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Mehr Schwung statt Masse

Wechselrichter können die Trägheit der Turbinen und Generatoren aus herkömmlichen Kraftwerken nachbilden. Damit werden die fossilen Blöcke überflüssig. Ab 2017 müssen Solarparks diese Funktion ermöglichen.

Windparks im Norden oder Solarparks im Osten können ihre Leistung oft nicht ausschöpfen, weil die Netze die Grenzen ihrer Kapazität erreicht haben. Konventionelle Großkraftwerke verstopfen die Trassen. Kohlekraftwerke lassen sich nicht so schnell abregeln. Sie seien aber für die Steuerung der Stromnetze unerlässlich, sagen die großen Energieversorger und beschwören eine heilige Kuh: Ohne die rotierenden Massen der gigantischen Synchrongeneratoren in den Kraftwerksblöcken sei das Netz überhaupt nicht regelbar.

20 Blöcke als Notreserve

Bundesweit werden rund 16 Gigawatt Kraftwerksleistung als Reserve vorgehalten. Das sind 20 Blöcke mit einer Leistung von 800 Megawatt je Block. Die gesamte Kraftwerksleistung für Deutschland hatte die Bundesnetzagentur mit 84 Gigawatt festgelegt. Also ist fast ein Fünftel „unverzichtbar.“ Innerhalb von wenigen Sekunden müssen drei Gigawatt zur Verfügung stehen, um die gröbsten Einbrüche zu glätten. Das ist die so genannte Regelreserve, falls ein Großkraftwerk schlagartig ausfällt. Die übrigen Blöcke kommen ins Spiel, um regionale Disbalancen in den Teilnetzen auszugleichen.

Die Massen der Turbinen und Generatoren

Das konventionelle Stromnetz ist nur regelbar, weil in den Hallen der Kraftwerke gigantische Turbinen und Generatoren laufen, mit tausenden Umdrehungen in der Minute. Auf der Turbinenwelle sitzt ein Synchrongenerator, in dessen rotierenden Spulen der elektrische Strom entsteht, mit der Netzfrequenz von 50 Hertz. Dampfturbinen und Generatoren für 800 oder 1.500 Megawatt wiegen tausende Tonnen. Auch die Stromverbraucher mit Synchronmotoren wirken im Netz: etwa die Verdichter von Wärmepumpen und Kühlschränken, die Motoren von Kränen, Rolltreppen, Maschinen und Lüftern. Jede rotierende Masse, die direkt ans Netz angeschlossen ist, wirkt mit ihrer Trägheit, nicht nur in den Großkraftwerken: Sie glättet Frequenzsprünge.

Regeln ohne Schalter

Das gilt für alle Synchronmaschinen, denn sie folgen in ihrer Frequenz (Drehzahl) genau dem Netz. Wenn die Frequenz absinkt, schieben die Generatoren zusätzliche Energie ins Netz. Das tun sie von ganz allein, das liegt in ihrer Natur. Niemand legt dafür einen Schalter um. Erst nach mehr als 20 Millisekunden – so viel Zeit braucht die Leitwarte der Netzbetreiber, um zu reagieren – wird die so genannte Primärregelreserve aktiviert. Bereits laufende Kraftwerke spritzen mehr Brennstoff in die Turbine und damit mehr Leistung ins Netz, um die sinkende Frequenz zu stabilisieren.

Großkraftwerke verstopfen das Netz

Damit die rotierenden Massen die Frequenzsprünge im Netz in den ersten Millisekunden glätten können, müssen die Großkraftwerke laufen. Kohlekraftwerke oder Gasturbinen kann man in ihrer Leistung nicht beliebig weit abregeln, weil der Verbrennungsprozess in Gang und die Turbinen und Generatoren auf Netzfrequenz gehalten werden müssen. Sie laufen also immer mit 40 bis 50 Prozent ihrer Nennleistung „in Bereitschaft“ und verstopfen die Stromnetze, auch wenn kein Regelungsbedarf besteht.

Wechselrichter reagieren schneller

Bernhard Ernst, bei SMA in Kassel für die Netzintegration zuständig, bestätigt: „Wir bei SMA befassen uns mit diesem Problem. Derzeit befindet sich der neue ENTSO-E Network Code in der Endabstimmung, der solche Funktionen vorsieht. Darin wird vorgeschrieben, dass ab 2017 alle großen Solarparks die künstlichen Schwungmassen bereitstellen müssen. Das kann theoretisch jeder Batteriewechselrichter.“ ENTSO-E steht für European Network of Transmission System Operators for Electricity, dem Verbund von europaweit 48 Netzbetreibern. (Heiko Schwarzburger)

Die vollständige Reportage lesen Sie im Juniheft der Fachzeitschrift photovoltaik, die am 11. Juni 2013 erscheint.