Der Markt für private Solarstromspeicher ist gerade fünf Jahre alt, da öffnet sich bereits die nächste Tür: Zunehmend fragen Unternehmen nach größeren Gewerbespeichern. Sie sind das Herz der kommerziellen Eigenverbrauchsanlage aus Photovoltaik und meist einem BHKW oder Brennstoffzellen, kombiniert mit Wärmepumpen, LED-Beleuchtung und solaren Carports für die Elektroautos der Belegschaft.
Wer große Gewerbespeicher planen und installieren will, sollte unbedingt auf die Erfahrungen bei den Heimspeichern zurückgreifen. Allerdings unterscheidet sich das kommerzielle vom privaten Geschäft in einem wesentlichen Punkt: Größere Speicher für Gewerbe, kommunale Kunden oder die Industrie kauft man nicht von der Stange, als Komplettpaket. Sonderndas ist Projektgeschäft, da geht es um die effiziente Adaption kaskadierbarer Speichersysteme, um die Anpassung der modularen Batterien, die Hersteller und Fachhändler anbieten.
Am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) laufen umfangreiche Tests von Heimspeichern, um ihre Sicherheit und Effizienz zu überprüfen. Die Ergebnisse sind genauso wichtig für kommerzielle Speicher und lassen grundsätzliche Schlussfolgerungen zu. Auch die Checkliste zur Auswahl von Heimspeichern, die wir am Ende dieses Artikels abdrucken, lässt sich ohne Weiteres auf gewerbliche Speichersysteme übertragen.
Checkliste auch für Gewerbespeicher nützlich
Die Forschergruppe am KIT hat ihre Ergebnisse in ein Tableau gebracht, das die 16 getesteten Speichersysteme abbildet. Im oberen Teil sind alle sicherheitsrelevanten Kriterien dargestellt – für den Transport und die Funktionalität.Im unteren Teil sieht man die Messergebnisse aus dem Betrieb (Performance), aus denen man die Effizienz der Systeme erkennen kann. „Die roten Felder markieren gravierende Mängel in der Sicherheit oder Wirkungsgrade von weniger als 80 Prozent“, erläutert Projektleiterin Nina Munzke. „Sehr gute Systemwirkungsgrade von mehr als 96 Prozent haben wir grün dargestellt.“ Drei Speichersysteme fielen aus den Tests: zu gefährlich, funktionelle oder EMV-Probleme.
Systeme laufen meist in Teillast
Nach ihrem Urteil ist vor allem der Wirkungsgrad der Leistungselektronik für die Gesamteffizienz eines Speichersystems entscheidend. „Die Batteriewechselrichter verursachen die größten Verluste im System“, sagt sie. „Außerdem haben wir festgestellt, dass es eigentlich keinen Sinn macht, auf dem Datenblatt die Maximalwirkungsgrade anzugeben. In der Realität laufen die Systeme meistens in Teillast.“
Deshalb wurden die Speichersysteme am KIT mit 50 Prozent der Nennleistung beladen und entladen beziehungsweise nur mit 500 Watt. „Das liegt näher an den Erfordernissen der Photovoltaik und der Hausversorgung.“
Im Grunde genommen bestätigt die Forscherin damit eine Erkenntnis, die wir schon von den Stringwechselrichtern kennen: Auch sie laufen meistens in Teillast. Nur wenn die Sonne voll auf die Solarmodule knallt, um die Mittagszeit, wird vielleicht Volllast erreicht. Oder die Wechselrichter laufen in der Türkei oder in Afrika, wo die Sonne während des ganzen Tages erbarmungslos prasselt.
In dem Tableau erkennt man auch, dass trotz geringerer Wirkungsgrade in der Leistungselektronik ein Speichersystem am Ende mit guten Werten aus den Tests kommen kann. Dabei spielt vor allem die Qualität der Steuerung (Response Time) eine wichtige Rolle. Sie wird mit den Kriterien Totzeit (Dead Time) und Einschwingzeit (Setting Time) beschrieben. Diese beiden Angaben beschreiben, wie schnell die Speichersteuerung auf Lastwechsel reagiert und wie lange es dauert, bis sich der Speicher auf die neuen Lastanforderungen eingestellt hat.
Stand-by-Verbrauch nicht unterschätzen
Der Stand-by-Verbrauch des Speichers ist nicht zu unterschätzen. In den Tests wurde lediglich das System vermessen, nicht die Einbindung ins Gebäude. Der Stand-by-Verbrauch eines WLAN-Routers ist darin beispielsweise nicht enthalten.
Die Tests sind anonymisiert, so wurde das Projekt angelegt. Diejenigen Installateure, die schon Speicherbatterien installieren, können die Ergebnisse jedoch sehr gut mit den Betriebsdaten der Speicher in ihrem Monitoring vergleichen. Denn es geht darum, die Spreu vom Weizen zu trennen.
Für die Stromlasten nutzten die Karlsruher Wissenschaftler verschiedene Lastprofile aus der VDI 4655, zudem haben sie typische Lastgänge von Haushalten aus einem Forschungsprojekt der TU Wien verwendet. „Wir haben beide Ansätze verglichen und erkannt, dass die VDI 4655 mit ihren Typtagen sehr brauchbare Lastgänge anbietet“, resümiert Nina Munzke.
Auf diese Weise kommen für die Batterie und die Leistungselektronik belastbare Daten heraus. Im Gewerbe müsste man natürlich die individuellen Lastprofile des Unternehmens ansetzen. Gegebenenfalls müsste der Planung des Speichers die umfangreiche Aufnahme der Nutzerprofile mit geeigneten Zählern vorausgehen. Im Tableau zeigt der Autarkiegrad (Degree of Self-Sufficiency) an, welchen Eigenverbrauch der eingesetzte Stromspeicher erzielte. Im Feld für intelligente Ladestrategien ist vermerkt, ob das Speichersystem damit ausgestattet war (grün markiert) oder nicht (rot).
Höhere Kapazitäten und Ströme
Bei Gewerbespeichern gelten ähnliche Kriterien, auch wenn die Speicherkapazitäten und die Ströme zum Laden oder Entladen deutlich höher liegen dürften.
Wirklich Volllast ist eigentlich nur durch Elektroautos zu erwarten, wenn die Ladesäulen mit dem Stromspeicher verknüpft sind. Dann macht es jedoch Sinn, unterstützende Generatoren wie BHKW oder Brennstoffzellen einzubinden.
Denn Photovoltaik und hohe Ströme, auch nur kurzzeitig, passen nicht wirklich zusammen. Dauerhaft hohe Leistungen bekommt man nur in ein Eigenstromsystem, wenn die Generatoren die Leistung zuverlässig anbieten. Bei sehr kurzen Anforderungen von Spitzenlast kann es ökonomisch sinnvoll sein, den Netzanschluss des Unternehmens zu nutzen.
Nach den ersten Tests zur Sicherheit und zur Performance folgen am KIT nun die Auswertungen zum Langzeitverhalten. „Wir wollen wissen, ob sich nach 1,5 oder zwei Jahren schon etwas an den Batterien verändert“, gibt Nina Munzke einen Ausblick. „Unser Projekt läuft bis September 2018.“
Standardisierung schreitet voran
Was mit den Heimspeichern begann, setzt sich bei den Gewerbespeichern fort. Auch für sie gilt der Sicherheitsleitfaden, nur verschärft um den betrieblichen Brandschutz, um Notstrom und unterbrechungsfreie Stromversorgung (USV). Und für sie gilt auch der neue Effizienzleitfaden, den die Branche im Frühjahr vorstellte.
SMA ist vorgeprescht und hat seine Wechselrichter nach den Vorgaben des Effizienzleitfadens getestet. Die Ergebnisse wurden im Juli veröffentlicht. Im Herbst geht die Standardisierung in die nächste Runde. „Die Hersteller haben nun die notwendigen Vorgaben erhalten, um ihre Systeme vorab zu prüfen. Die Ansprüche an die Genauigkeit der Tests und der Messtechnik sind hoch“, erläutert Tjarko Tjaden, Wissenschaftler an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) in Berlin.
Leitfaden ist ein erster Schritt
Er gehört zum Forscherteam um Professor Volker Quaschning und hat selbst am Leitfaden mitgearbeitet. Er sagt auch: „Dadurch, dass die Tests zusammen mit den Herstellern und Instituten praxisnah entwickelt wurden, besteht allerdings eine breite Akzeptanz.“
Der Leitfaden gibt reproduzierbare Richtlinien für die Tests vor. Zunächst wurde er für Heimspeicher entwickelt, macht aber grundsätzliche Vorgaben auch für gewerblich genutzte Speicher. Zwei Jahre lang haben Forscher und Hersteller am Leitfaden gearbeitet. „Nun muss man den normativen Weg gehen“, gibt Tjaden einen Ausblick. „Es geht darum, Prüfnormen zu entwickeln und die Angaben auf den Datenblättern der Speichersysteme zu vereinheitlichen.“ Denn noch basiert der Leitfaden auf den Angaben der Hersteller, die faktisch kaum zu überprüfen sind.
Betriebsdaten aus dem Monitoring
Zurzeit sind die Daten aus den Monitoringportalen der Hersteller oft ungenau, nicht präzise definiert und somit nur wenig vergleichbar. Sehr oft ist völlig unklar, wie viel Energie die Leistungselektronik oder die Regelung des Speichers schlucken.
Auch Stand-by-Verluste, eventuell den Internet-Router inbegriffen, fallen bei den einzelnen Systemen – je nach Einbindung im Gebäude – sehr unterschiedlich aus. Neben der Systemtechnik wird die Effizienz eines Stromspeichers wesentlich durch seine Einbindung ins Gebäude und die Hausversorgung bestimmt.
Bisher ist der Leitfaden zur Speichereffizienz eine Selbstverpflichtung der Industrie. In München auf der Intersolar und der EES Europe signalisierten einige Anbieter, dass sie die neuen Anforderungen erfüllen wollen.
Wird jedoch eine Prüfnorm entwickelt und beispielsweise von der Deutschen Kommission für Elektrotechnik (DKE) und dem VDE erlassen, gilt sie als Stand der Technik und erlangt somit eine gewisse Verbindlichkeit. Davor kann sich niemand mehr drücken.
Hohe Lebensdauer als oberstes Ziel
Zentrales Kriterium für die Wirtschaftlichkeit der Speicher ist ihre Lebensdauer. Die zum Laden und Entladen zugelassenen Ströme, die Entladetiefe und die Ladezyklen im Jahr werden bislang so gesteuert, dass die sensiblen Lithiumzellen möglichst nicht überhitzen oder überspannt werden, um sie zu schonen.
Doch wie sagt der Volksmund so schön: Entscheidend ist, was hinten rauskommt. Das ist bei den Stromspeichern nicht anders. Am Ende steht beim privaten wie auch beim Gewerbekunden die Frage: Wie viel kostet die Kilowattstunde Sonnenstrom, wenn sie in die Batterie eingespeichert und zur Nutzung wieder entnommen wurde?
In Simulationen zeigte sich, dass vor allem bei AC-gekoppelten Systemen das reale Betriebsverhalten relativ gut abgebildet werden kann. „Dadurch sind wir in der Lage, belastbare Aussagen zur jahresmittleren Effizienz von AC-gekoppelten Systemen auf Basis der Messergebnisse des Effizienzleitfadens zu treffen“, erläutert Johannes Weniger, Forscherkollege von Tjarko Tjaden an der HTW in Berlin. „Unser Ziel ist es, die Effizienz von unterschiedlichen Systemkonzepten anhand einer simulationsbasierten Kennzahl vergleichbar zu machen.“ Die Validierung muss noch zeigen, ob man solche Simulationen auch für DC-gekoppelte Systeme sinnvoll und präzise genug durchführen kann.
Wie simuliert man Intelligenz?
Die Sache ist komplex, denn neben den Stand-by-Verbräuchen eines Speichersystems übers Jahr geht es dabei auch um die Effizienz der Systemsteuerung, um die Nutzung von Prognosedaten, um das Totzeit- und Einschwingverhalten der Speichersteuerung, um die Begrenzung der Einspeiseleistung am Verknüpfungspunkt mit dem Stromnetz und um die AC-Lasten im Gebäude. „Das muss man sekündlich auflösen, damit die Simulationsergebnisse hinterher wirklich belastbar sind“, urteilt Johannes Weniger. „Bei unseren Simulationen hat sich bereits gezeigt, dass die Begrenzung der Einspeiseleistung auf 50 Prozent die Effizienz eines Speichersystems erheblich verändern kann – sofern der Speicher ohne prognosebasierte Ladeplanung betrieben wird.“
Auf den folgenden Seiten finden Sie die Checkliste des KIT als Kopiervorlage für Ihr Unternehmen. Der Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Forschungszentrums.
Kurz nachgefragt
„Der Leitfaden ist nicht nur Papier“
SMA hat als einer der ersten Anbieter im Markt seine Leistungselektronik durchgemessen und die Werte gemäß Effizienzleitfaden für Lithiumspeicher veröffentlicht. Warum?
Martin Rothert: Es ist uns ganz wichtig, dass die Kunden und die Installateure exakte Aussagen über die tatsächliche Effizienz eines Speichersystems bekommen. Wir haben unsere Messungen von einem unabhängigen Prüflabor durchführen lassen und hoffen nun, dass andere Anbieter nachziehen. Nur dann können Verbraucher und Installateure die Systeme vergleichen und ihre Entscheidungen treffen. Vor allem die Batteriehersteller sind nun gefordert.
Wie schätzen Sie die Effizienz der Speichersysteme im Markt aus Ihrer Erfahrung ein?
Bei der Effizienz der angebotenen Speichersysteme gibt es riesige Unterschiede. Selbst Experten fällt es schwer, die verschiedenen Systeme zu vergleichen und ihre Effizienz richtig zu bewerten. Der Effizienzleitfaden ist ein erster Schritt, die Systeme untereinander transparent und vergleichbar zu machen. Natürlich wird man nicht alle Systeme und alle Varianten testen können, das wäre viel zu aufwendig. Aber man kann repräsentative Systeme prüfen, etwa den kleinsten, einen mittelgroßen und den größten Speicher einer Baureihe.
Wie sind Sie bei SMA vorgegangen?
Wir haben unseren Sunny Boy Smart Energy SB 3600SE-10, den Sunny Boy Storage SBS2.5-1VL-10 und den Sunny Island SI4.4M-11 mit der Batterie von Mercedes-Benz analysiert. Diese Daten sind nun veröffentlicht und zugänglich. Darüber hinaus haben wir für mehr als 1.000 unserer Systeme die Betriebsdaten aus dem Feld ermittelt, um die Effizienz zu bewerten.
Wie geht es nun weiter?
Der Effizienzleitfaden wird nicht nur Papier bleiben. Nun müssen die Messergebnisse aller Anbieter auf den Tisch. Im Herbst ist der nächste Workshop des BVES geplant, um eine bessere Vergleichbarkeit anhand von einer oder wenigen Kennzahlen ähnlich dem Euro-Eta für Solarwechselrichter zu erreichen. Unser Ziel ist ein Label, durch das auch Endkunden die Effizienz eines Systems leicht erkennen können.
Das Gespräch führte Heiko Schwarzburger.
Martin Rothert
leitet die Produktgruppe Residential & Commercial der Geschäftseinheit Off-Grid & Storage bei SMA. Mit mehr als 20 Jahren Berufserfahrung im Speicherbereich engagiert er sich als Sprecher der AG Speicher beim BSW-Solar, beim BVES und beim FNN. So war er aktiv an der Erstellung des Sicherheits- und Effizienzleitfadens sowie des FNN-Speicherhinweises beteiligt und am Entwurf der VDE-AR-N 4105.