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Photonenbauern hinterm Deich

Gerade hat sich die Kuh mit der Nummer 658 in eine der Boxen gezwängt und gibt sich mit Genuss ihrem Futtertrog hin. Gleichzeitig schwingt der Arm des Melkroboters zum Euter und wäscht ihn mit kreisenden Bürsten. Dann betasten rote Laserstrahlen die Zitzen. Sie steuern die Melkbecher an, die sich mit traumwandlerischer Präzision an den Zitzen festsaugen und ihr Werk beginnen. Dabei wird die Milch nicht nur abgepumpt, sondern gleich analysiert.

2009 hielt der Melkroboter auf dem Hof von Jan Borgman und Erna Roeterdink im niederländischen Vierakker Einzug und spart rund die Hälfte der früheren Melkzeit ein. Die Kühe bewegen sich völlig frei und trotten zum Melkroboter, wenn das Euter zwickt.

Jan und Erna bewirtschaften ihren Familienbetrieb mit zwei Melkrobotern und rund 100 Milchkühen. Die Milchleistung liegt bei 890.000 Litern im Jahr. Die Melkroboter benötigen allerdings – im Gegensatz zu einem traditionellen Melksystem – fast den ganzen Tag lang Strom. Diese Energie kommt von der Sonne, aus Solarmodulen auf dem Stalldach. Sie wird in einem Cell Cube FB 10-100 Vanadium-Redox-Flow-Speicher zwischengelagert, etwa von der Größe eines kleinen Seecontainers.

Der Bauernhof ist ein modernes Unternehmen, das mit idyllischen Vorstellungen vom Landleben nur wenig zu tun hat. Wohl aber mit Nachhaltigkeit und hoher Qualität, auch in der Energieversorgung. Denn „Landwirtschaft und Energieerzeugung passen gut zusammen“, sagt Jan Borgman. Als Landwirt verfügt er über die Flächen für Solaranlagen, Windräder und die Rohstoffe für eine Biogasanlage.

Autarke Stromversorgung möglich

Auf dem Hof von Jan Borgman und Erna Roeterdink wurden im September 2010 rund 360 Quadratmeter Dachfläche mit Photovoltaik belegt. Die Anlagen leisten rund 50 Kilowatt. Die beiden nennen sich „Photonenbauern“, wird doch das Sonnenlicht in Strom umgewandelt. Anschließend wird die Sonnenenergie im Cell Cube vorgehalten. Er speichert den Strom, der dann geliefert werden kann, wenn der Viehhalter ihn benötigt.

Seit 1750 befindet sich der Milchbetrieb im Besitz der Familie Borgman. Nun ist er der erste Hof in den Niederlanden, der seinen Strom selbst erzeugt und völlig unabhängig ist. „Wir wollten mehr für unseren Betrieb tun”, berichtet der Bauer. Durch die Nachrüstung des Betriebs mit erneuerbaren Energiequellen wird der Hof wirtschaftlich attraktiver. „Doch damit nicht genug. Wir wollen auch andere Landwirte anregen, Zeit und Mühe zu investieren, um ihren Betrieb auf diese Weise zu erweitern.“

Bauern, die ausschließlich Milchwirtschaft betreiben, stehen im Allgemeinen ziemlich alleine da. Hilflos stehen sie den Schwankungen der Milchpreise gegenüber, die von den großen Lebensmittelketten diktiert werden. Auf der anderen Seite steigen die Ausgaben fürs Futter und die Energie. „Wir sind stolz und möchten gerne allen zeigen, wie ein moderner Landwirtschaftsbetrieb funktionieren kann“, sagt Jan Borgman. „Daneben leisten wir gerne einen konstruktiven Beitrag, um das Image der Landwirtschaft und Milchviehhaltung zu verbessern.“

Der Photonenbauer in Vierakker ist ein couragiertes Projekt von Courage Innovatie Netwerk. Das ist eine Initiative des niederländischen Ministeriums für Landwirtschaft, Natur und Ernährung. Beteiligt sind die Partner Alliander, Trinergie und die Provinz Gelderland. Courage entwirft und realisiert wegweisende Konzepte, um die niederländische Milchwirtschaft zu stärken. „Das Projekt soll als Referenzprojekt dienen, für eine neue Position der Milchwirtschaft auf dem Energiemarkt“, erklärt Projektleiter Jeroen de Veth von der Energieagentur Trinergie. „Es wird deutlich, dass die niederländische Milchviehhaltung Experimenten und neuen Technologien offen gegenübersteht und Verantwortung für eine nachhaltige Gesellschaft übernimmt.“

Ein couragiertes Projekt

Als sich das Projektteam Ende 2008 auf die Suche nach geeigneten Stromspeichern machte, stellte sich die Vanadium-Redox-Flow-Lösung von Gildemeister Energy Solutions als einziger am Markt erhältlicher funktionsfähiger Großspeicher heraus. Im Sommer 2010 wurde er geliefert und installiert. Der Cell Cube FB 10-100 besitzt speziell abgestimmte Wechselrichter, wodurch der Anschluss an unterschiedliche Energiequellen möglich ist. Mit der Speicherkapazität von bis zu 100 Kilowattstunden und nominal zehn Kilowatt Leistung kann er an sonnigen Tagen Energie für gut acht Stunden speichern.

Der Photonenbauer nimmt seine Stromversorgung in die eigene Hand. Er kann den Strom für seinen eigenen Betrieb verwenden und Überschüsse in einem für ihn geeigneten, kaufmännisch interessanten Moment an das Elektrizitätsnetz liefern, je nach Preis, den er erzielen kann. Die Speicherung des Stroms ist deshalb das Kernelement des Konzeptes. „Derzeit wird in den Niederlanden für Kleinverbraucher am Ende des Jahres abgerechnet, und zwar die Energie, die netto vom Netz tatsächlich verbraucht wurde“, erklärt Jeroen de Veth. „Hier auf dem Hof werden im Jahr rund 62.000 Kilowattstunden verbraucht, wobei 42.000 Kilowattstunden über Solarenergie erzeugt werden. Der Bauer zahlt also nur für die verbleibenden 20.000 Kilowattstunden, die er über das Stromnetz bezieht.“

Optimaler Speicherbetrieb

In Deutschland beispielsweise sähe das anders aus, meint Jeroen de Veth. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz und zunehmend der Strommarkt belohnen einen hohen Eigenverbrauch. Photovoltaikanlagen mit Energiespeichern eignen sich zudem besser für das zukünftige „intelligente Stromnetz“.

Das Projekt hat eindrucksvoll bewiesen, dass die erzeugte Sonnenenergie für die spätere Nutzung gespeichert werden kann. Es handelt sich buchstäblich um „Energie für die Zukunft”, eine nachhaltige Innovation. „Wir können den Energieverbrauch gut ausgleichen und für eine konstante Energieversorgung sorgen, was beispielsweise wichtig für Krankenhäuser ist“, erläutert de Veth. „Gemeinsam mit Gildemeister Energy Solutions haben wir eine Software und ein Regelsystem entworfen, das den optimalen Batteriebetrieb garantiert.“

Über die Software werden die Energieproduktion und der Status des Speichers fortlaufend überwacht. Die Temperatur im Speicher, die Auslastung der Batterie und der Energieaustausch mit dem öffentlichen Netz: Alle Daten können genau abgelesen werden. Verbrauchsspitzen wie beispielsweise beim Einschalten der Milchroboter sind sofort zu erkennen.

Jeroen de Veth deutet auf einen Monitor an der Wand, der beeindruckende Linien und Kreise zeigt. „Das“, sagt er, „ist das Herz des Photonenbauers.“ Und tatsächlich – auf dem Monitor schlägt ein kleines rotes Herz. Der Cell Cube arbeitet. Das intelligente System steuert den erzeugten Solarstrom dorthin, wo der Verbrauch am höchsten ist. Das kann direkt in den Milchviehbetrieb sein oder zur Batterie beziehungsweise ins Netz. „Angenommen, morgen wird ein sonniger Tag. Dann reagiert das System darauf, indem es dafür sorgt, dass der Speicher bis dahin auf die wirtschaftlichste Weise entladen wird.”

Die Bauern in Vierakker erforschen ständig neue Möglichkeiten. So wurden zum Beispiel zwei neue Sonnenboiler auf dem Dach installiert. Auch das bei der Milchkühlung erzeugte Warmwasser wird im Betrieb weiterverwendet. Eine weitere clevere Neuerung ist der Einsatz von LED-Beleuchtung in der Scheune. Untersuchungen haben ergeben, dass eine gute Beleuchtung die Milch der Kühe verbessert, vor allem im Winter. 16 Stunden Licht und 8 Stunden Dunkelheit sind ideal. Außerdem spart der Bauer 70 Prozent seiner Dieselkosten, seit er einen modernen Futterroboter im Einsatz hat, der nun nicht mehr über seine Generatoren angetrieben werden muss.

Demnächst Windkraft im Mix

„Wir evaluieren derzeit eine mögliche Investition in einen Wind Carrier zur weiteren Energieerzeugung“, sagt de Veth. „Der Speicher läuft nun seit 2,5 Jahren ohne Probleme, und wir sind sehr zufrieden mit der Performance. Aber im Winter ist er bei Weitem nicht ausgelastet, denn die Photovoltaikanlage läuft nicht mit ihrer vollen Leistung. Wenn wir Windenergie mit ins Boot holen, können wir auch im Winter mehr regenerative Energie erzeugen und tatsächlich unabhängig vom Stromnetz arbeiten. Das ist das Ziel.“

Die Zukunftsvision der Projektteilnehmer lautet: Frisch aufgeladene Elektrolyte beim Photonenbauern tanken. Die aufgeladene Vanadiumlösung in dem Speicher ist pumpbar. Sie kann in mobilen Systemen eingesetzt werden, beispielsweise in Betriebsfahrzeugen und in Autos. Allerdings wird es noch eine Weile dauern, bis es so weit ist.

Gildemeister Energy Solutions

Vorreiter in der Vanadium-Redox-Flow-Technologie

In Redox-Flow-Speichern besteht das aktive Material aus in einem flüssigen Elektrolyt gelösten Salzen. Der Elektrolyt wird in Tanks gelagert und bei Bedarf einer zentralen Reaktionseinheit für den Lade- oder Entladeprozess mittels Pumpen zugeführt. Da die Löslichkeit der Salze in den Elektrolyten typischerweise nicht sehr hoch ist, werden Energiedichten wie bei Bleibatterien erreicht. Die zentrale Ladeeinheit ist typischerweise eine mit Katalysatoren besetzte Membran. Sie arbeitet ähnlich wie eine Wasserstoffbrennstoffzelle beziehungsweise ein Elektrolyseur. Die Tankgröße bestimmt den Energieinhalt der Batterie, die Lade- und Entladeeinheit ihre Leistung.

Bei der Redox-Flow-Technologie wird Energie in Vanadiumlösungen gespeichert. Die Vanadiumelektrolyte liegen in unterschiedlichen Oxidationsstufen vor, sodass sie an Membranen Elektronen aufnehmen oder abgeben können. Dieser Vorgang findet in Stacks statt, die aus einzelnen, in Reihe geschalteten Zellen bestehen. Hierüber wird auch die Leistung der Batterie beeinflusst: Je mehr Stacks, desto höher die Leistung. Die Kapazität hingegen ist abhängig vom Volumen der Vanadiumlösung, die in externen Tanks gespeichert ist. Folglich sind bei der Redox-Flow-Technologie Leistung und Kapazität der Speicher unabhängig voneinander skalierbar. Darüber hinaus sind Redox-Flow-Speicher sehr langlebig, da keine der Komponenten strukturelle Änderungen beim Laden oder Entladen erfährt und im Gegensatz zu anderen Systemen nur eine Flüssigkeit statt zwei zum Einsatz kommt. Somit bleibt eine gegenseitige Verunreinigung aus.

Bei Vanadiumbatterien kann auch der Elektrolyt vollständig durch einen externen Recyclingprozess wieder regeneriert und ohne Verluste an Vanadium neu verwendet werden.

http://www.gildemeister.com/energysolutions.de

Im Überblick

Cell Cube FB 10/20/30

Mit dem Cell Cube FB 10-100 können Kunden mit alternativen Energieträgern erzeugten Strom unabhängig und rund um die Uhr flexibel nutzen. Alle Speichersysteme von Gildemeister Energy Solutions sind schlüsselfertige Energie-Speicher-Systeme. Um auf Kunden- und Fallanforderungen eingehen zu können, werden in Leistung und Kapazität flexible Varianten bereitgestellt. Denn der Cell Cube lässt sich nach Bedarf kombinieren und zusammensetzen. So werden Leistungen von zehn Kilowatt bis zur Megawattklasse und Kapazitäten von 40 Kilowattstunden bis zu mehreren Megawattstunden angeboten. Die Eigenschaften:

  • zur Speicherung von Strom aus Solar-, Windkraft- oder Biogasanlagen,
  • als Backup-Stromanlage, damit sensible Systeme bei Stromausfall weiterlaufen können,
  • als Insellösung überall dort, wo es keine Stromnetze gibt,
  • zur zeitlichen Lastverschiebung im Netz (Spitzenlastausgleich),
  • als Solartankstelle für Elektrofahrzeuge,
  • im Netzparallelbetrieb bei instabilem Netz,
  • ganzheitliche Systemlösung inklusive speziell abgestimmter Wechselrichter,
  • Anschluss an unterschiedliche Energiequellen möglich,
  • schlüsselfertige Energiespeicher in wetterfestem und einbruchsicherem Gehäuse,
  • unbegrenzte Zyklen (Be-/Entladung) am Energiespeicher,
  • Cell Cube ist voll tiefentladefähig,
  • nominal 10/20/30 kW Leistung, bis zu 130 kWh Speicherkapazität,
  • zusätzlich Großspeicher mit 200 kW Leistung und bis zu 5 MWh Kapazität,
  • optimales Betriebsverhalten durch intelligentes Batteriemanagement,
  • spontane Reaktionen auf Lastanforderung,
  • höchster Wirkungsgrad in jeder Betriebsart.

http://de.cellcube.com

Themendossier

Mehr Praxis: Stromspeicher

Für unsere Abonnenten bieten wir im Internet unter dem Menüpunkt Dossiers und Themen die gesammelte Fülle unserer Fachartikel und Meldungen an. Dort finden Sie auch exklusive und kostenfreie Downloads unserer Partner. Die Zugangsdaten stehen auf dem Adressaufkleber auf Ihrem persönlichen Exemplar der photovoltaik.

Der Autor

Dr. Frank Beermann

ist Geschäftsführer von Gildemeister Energy Solutions in Bielefeld. Er zeichnet beispielsweise für das Geschäftsfeld der Großspeicher und Energielösungen verantwortlich. Gildemeister Energy Solutions ist eine Tochtergesellschaft der DMG Mori Seiki AG.

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