Wie kann man die Lebensdauer einer Batterie abschätzen?
Für die Lebensdauer von Batterien gibt es zwei wichtige Kennwerte, die Zyklenlebensdauer und die kalendarische Lebensdauer. Die Zyklenlebensdauer gibt an, nach wie vielen Be- und Entladevorgängen die Kapazität der Batterie auf einen bestimmten Prozentsatz der Anfangskapazität gesunken ist. Die kalendarische Lebensdauer gibt an, wie lange eine Batterie genutzt werden kann, bis eine definierte Restkapazität der Batterie erreicht ist. Die tatsächliche Lebensdauer hängt dann stark von der jeweiligen Anwendung ab, kann aber über die angegebene Zyklenlebensdauer und die kalendarische Lebensdauer grob abgeschätzt werden.
Für die Zyklenlebensdauer gibt Leclanché die Anzahl der Vollzyklen an, bis die Batterie noch 80 Prozent Restkapazität im Vergleich zur Ausgangskapazität aufweist. Warum?
Der Wert von 80 Prozent wurde damals für Blei-Säure-Batterien als Standard gesetzt. Das haben wir als Hersteller von Lithiumbatterien übernommen, damit unsere Kennwerte auch mit der Blei-Säure-Technologie vergleichbar sind. Wenn eine Batterie diesen Punkt erreicht, ist sie aber noch nicht am Ende der Nutzungsdauer. Man kann sie bedenkenlos weiterverwenden, auch wenn sie die Anfangskapazität weit unterschreitet. Man muss dann eben häufiger laden.
Es gibt auch Hersteller, die die Zyklenzahl bis 60 oder 70 Prozent der Ausgangskapazität definieren. In diesem Fall ist dann die nutzbare Kapazität niedriger, aber die Zyklenanzahl höher. Das macht es schwierig, die verschiedenen Batterien miteinander zu vergleichen. Daher sollte man in den Datenblättern genau darauf achten, bei wie viel Prozent Restkapazität der Hersteller die Zyklenzahl angibt. Den Wert bei 70 Prozent zu ermitteln, ist legitim, solange man das angibt. Der Anwender muss das dann aber auch bei der Planung berücksichtigen.
Ist die Angabe der Zyklenzahl bei definierter Restkapazität dann ausreichend?
Eigentlich muss der Hersteller noch mehr angeben, zum Beispiel die Temperatur, bei der dieser Test gemacht wird. Außerdem die Geschwindigkeit, mit der die Batterie während des Tests be- und entladen wird, die sogenannte C-Rate. Ein dritter wichtiger Punkt ist, wie viel Prozent der Batteriekapazität genutzt wird, also die Entladetiefe, auf English „Depth of Discharge“ oder „DOD“ genannt.
Ob eine Batterie zu 100, zu 80 oder nur bis zu 50 Prozent entladen wird, ist ein entscheidender Faktor. Bei einer Lithium-Grafit-Zelle können Sie zum Beispiel die Zyklenzahl signifikant erhöhen, wenn Sie die Batterie statt bis zu 100 Prozent nur bis zu 80 Prozent entladen. Die Angabe der Zyklenzahl alleine reicht also nicht aus, um die Lebensdauer unterschiedlicher Batterien bewerten und vergleichen zu können.
Warum ist die Entladetiefe für die Lebensdauer von Batterien entscheidend?
Blei-Säure-Akkus sind heute eine günstige, ausgereifte Technik und in vielen Einsatzbedingungen zu finden. Sie haben jedoch einige Eigenschaften, die man kennen muss. Sie reagieren beispielsweise sehr schlecht auf Tiefentladung. Aus diesem Grund sieht man oft bei solchen Batteriesystemen die doppelte Kapazität vor, die man eigentlich nutzen will, und betreibt dann die Batterie bei 50 Prozent DOD.
Bei Lithiumbatterien hängt das sehr von der Kombination der Anoden und Kathoden ab. Es gibt zum Beispiel einen grundsätzlichen Unterschied zwischen Grafit- und Titanat-Anoden. Das Grafit hat eine spezielle Gitterstruktur und eine dünne Isolationsschicht, die sogenannte SEI-Schicht, die notwendig ist, damit das System überhaupt funktioniert. Beim Laden lagern sich dann die Lithiumionen in dieses Gitter hinein. Und wenn Sie eine Zelle richtig vollladen, dann gibt es einen hohen mechanischen Stress auf das Gitter. So eine Zelle dehnt sich dann beim Laden auch aus.
Der zweite Punkt ist, beim Laden und beim Entladen kommt es zu Zersetzungsprozessen im Elektrolyt, und die dünneisolierende SEI-Schicht wird immer dicker. Daher bekomme ich mit jedem Lade- und Entladevorgang einen höheren Widerstand, und damit verringert sich auch die Kapazität der Batterie mit einer Grafit-Anode.
Bei der Titanat-Anode, wie sie unter anderem Leclanché verwendet, ist die Chemie anders. Da gibt es kein Gitter, und es gibt auch keine SEI-Schicht. Das sorgt dafür, dass diese Ermüdungserscheinungen nicht auftreten, auch wenn die Batterie zu 100 Prozent entladen wird. Eine vollständige Entladung bedeutet übrigens nicht, dass die Spannung gleich null ist. Lithium-Ionen-Zellen mit Titanat-Anode haben beispielsweise ein Spannungsfenster zwischen 1,7 und 2,3 Volt. Bei 2,3 Volt ist die Batterie voll und bei 1,7 Volt leer.
Was ist genau die C-Rate?
Die C-Rate beschreibt die Geschwindigkeit, in der eine Batterie beladen beziehungsweise entladen wird. Eine Laderate von 1 C bedeutet, dass man die Batterie in einer Stunde vollladen kann. Das Gleiche gilt für eine Entladerate von 1 C. Dann kann man die Batterie innerhalb einer Stunde entladen. Wenn man zum Beispiel sagt, unsere Batterie kann 4 C, dann dividiert man die eine Stunde durch vier. Das heißt dann, dass die Batterie in 15 Minuten geladen beziehungsweise entladen werden kann.
Eine optimale C-Rate gibt es in diesem Sinne nicht. Je niedriger die C-Rate, also die Lade- beziehungsweise Entladegeschwindigkeit ist, desto größer sind Kapazität und Wirkungsgrad der Batterie. Wenn man also sehr gute Werte bezüglich Kapazität und Effizienz darstellen will, dann wählt man eine niedrige C-Rate, zum Beispiel 1/3 C oder 1/10 C.
Was bedeutet das für den Anwender?
Ein Anwender muss sich überlegen, welche Be- und Entladegeschwindigkeit er für seine Anwendung braucht. Wenn er die Batterie innerhalb von einer Stunde vollladen können will, dann muss er sich die Effizienz und Kapazität auch bei dieser C-Rate anschauen. Ansonsten vergleicht man Äpfel mit Birnen. In unserem Datenblatt ist die Zyklenlebensdauer für 1 C angegeben. Bei anderen Mitbewerbern ist es zum Beispiel für 1/3 C angegeben. Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Das macht es für jemanden, der sich mit der Technologie noch nicht auseinandergesetzt hat, auch so schwierig, bestimmte Systeme miteinander zu vergleichen.
Bekomme ich die Daten für verschiedene C-Raten vom Hersteller, wenn ich eine Batterie kaufe?
Jeder Hersteller muss seine Batterien für verschiedene C-Raten charakterisiert haben. Diese Daten sollte der Hersteller dem Kunden auch zur Verfügung stellen. Das ist wichtig, um zu entscheiden, welches System für welche Anwendung am besten geeignet ist. Ansonsten kann der Preis, den der Hersteller nennt, nicht ins Verhältnis gesetzt werden zu der tatsächlich nutzbaren Kapazität der Batterie. Denn die muss ja der Kapazität entsprechen, die tatsächlich auch in dem jeweiligen Anwendungsfall zur Verfügung steht.
Wie wirkt sich die Temperatur auf die Lebensdauer aus?
Bei einer Batterie handelt es sich um ein elektrochemisches System. Für elektrochemische Prozesse gilt, dass sich die Geschwindigkeit des Prozesses mit einer Temperaturerhöhung von zehn Grad verdoppelt. Das heißt, eine Batterie, die dauerhaft bei 25 Grad Celsius betrieben wird, hat im Gegensatz zu einer Batterie, die dauerhaft bei 35 Grad betrieben wird, eine doppelt so lange Lebensdauer.
Gibt es spezielle Batterien für besonders hohe oder besonders niedrige Temperaturen?
Den Funktionsbereich einer Lithiumbatterie kann man erweitern, indem man spezielle Elektrolyte verwendet, die einen großen Temperaturbereich abdecken. Wichtig ist, dass die Elektrolytflüssigkeit im betreffenden Temperaturbereich eine gewisse Viskosität aufweist. Wenn man zum Beispiel eine Umgebung mit besonders niedrigen Temperaturen hat, dann sollten Elektrolyte verwendet werden, die dort eine ausreichende Ionenbeweglichkeit aufweisen, sonst wird das System sehr langsam. Dann gehen C-Rate und Kapazität bei niedrigen Temperaturen stark runter. Daher ist es entscheidend,dass der Anwender den Temperaturbereich für den jeweiligen Anwendungsfall genau kennt.
Wie löst Leclanché dieses Problem?
Wir haben einen Standardelektrolyt, womit wir ungefähr 80 Prozent der Anwendungsfälle abdecken können. Der Temperaturbereich reicht damit ungefähr von 0 bis 40 Grad. Bei Kundenanforderungen außerhalb dieses Bereichs verwenden wir auch andere Elektrolyte. Das ist dann aber eine kundenspezifische Anwendung und auch entsprechend teurer, weil wir die Zelle mit ihrer anderen Zusammensetzung dann gegebenenfalls auch neu zertifizieren müssen. Es gibt aber Bereiche wie Militär oder Forschung, wo das notwendig und gerechtfertigt ist und wo das auch bezahlt wird.
Was ist eine gute Zyklenzahl und was eine schlechte?
Das hängt immer davon ab, wie viele Zyklen man tatsächlich für die jeweilige Anwendung braucht. Bleiakkus sind gut geeignet, wenn man relativ wenige Zyklen braucht. Zum Beispiel, wenn man sie als Backup-Batterie verwendet. Bei einer Entladetiefe von 50 Prozent schaffen gute Bleisysteme schon 1.000 bis 2.000 Zyklen. Lithiumbatterien mit Grafit-Anoden schaffen ungefähr 2.000 Zyklen, wenn sie zu 100 Prozent entladen werden. Mit einer Entladetiefe von 70 bis 80 Prozent kann man damit aber auch 5.000 bis 6.000 Zyklen erreichen. Bei unseren Lithium-Titanat-Batterien kommen wir bei einer Entladetiefe von 100 Prozent auf über 15.000 Zyklen. Das lässt sich auch noch steigern, wenn man eine geringere Entladetiefe wählt.
Sind die 15.000 Ladezyklen einer Lithium-Titanat-Batterie nicht schon zu viel für ein Home-Speichersystem?
Anwender kaufen hier in erster Linie auch Sicherheit mit. Alle Zyklenangaben des Herstellers sind für ideale Laborbedingungen gemacht. Wenn die Realität davon abweicht, dann hat man unter Umständen wesentlich weniger Zyklen. Mit anderen Batterietechnologien kommt man dann in einen Bereich, in dem die Batterie die Lebensdauer der Photovoltaikanlage nicht unbedingt übersteht. Mit unserer Titanat-Technologie kommt man, selbst wenn wir auf 50 Prozent runtergehen, zum Beispiel in einem Land, in dem höhere Temperaturen herrschen oder weil die Batterie schneller geladen wird, als ursprünglich vorgesehen, immer noch auf 7.000 Zyklen. Damit wollen wir unserem Kunden die Garantie geben, dass er sich über die Lebensdauer seiner Photovoltaikanlage sicher sein kann, dass auch die Batterie durchhält.
Was ist die kalendarische Lebensdauer?
Die kalendarische Lebensdauer gibt an, wie lange eine Batterie genutzt werden kann, bis die Kapazität auf 80 Prozent der Ausgangskapazität gesunken ist. Das betrifft also den gesamten Aufbau der Batterie. Bei Lithiumbatterien ist außerdem das Verpackungsmaterial der einzelnen Zellen von Bedeutung. Hier ist es wichtig, zu verhindern, dass Feuchtigkeit in das System eindringen kann.
Bei unseren Lithiumzellen gibt es zwei Aspekte. Einmal ist es das Pouch-Material, das die Zelle umschließt. Das ist eine dünne Aluminiumfolie, die von beiden Seiten mit Kunststoffmaterialien beschichtet ist. Und unser Lieferant garantiert uns in bestimmten Temperaturbereichen eine Lebensdauer von 20 Jahren für dieses Material. Der zweite Aspekt ist die Art des inneren Aufbaus der Zelle. In unseren Zellen verbinden wir zwei Kathoden, zwei Separatoren und eine Anode durch Lamination mechanisch fest und definiert zu sogenannten Bi-Zellen. Mitbewerber legen dagegen Elektroden und Separatoren lose aufeinander und umwickeln dann den Stapel mit einem Tape. Wir sind davon überzeugt, dass unsere Art der Lamination eine wesentlich definiertere und dauerhaftere Verbindung der Bi-Zellen ist und dadurch eine hohe kalendarische Lebensdauer ermöglicht.
Wie kann man aus Zyklenlebensdauer und kalendarischer Lebensdauer die tatsächliche Lebensdauer im Feld abschätzen?
Zuerst muss man beachten, dass die Zyklenangaben für die Batterie auf Messungen unter definierten Laborbedingungen basieren. Also bei 20 Grad und bei einer ganz bestimmten C-Rate. Wenn man da massiv von abweicht, beeinflusst das automatisch die Zyklenzahl der Zellen. Wenn also jemand eine Angabe macht zu einer bestimmten Zyklenzahl bei Idealbedingungen, dann hat er vielleicht die Hälfte bei realen Bedingungen. Wenn jemand bei Idealbedingungen 3.000 angibt, hat er bei Realbedingungen vielleicht 1.500 bis 2.000 Zyklen.
Jede Anwendung, Elektromobilität oder stationäre Speicherung von erneuerbaren Energien, benötigt eine bestimmte Zellcharakteristik bezüglich C-Rate, Kapazität, Zyklenanzahl, Entladetiefe, Temperaturbereich und Lebensdauer. Dies muss bekannt sein. Für jede Anwendung gibt es eine ideale Lithium-Ionen-Zelle. Also eine ideale Anoden-Kathoden-Kombination. Es ist nicht möglich, mit einem einzigen Zelltyp alle Anwendungen abzudecken. Darauf sollte der Kunde auf jeden Fall achten. Mit zunehmender Information zu diesen Themen ist der Kunde dann auch in der Lage, verschieden Systeme miteinander zu vergleichen und die richtige Entscheidung zu treffen, welches System für ihn das geeignetere ist. Ein auf hohe Energiedichte optimiertes System ist vielleicht in der Anschaffung günstig, erreicht aber im realen Einsatz die Lebensdauer einer Solaranlage nicht. Dann muss sie ersetzt werden.