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Mit den Augen des Kaufmanns

Zehn Jahre: Ein Jahrzehnt im Leben, in der Photovoltaik eine ganze Ära. Seit zehn Jahren macht Georg Stiens in Sonnenstrom. Er hat die Anfänge mitgemacht, den Hype und die Krise. Eine Krise, die es nach seiner Auffassung überhaupt nicht gibt: „Wir haben keine Krise in der Branche“, sagt er, „sondern wir sind in der Realität angekommen.“

Willkommen in der Realität, hier und jetzt, auf dem Firmengelände in Kaufungen, ein paar Kilometer von Kassel entfernt. Das Areal umfasst rund 5.000 Quadratmeter für die Lagerhallen und 1.000 Quadratmeter für Büros. Das Office vom Chef befindet sich in einem Gebäude, dessen oberes Stockwerk sich mit der Sonne dreht. Stiens Solartechnik hat 53 feste Mitarbeiter. „Rund 100 freie Handelsvertreter sind für uns unterwegs“, erläutert der 46-Jährige, der als Betriebswirtschaftler in die Branche kam, als Kaufmann.

Von Haus aus kein Techniker

Anders als viele Planer oder Installateure ist er kein Techniker, und wahrscheinlich ist das der Grund, dass er nüchterner über die Realität spricht. Der zweite Grund dürfte sein, dass sich Stiens schon frühzeitig auf den Vertrieb konzentriert hat. Nun stützt er sich auf ein eingespieltes Vertreternetz in Westdeutschland und Österreich. „Weil unsere Verkäufer je nach Umsatz bezahlt werden, habe ich keine großen Fixkosten“, sagt er.

Stiens war einer der ersten Ersten in der Branche, der sich auf das Vertriebsgeschäft konzentriert hat, schon vor Jahren, als Photovoltaik noch verteilt wurde, nicht verkauft. „Alle Montagen erledigen unsere regionalen Partnerbetriebe, die Handwerker vor Ort“, meint Georg Stiens. „Das sind etwa 200 Monteure in 100 Partnerbetrieben.“

Stiens ging als Kaufmann an die Sache, und der Kaufmann kennt vor allem zwei Kategorien: Ware und Absatz. Vor vier Jahren waren Solarmodule noch Mangelware. Damals rissen sich die Installateure die Paneele gegenseitig aus den Händen. Sogar große Händler wie IBC waren ausverkauft. „Wir hatten immer noch ein paar Lkw mit Trina-Modulen“, erzählt Stiens. „Wir hatten immer Ware. Ich habe meine Vertriebsleute angespornt: So schnell könnt ihr nicht verkaufen, wie ich liefern kann.“

Der nordhessische Installationsbetrieb hatte eigene Lager angelegt, und er kaufte die Module vor Ort in China. Gute Verbindungen zu SMA in der Nachbarschaft ließen auch bei Wechselrichtern keinen Engpass aufkommen. „Als die Umsätze hochschossen, konnten wir sehr schnell wachsen“, analysiert Georg Stiens rückblickend. „Wir waren auch in der Lage, die Aufträge bis zu den Stichtagen am Jahresende oder später zur Jahresmitte oder Ende April pünktlich abzuarbeiten. Unsere atmende Struktur ist sehr flexibel. Das zahlt sich jetzt wieder aus.“

160 Mastbullen auf Stroh

Für ihn hat die gegenwärtige Konsolidierung in der Photovoltaikbranche hausgemachte Ursachen. „Die Hälfte der Pleiten geht auf kaufmännisches Unvermögen zurück. Donauer ist dafür ein Beispiel. Andere Unternehmen wie Geckologic oder Phoenix sind schlicht dem Größenwahn verfallen.“ Wie bisher konnte es nicht weitergehen. „Dann wären alle durch die Decke geschossen“, sagt er. „Jetzt müssen die Verkäufer wieder verkaufen. Vorher war Photovoltaik nur ein Verteilungsgeschäft. Eine Eigenverbrauchsanlage zu verkaufen, da erweist sich, wer ein guter Verkäufer ist. Das viel komplizierter, aber auch reizvoller.“

Stiens geht ans Geschäft eher bodenständig heran: Ware, Vertrieb, Handelsvertreter. Zugute kam ihm, dass er nebenbei als Landwirt tätig ist. Der geborene Münsterländer hält 160 Mastbullen auf Stroh, bewirtschaftet rund 100 Hektar Land, als Weide und mit Futteranbau: Mais, Getreide, Gras. Er konzentriert sich auf die Photovoltaik, bietet keine klassische Elektrotechnik an. Schon 2003 landete er bei Pairan, wo er die Photovoltaik aufbaute.

Stiens konzentriert sich ganz auf Aufdachanlagen. In den besten Jahren brachte er 100 Megawatt auf die Dächer. 2013 waren es 50 Megawatt, also rund 70 Millionen Euro Umsatz. In Österreich beispielsweise installierte das Unternehmen rund 880 Kilowatt auf dem Dach eines Briefzentrums der Post in Wien. „Für 2014 erwarten wir rund 40 Megawatt“, prophezeit Stiens. „Das entspricht einem Umsatz von 50 Millionen Euro. Da sind wir sicher, dass wir das schaffen.“ Derzeit baut er Anlagen für neun Cent die Kilowattstunde.

Aber die Brötchen werden kleiner, dessen ist er sich bewusst. Die durchschnittliche Anlagengröße betrug 2013 rund 20 Kilowatt. Sie könnte sich in diesem Jahr weiter verringern, auf 10 bis 15 Kilowatt. „Nur mit Kleinanlagen kommen wir wirtschaftlich nicht durch“, bestätigt er. „Wir brauchen gewerbliche Anlagen, um unsere Kosten darzustellen.“ Durch die Pläne von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) sieht er neue, dunkle Wolken über der Branche aufziehen: „Wenn die EEG-Umlage als Strafabgabe für den Eigenverbraucher kommt, wird der deutsche Markt auf 1 bis 1,5 Gigawatt im Jahr schrumpfen. Dann stehen Tausende Arbeitsplätze auf dem Spiel. Auch wir müssten die Hälfte unserer Leute entlassen. Denn dann wäre der Markt in der gewerblichen Photovoltaik tot. Geld wechseln können die Investoren besser auf der Bank.“

Die Firma stellt sich auf den Wandel ein, indem sie ihre Produkte erweitert. Brauchwasser-Wärmepumpen und LEDs zur Beleuchtung von Tierställen ergänzen das klassische Sortiment. Auch bei den Komponenten stellt sich Stiens breiter auf, um Vorteile im Einkauf zu nutzen. „Wir verbauen zu 80 Prozent SMA, auch Leistungsoptimierer und Wechselrichter von Solar Edge“, zählt er auf. „Seit einem Jahr haben wir auch Kostal im Programm.“ Auf den neuen Batteriewechselrichter von SMA wartet er seit Monaten. „Vor einem halben Jahr hat SMA den neuen Batteriewechselrichter angekündigt, kann aber immer noch nicht liefern“, kritisiert er. „Das geht eigentlich nicht.“

Die Solarmodule kommen von Trina (Honey) und Yingli (Panda), über die Häfen in Rotterdam und Hamburg. Auch die neuen Glas-Glas-Module von Solarwatt hat er schon verbaut. Die Untergestelle kommen von Lorenz Montagesysteme aus Köln. Seit einigen Monaten testet er Blei-Gel-Batterien von Hoppecke, die Ladeelektronik kommt von Nedap. Ein Lithium-Ionen-System mit SMA-Ladetechnik steht gleichfalls in seiner Halle. Auf seinem Bauernhof läuft ein Doppelpack mit zweimal 7,4 Kilowattstunden Speicherkapazität, „um über die Nacht zu kommen“. Beweglich sein, die Augen offen halten: Auch Kleinwindkraft und Blockheizkraftwerke hat Stiens auf dem Schirm. „Das sind neue Themen, die wir gut vorbereiten müssen. Da reicht Halbwissen nicht aus.“

Stiens hat seine Vertriebsmannschaft so weit fit gemacht, dass die Verkäufer die Anlagen ihrer Kunden planen und den Bau betreuen. Auf diese Weise stecken sie über beide Ohren in der Materie, können die Fragen der Kunden detailliert beantworten und individuelle Angebote schneidern. Alle acht Wochen kommen die Vertriebspartner nach Kaufungen, für Schulungen und die Präsentation neuer Produkte, denn auch die Lieferanten sind bei den Treffen dabei. „Wir konzentrieren uns auf den Verkauf“, meint der Firmenchef. „Jedes dritte oder vierte Angebot führt zum Auftrag.“

Verkäufer planen Anlagen selbst

Die Außendienstmitarbeiter zeichnen sogar die Verschaltungspläne selbst und wählen die Subunternehmer aus. Das Rückgrat seiner Vertriebsstruktur sind regionale Solarzentren, die als unabhängige Hauptniederlassungen unter der Marke Stiens Solartechnik laufen. Allein das Solarzentrum in Mittelhessen erwirtschaftet im Jahr rund ein Fünftel des Gesamtumsatzes.

Strompreise treiben Nachfrage

Derzeit bietet er das Kilowatt bei kleineren Anlagen für 1.300 Euro an, ab 500 Kilowatt kostet die Anlage etwa 1.050 Kilowatt. Die Nachfrage wird durch die hohen Strompreise getrieben, zunehmend suchen auch Gewerbebetriebe nach Alternativen zur Selbstversorgung. „Die Einspeisevergütung spielt nur noch an den Wochenenden eine Rolle, wenn niemand in der Firma ist und die Maschinen stillstehen.“

Zur Demonstration und zum Dauertest wurde in Kaufungen ein Speichersystem aufgebaut und an die 120-Kilowatt-Dachanlage angeschlossen. Das System deckt die Grundlast von 40 Kilowatt, der Speicher fasst 15 Kilowattstunden. Ab März deckt das Unternehmen seinen Strombedarf selbst. Der Nebeneffekt: „Viele Kunden kommen vor der Kaufentscheidung zu uns, um sich die Technik und die Systeme anzuschauen“, berichtet der Chef. „Oft kommt die Gattin mit. Den Frauen sind optische und ästhetische Aspekte der Solartechnik wichtig. Oft wählen sie schwarze Module mit schwarzen Rahmen.“

Ganz neu ist Stiens in den Handel mit Ökostrom eingestiegen. „Wie geschnitten Brot geht unser neues Angebot, den Reststrom des Haushaltes durch Ökostrom zu decken“, verrät er. „Wir sind Partner von Firstcon aus Norddeutschland und bieten den Strom drei Cent billiger an als der regionale Versorger. Derzeit sperchen wir unsere 16.000 Bestandskunden an. Einerseits bieten wir die Umrüstung älterer Solaranlagen auf Speicher an, andererseits Ökostrom.“

Auch wer nicht in Photovoltaik investieren will, interessiert sich oft für den Ökostrom. Der Kunde spart einige Cent je Kilowattstunde, das macht sich bemerkbar. Firstcon gibt drei Jahre Garantie auf den Arbeitspreis.

Strom für acht Millionen Hühner

Stiens hat mit den Landwirten angefangen, sie waren seine ersten Kunden. Vielleicht weil er gut mit den Bauern konnte, er ist ja selbst Landwirt. Weil er verstand, dass seine Kunden in erster Linie wirtschaftlich denken. Sein größter Kunde ist das Springreiterass Paul Schockemöhle, der rund 4.000 Pferde in seinen Ställen und zahlreiche Liegenschaften hat.

Allein auf dem Gestüt bei Schwerin zieht er im Jahr etwa 800 neue Fohlen auf. Auf den Dächern des Gestüts stromt mehr als ein Megawatt Photovoltaik. Insgesamt hat Schockemöhle auf seinen Gebäuden rund zwölf Megawatt installiert. In den Hallen dienen stromsparende LEDs als Beleuchtung, denn Tierställe müssen gut ausgeleuchtet sein.

Auf den Hühnerställen der Deutsche Frühstücksei GmbH wurden 30 Megawatt installiert. Sie liefern den Strom für bundesweit rund acht Millionen Hühner, die täglich sechs Millionen Eier legen. Diese Anlagen hat Stiens meist selbst finanziert, darunter sind etliche Großdächer mit Ost-West-Ausrichtung. „Die Solarmodule stromen mindestens 20 Jahre“, meint er. „Der Wechselrichter heißt Wechselrichter, weil er alle paar Jahre gewechselt werden muss. Die Kosten sind überschaubar. Eigentlich gibt es mit der Photovoltaik kein Risiko.“

In der Summe 21 Megawatt hat er aus eigener Tasche bezahlt, nun werfen diese Anlagen ihre Erträge ab. „Finanziell bin ich mit den Solaranlagen und meinem Hof sehr gut aufgestellt“, sagt er. „Das erleichtert es mir, die Firma über Wasser zu halten. Auch Anlagen für die Mitarbeiter wurden gebaut, in der Summe rund ein Megawatt. Rund sechs Megawatt wurden in Solarkraftwerken mit Bürgerbeteiligung aufgebaut, etwa zehn Megawatt für Einzelinvestoren. Allerdings rechnet sich das Geschäft mit gepachteten Fremddächern nicht mehr. Denn zehn Prozent des Stroms müssen im Gebäude verbraucht werden. Die Banken verlangen neuerdings ein höheres Eigenkapital, bis zu 30 Prozent. „Früher haben zehn Prozent gereicht“, meint Georg Stiens. „Auch sind die Pachtvorstellungen heutzutage oft viel zu hoch. Die Pachtpreise wie vor drei oder vier Jahren sind heute nicht mehr machbar.“

Neue Nischen tun sich auf

Dafür öffnen sich neue Nischen, siehe den Handel mit Ökostrom. Auch bietet Stiens seinen Altkunden an, ihre netzgekoppelte Solaranlage auf Eigenverbrauch umzurüsten. Anlagen, die in den Genuss der Eigenverbrauchsförderung nach EEG 2012 kamen, kann man jetzt auf Einspeisung umbauen. Dann kriegen sie nämlich die hohe Vergütung aus dem Jahr ihrer Inbetriebnahme. „Danach bauen wir sie wieder zur Eigenverbrauchsanlage um.“

Mit der Firma North Tec als Partner ist Stiens zurzeit gut unterwegs, um Eigenstromanlagen für die Biogasbranche zu vertreiben. Was sich zunächst seltsam anhört, ist schnell erklärt: Die Biogasanlagen brauchen viel Strom für die Fermenter und die Rührwerke, typischerweise zwischen 80 und 100 Kilowatt. „Wir bauen die Solaranlagen für neun Cent pro Kilowattstunde“, rechnet Stiens vor. „Also kann der Betreiber der Anlage den Strom aus Biogas ins Netz einspeisen, wo er deutlich besser vergütet wird.“ Ein großes Potenzial sieht er in den früheren Genossenschaften in der Landwirtschaft in Ostdeutschland. „Dort besteht Nachholbedarf.“

Zähler und Versicherungen

Auch auf Trockenhallen bieten die Solargeneratoren eine Chance, die Stromkosten des bäuerlichen Betriebs zu senken. Denn für jede Kilowattstunde aus dem Netz müssen die Landwirte rund 20 Cent an ihren Versorger berappen. Problematisch ist jedoch, dass Photovoltaikanlagen auf Lagerhallen für Saatgut, Nährgetreide oder Mähdrescher wie Freiflächenanlagen vergütet werden. Generatoren auf Tierställen hingegen bekommen die Aufdachvergütung. So sieht es das aktuelle EEG vor. Der Amtsschimmel wiehert.

Das Potenzial des Betriebs sind seine Kunden. Mit der neuen Messstellenverordnung könnte man preiswerte Zähler einbauen. Seit Jahresbeginn ist das Monopol der Netzbetreiber gebrochen, auch unabhängige Dritte dürfen nun Zähler einbauen und verwalten – im Auftrag der Stromkunden. Das ist für Gewerbebetriebe oder Landwirte interessant, die nicht selten einige Hundert Euro im Jahr für ihre Zähler hinblättern müssen. Auch pflegt Stiens seine Altkunden, indem er die Solarversicherung anpasst. „Das machen wir mit der Mannheimer Versicherungen AG zusammen“, erklärt er. „Wir passen die Prämie der Lumit-Versicherungen an den Wiederbeschaffungswert der Anlagen an.“

Normalerweise beträgt die Prämie rund 1,95 Promille vom Nettowert der Solaranlage. Weil die Preise für Module und Wechselrichter in den Keller gerauscht sind, kann man den Wiederbeschaffungswert älterer Anlagen nicht selten um zwei Drittel oder mehr reduzieren. „Also spart der Kunde auch bei der Versicherungsprämie seiner Altanlage.“

In der Photovoltaik zählt das Jahr mehr als in anderen Branchen. Dieses Jahr wird kritisch. Denn der Wandel im Markt ist tiefgreifend und der Preisdruck enorm. „Zehn Jahre haben wir die Branche aufgebaut“, meint Georg Stiens selbstbewusst. „Jetzt sind wir nicht mehr zu stoppen.“

https://www.solartechnik-stiens.de/

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