlich: Stromerzeuger seien immer fest oder über eine besondere Steckvorrichtung anzuschließen – der Anschluss an eine handelsübliche Steckdose (insbesondere Schukoseckdose) eines beliebigen Stromkreises sei nicht zulässig. Wer Plug-in-Systeme an die Steckdose anschließe, riskiere, für dadurch aufkommende Schäden zu haften, so der VDE.
Sun Invention sieht das allerdings ganz anders. „Die DIN VDE ist keine Rechtsvorschrift, die den Betreibern der Solarmodule Plug & Save etwas untersagen könnte“, so Nitsch. „Tatsache ist, dass wir Regeln und Normen einhalten sollen, die niemals für Mini-PV-Solaranlagen gemacht und gedacht waren.“ Die Tatsachen sprächen dagegen. „Wir können nicht für andere Hersteller und Produkte sprechen, aber unsere Messungen in Bezug auf die Kabeltemperatur sowie die Überprüfung der installierten Kundenanlagen haben gezeigt, dass eine Brandgefahr ausgeschlossen werden kann“, erklärt Toralf Nitsch. Das Problem mit der Absicherung könne der Anlagenerrichter zum Beispiel einfach dadurch umgehen, dass er eine niedrigere Sicherung wähle, je nach Leistung der Plug-in-Solaranlage. Beispielsweise eine Zehn-Ampere-Sicherung, wo vorher eine 16-Ampere-Sicherung gesteckt habe.
Risiko Stromschlag
Wenn tatsächlich etwas passieren sollte und beim Betrieb der Anlage ein Brand entsteht, kann der Verursacher allerdings das Nachsehen haben, auch bei der Schadensbegleichung durch seine Versicherung. Kathrin Jarosch von der Presseabteilung des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. erklärt, dass die Versicherungen einen Schaden nur dann voll ersetzen, wenn er „unter Einhaltung von Sicherheitsvorschriften und Obliegenheiten“ entstanden ist. Ob das noch zutrifft, wenn die ursprüngliche elektrische Sicherung in einer Wohnung durch eine Plug-in-Anlage umgangen wurde, ist mehr als fraglich.
Weitere Bedenken hat der VDE wegen des Risikos eines möglichen Stromschlags an den Steckern von Plug-in-Anlagen, „da die Kontaktstifte dieser Stecker berührbar sind und somit keine gefährliche Spannung annehmen dürfen, solange sie nicht berührungssicher mit dem Gegenstück (Kupplung, Steckdose) verbunden sind“. Auch darauf hat Nitsch Antworten parat. Technisch seien alle Wechselrichter in den Kleinstanlagen der Plug-&-Save-Module von Sun Invention auf die Wechselrichterfrequenz aus dem Netz angewiesen. Wenn diese unterbrochen ist wie beim Herausziehen des Steckers, könne der Wechselrichter nur noch für Bruchteile von Sekunden Strom abgeben. „Das passiert aber auch bei einem Staubsauger, wenn Sie den Stecker gezogen haben. Der Motor macht noch zwei, drei Umdrehungen und indiziert dabei eine Stromspannung. Niemand würde deshalb Staubsauger verbieten.“ Um sicherzugehen, bietet Sun Invention aber neben der Variante mit Schukostecker nach eigenen Angaben sechs weitere Arten von Steckerverbindungen an.
Balkon ist nicht gleich Balkon
Noch ein weiteres Problem neben der elektrischen Sicherheit sieht Ralf Haselhuhn von der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS): die statische Sicherheit. „Am Balkon eines Hochhauses wirken ganz andere Windkräfte als bei dem an einem Einfamilienhaus.“ Auch hier ist schlecht beraten, wer die Vorstellung hat, die Kleinstanlage sei einfach mal so außen selbst einzuhängen oder anzuschrauben.
Dass die neuen Module die Energiewende zum Kinderspiel werden lassen, wie Sun Invention behauptet, stimmt also so nicht. Das räumt letztlich auch Sun Invention ein. Schließlich vertreibt das Unternehmen seine Module nur über den Fachhandel „und somit über fachkundige Personen. Diese stehen unseren Kunden bei der Installation am Balkon, auf der Garage oder im Garten zur Seite“, so Nitsch. Ein wenig zur Seite stehen reicht allerdings wohl kaum angesichts der komplizierten Sachlage. Sun Invention ist mit dem VDE und auch mit der DGS im Gespräch.
Wer ganz sichergehen möchte, sollte noch etwas abwarten und den Stand der Diskussionen verfolgen, bevor er die Installation eines Plug-in-Systems plant. Für Photovoltaikinstallateure könnten sich die smarten Kleinstsysteme allerdings zu einem weiteren interessanten Geschäftsfeld entwickeln.
Nützliche Links zum Weiterlesen
Einspeisung in Endstromkreis unzulässig
VDE-Normen und Plug-in-Photovoltaiksysteme
In Deutschland ist für Anlagen, bei denen ein Parallelbetrieb der Stromerzeugungseinrichtung mit anderen Stromquellen einschließlich einem Stromverteilungsnetz erfolgt, eine Einspeisung in Endstromkreise nicht zulässig und Nachfolgendes gefordert: „Mit Ausnahme von unterbrechungsfreien Stromversorgungen, die zur Versorgung von bestimmten elektrischen Verbrauchsmitteln in einem Endstromkreis eingesetzt werden, müssen Stromerzeugungseinrichtungen auf der Versorgungsseite aller Schutzeinrichtungen der Endstromkreise angeschlossen werden.“
In jeder elektrischen Niederspannungsanlage sind nach den Sicherheitsnormen des VDE (DIN VDE 0100) folgende Maßnahmen gefordert:
- Schutz gegen elektrischen Schlag
- Schutz gegen thermische Auswirkungen
- Schutz von Kabeln und Leitungen bei Überstrom
- Schutz bei Fehlerströmen
- Schutz bei Überspannungen
- Schutz bei Unterbrechung der Stromversorgung
Weitere Bedenken ergeben sich bezüglich möglicher Gefährdung durch elektrischen Schlag, da die Kontaktstifte dieser Stecker berührbar sind und somit keine gefährliche Spannung annehmen dürfen, solange sie nicht berührungssicher mit dem Gegenstück (Kupplung, Steckdose) verbunden sind. In DIN VDE 0100-550: 1988-04 wird gefordert: „Steckdosen und Stecker müssen im Leitungszug in einer solchen Reihenfolge angebracht sein, dass die Steckerstifte in nicht gestecktem Zustand nicht unter Spannung stehen.“
Widerspruch
GP Joule weist VDE-Warnungen zurück
„Dass der Einsatz von Plug-in-Systemen laut Elektrotechnik-Verband VDE zu Überlastungen des Stromkreises und zu Bränden führen kann, ist für uns nicht nachvollziehbar und reine Panikmache“, erklärt André Steinau von GP Joule, Hersteller des Plug-in-Solarmoduls miniJOULE. „Unser Photovoltaiksystem ist seit 2011 weltweit erfolgreich im Einsatz.“ Sowohl der Wechselrichter als auch das Modul des miniJOULE besäßen eine CE- Zertifizierung. Die Elektronik sei gegen hohe Temperaturen geschützt und schalte bei Überhitzung ab. Das miniJOULE könne problemlos an die Steckdose angeschlossen werden.
GP Joule gibt an: Bei ordnungsgemäßer Auslegung seien Außensteckdosen mit einer 16-Ampere-Sicherung einzeln abgesichert. Dadurch werde sichergestellt, dass kein weiterer Verbraucher dazwischen in Betrieb genommen werde und es zur höchst theoretischen Überlastung der Leitung kommen könne. „Eine miniJOULE-Single-Anlage hat 195 Watt und produziert unter optimalen Sonnenbedingungen weniger als ein Ampere Maximalstrom und hat damit weniger als ein Zehntel der Leistung eines Föns oder Staubsaugers und ein 16tel der Belastung der Kabel.“
Solange alle Herstellerangaben beim Anschluss eingehalten würden, sei bei dieser Leistung eine Brandgefahr ausgeschlossen.
Werbeversprechen
Information von Infinitum Energie zu Aufbau und Montage der angebotenen Plug-and-play-Anlagen (Auszug)
„Die Montage der solar-pac-Solaranlagen erfordert keine besonderen handwerklichen Fähigkeiten. Die komplett angelieferten Anlagen können ohne Spezialwerkzeuge in kurzer Zeit aufgebaut werden.“
„Da die Module ein gewisses Gewicht haben, empfehlen wir, die Montage der solar-pacs möglichst mit zwei Personen durchzuführen.“
„Da der Anschluss an das Hausnetz über das mitgelieferte Steckerkabel erfolgt, ist die Verbindung per Plug-and-play schnell erledigt. Wir senden Ihnen nach Zahlungseingang eine ausführliche, bebilderte Montageanleitung in deutscher Sprache per Mail zu.“
Was passiert, wenn kein Verbraucher eingeschaltet ist und die Sonne scheint?
„Wenn wirklich alles ausgeschaltet ist, wird der Strom vom nächstgelegenen Verbraucher, zum Beispiel Nachbar, genutzt. Da der Strom über den Zähler des Nachbarn bereitgestellt wird, zahlt dieser seinen Strom wie gewohnt.“