Autohäuser sterben, bundesweit. Derzeit gibt es rund 7.000 Händler, zum Beginn des Millenniums waren es noch 18.000. Nach Branchenexperten wird es 2020 nur noch 4.500 Verkaufsbetriebe geben. Schon jetzt kriechen die Autohändler auf dem Zahnfleisch, weil die Hersteller die Margen drücken. Wirklich verdienen kann man nur mit der Werkstatt, die den meisten Showrooms angeschlossen ist.
Auch damit ist in absehbarer Zeit Schluss. Denn das Elektroauto hat einen deutlich geringeren Bedarf für Wartung und Reparaturen. Im Vergleich zum Verbrenner kommt es mit einem Zehntel der bewegten Teile aus, zudem sind die Temperaturen im System viel geringer als bei Autos mit Verbrennungsmotoren.
Neues Leben in der alten Bude
Dass die erneuerbaren Energien – allen voran die Photovoltaik – dennoch einen wichtigen Beitrag zur Existenz dieser Betriebe leisten können, beweist Michael Rösing, Unternehmer aus Brühl. Er ist Chef der Firma Radius Einrichtungshaus GmbH, die Designerstücke für den Einrichtungshandel herstellt, zum Beispiel ansprechende Briefkästen oder pfiffige Garderoben. Die Lagerhalle umfasst 2.400 Quadratmeter. Rund 20 Mitarbeiter hat das Einrichtungshaus, das mittlerweile 18 Jahre alt ist.
Nun hat Rösing das benachbarte Autohaus übernommen, bevor es in die Insolvenz schlitterte. Denn Rösing ist Fan schöner und wertvoller Oldtimer. Neben dem Einrichtungshaus betreibt er jetzt die Radius Garage, mittlerweile eine bekannte Adresse in der Branche. Er hat 25 Jobs gerettet, inklusive Werkstatt. Um die Betriebskosten möglichst gering zu halten, baute Rösing das Autohaus zu einem Vorzeigeobjekt der Energiewende um.
Denn bei Radius hat er bereits umfangreiche Erfahrungen mit der Photovoltaik gesammelt. Schon 2008 ließ er 115 Kilowatt mit Dünnschichtmodulen (First Solar) auf das Tonnendach der Lagerhalle von Radius montieren. 2014 kam eine Erweiterung mit 28 Kilowatt aus kristallinen Modulen hinzu, um mehr Strom für den Eigenverbrauch zu ernten.
Damals hatte er sich noch gegen eine stationäre Batterie entschieden, weil in der Halle des Einrichtungshauses ohnehin fünf Gabelstapler kurven. Jeder von ihnen verfügt über eine Traktionsbatterie aus Blei-Säure-Akkus, die er mit Sonnenstrom beladen will. Weil in der Halle auch tagsüber viel Licht gebraucht wird, kann er den Sonnenstrom direkt abnehmen.
Ein kluges Gesamtkonzept
Nun ließ er von seinem Installationspartner, der Priogo AG aus Zülpich, rund 191 Kilowatt Solarmodule auf die Dächer des großzügigen Glasbaus montieren. Um den Sonnenstrom möglichst voll auszunutzen, wurden mitten in der Oldtimer-Werkstatt neun Tesla Powerwall 2 installiert, zusammen bieten sie 121 Kilowattstunden Speicherkapazität. Nach Rösings Angaben zählt eine Anlage dieses Umfangs zu den größten Tesla-Installationen ihrer Art. Vier Luft-Sole-Wärmepumpen auf dem Vordach beheizen das Gebäude, das auf diese Weise zu neuem Leben erwacht. „Diese Anlage haben wir 2017 gebaut“, erzählt Sebastian Pönsgen, Vorstand von Priogo. „Die Inbetriebnahme erfolgte im Dezember.“
Die Solarmodule liegen auf Ost-West-Dächern, sie wurden mit Dual-Optimierern von Solaredge verschaltet. Diese DC-Optimierer fassen immer zwei Solarmodule zusammen und steuern sie im Punkt der maximalen Leistung (MPP). Der Optimierer liefert am Ausgang konstant 31,5 Volt, damit werden die Wechselrichter von Solaredge bedient. „Wir haben die 600er-Leistungsoptimierer verwendet“, berichtet Pönsgen. „Wir haben immer ein Modul auf dem Ostdach mit einem Modul auf dem Westdach verbunden, um möglichst gute Erträge zu bekommen.“
Kühlung des Glaspalastes
Die Umsetzung auf Wechselstrom erfolgt in sechs großen Umrichtern von Solaredge, die jeweils 27,6 Kilowatt leisten. „Möglichst viel Sonnenstrom stecken wir in die sommerliche Kühlung des Glaspalastes“, erläutert der Priogo-Experte. „Das machen wir mit Wärmepumpen, mit denen wir auch heizen.“ Sie ersetzten den alten Gaskessel, auch der Heizkessel im Radius-Stammsitz nebenan wurde dadurch ersetzt. Beide Gebäude wurden elektrisch und heizungstechnisch verbunden.
Lediglich ein Spitzenlastkessel von 120 Kilowatt (thermisch) wird vorgehalten, falls die Wärmepumpen an besonders harten Wintertagen nicht ausreichen. Vier Wärmepumpen mit je 15 Kilowatt laufen in der Kaskade. Auch das war Neuland, denn bisher wurden nur wenige Anlagen mit einer solchen Vierer-Kaskade gebaut.
24 Ladepunkte für E-Autos geplant
Demnächst soll die Zufahrt zur Bundesstraße mit 24 Ladepunkten für Elektroautos ausgestattet werden. Ein Zuschuss von 46.000 Euro wurde von den regionalen Behörden bereits bewilligt. In Nordrhein-Westfalen gibt es verschiedene Töpfe, aus denen Ladeinfrastruktur unterstützt werden kann.
Die Solarmodule stammen von Axitec, jedes leistet 275 Watt. Insgesamt 1.400 von 25.000 Quadratmetern Dachfläche wurden belegt, um 190 Kilowatt Gesamtleistung auf die Dächer zu bringen. Die errechnete Einsparung von Netzstrom und Gas für die Heizung liegt bei rund 25.000 Euro.
Der Knackpunkt der Anlage aber sind die neun Powerwalls, die hier erstmals in einem System laufen. „Ihre Regelung war sehr anspruchsvoll, aber die Kinderkrankheiten haben wir zwischenzeitlich gelöst“, gibt Sebastian Pönsgen beim Besuch vor Ort zu. „Jetzt läuft die Speicheranlage ohne Probleme.“
191 Kilowatt auf dem Dach, aber nur 70 Kilowatt Anschlussleistung am Stromnetz – allein die dafür erforderlichen Abstimmungen mit dem Netzbetreiber dauerten Monate.
Gateway als Stromteiler
Um die Powerwalls von Tesla anschließen zu können, fanden die Planer von Priogo einen cleveren Kniff: Je drei Powerwalls werden über ein Gateway von Tesla gesteuert. Die Gateways wirken wie Stromteiler, deshalb konnten drei Gateways mit jeweils drei Stromspeichern angeschlossen werden, ohne die Leitungen zu überlasten. „Das hat sofort funktioniert“, bekennt Pönsgen. „Wir können jetzt sogar zehn Gateways verschalten, um 30 oder gar 90 Powerwalls zu kaskadieren.“
In Nordrhein-Westfalen werden die Batteriespeicher im Gewerbe gefördert. Michael Rösing bekam 4.000 Euro für jede Powerwall, macht in der Summe 36.000 Euro. Der Gesamtinvest für Solaranlage, Wärmepumpen, Stromspeicher, Gas-Spitzenlastkessel sowie die elektrischen und hydraulischen Umbauten belief sich auf rund 320.000 Euro. Gegengerechnet mit der Einsparung und der Förderung, dürfte sich die Sache in zehn bis zwölf Jahren amortisieren.
Ein Jahr lang brauchten die Planer im Vorlauf, um das System durchzurechnen und die Komponenten zu planen. „Nun wollen die Nachbarn auch so etwas haben“, erzählt Sebastian Pönsgen schmunzelnd. „Wir sind endlich in der Energiewende fürs Gewerbe angekommen.“ Die Radius Garage und der Stammsitz des Unternehmens erreichen mit der neuen Haustechnik eine Autarkie von 80 bis 90 Prozent.
Neues Leben im alten Autohaus
Demnächst soll ein großzügiger Gastronomiebereich für die Oldtimer-Fans hinzukommen, ebenso Carports auf dem Hof – freilich mit solarer Überdachung. Mit den geplanten Ladesäulen wird dann neues Leben in das alte Autohaus kommen. Sogar solare Fassaden an der Front zur Bundesstraße sind im Gespräch.
Priogo hat bislang sehr gute Erfahrungen mit den Powerwalls 2 von Tesla gemacht. Anders als bei der ersten Powerwall – einer DC-Hochvoltbatterie – handelt es sich bei der zweiten Generation um anschlussfertige Kompaktspeicher mit integriertem Wechselrichter. „2017 haben wir 40 Powerwall 2 verbaut, in diesem Jahr könnten es 60 werden“, gibt Pönsgen einen Ausblick. „Gegenüber früher hat sich die Lieferfähigkeit von Tesla verbessert.“
Jetzt kommen gute Zeiten
Für ihn ist dieser Speicher vor allem preislich nicht zu schlagen. „Wir kaufen die Systeme, die 13,5 Kilowattstunden Speicherkapazität haben, für 5.000 Euro ein“, rechnet er vor. „Preislich gibt es zu Tesla derzeit keine Alternative. Die anderen Anbieter sind 30 bis 40 Prozent teurer. Aber Tesla kann keinen Notstrom.“
Priogo baut mittlerweile zehn Kilowatt plus Powerwall 2 schlüsselfertig für seine Kunden für insgesamt 20.000 Euro netto. Insgesamt hat der Installationsbetrieb aus Zülpich drei Speicheranbieter als Lieferanten: Tesla wegen des Preises, E3/DC (Hauskraftwerk S10) wegen des Notstroms und Senec wegen der „Cloud to Go“, mit der die Speicherkunden ihr Elektroauto mit dem eigenen Sonnenstrom europaweit betanken können. „Manchmal, wenn es der Kunde wünscht, bauen wir auch die My Reserve Matrix von Solarwatt ein, auch dafür sind wir zertifiziert.“
Für Priogo ist die Krise vorbei. „Wir bauen keine reine Photovoltaik mehr, wir sind längst in der Sektorkopplung angekommen“, bestätigt Pönsgen, für den Wärme, Kälte, Kühlung und Mobilität längst zum Alltag gehören. 30 Mitarbeiter hat der Betrieb, hinzu kommen etwa gleich viele Subunternehmer für die Montage. „Entscheidend ist, die Kunden bei ihren Bedürfnissen abzuholen“, meint David Muggli.
Kunden gewinnen mit Sektorkopplung
Er ist Gründer und Vorstand von Priogo. „Mittlerweile rechnen wir unseren Kunden immer auch vor, was sie durch den Umstieg auf Wärmepumpen und Elektroautos gewinnen können.“
Priogo ist als erster Handwerksbetrieb bundesweit auch in den Vertrieb von Elektroautos eingestiegen. Die Solarkunden können den neuen E-Go aus Aachen bestellen, der Vertrag wird direkt mit dem Autohersteller geschlossen. E-Go wurde von Günther Schuh gegründet, Produktionstechniker an der Technischen Hochschule in Aachen.
Verkauf von E-Autos gestartet
Für die Deutsche Post entwickelte er den vollelektrischen Street Scooter. Nun baut er in Aachen eine Fabrik für elektrische Pkw mit bis zu 170 Kilometer Reichweite, ab August soll die Auslieferung beginnen.
Zielgruppen sind die vielen Pendler, von denen es allein in Nordrhein-Westfalen Hunderttausende gibt. Auch Pflegedienste, Lieferservices oder andere Unternehmen mit gewerblichen Flotten werden damit versorgt.
Damit kann sich Priogo ein ganz neues Standbein schaffen, knapp 100 E-Go wurden bereits verkauft. Eine eigene Werkstatt will Muggli aber nicht eröffnen. „Das machen wir mit regionalen Autohändlern, die die Zeichen der Zeit verstanden haben. Beim E-Go wird der Service von Bosch übernommen, das ist sehr kundenfreundlich geregelt.“
Für jeden verkauften Wagen bekommt Priogo eine Provision, das Risiko in diesem Geschäft ist gering. Aber: „Der Verkauf von Autos ist pure Emotion“, sagt der Vertriebsexperte. „Das läuft ganz anders als in der Photovoltaik.“
Der Grund: Elektroautos fallen auf, während Solargeneratoren auf Dächern und die stationären Stromspeicher meistens in den Kellern versteckt sind.
Gewerbedächer für Investoren
2017 ist Priogo zudem ins Geschäft mit Investorenanlagen eingestiegen. Das Modell stammt von der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS): Potente Käufer, die Steuern sparen wollen, geben zwischen 60.000 und 300.000 Euro als Einlage.
Mit diesem Geld baut Priogo dann Solaranlagen mit durchschnittlich 100 bis 300 Kilowatt Leistung. „Damit erschließen wir große Gewerbedächer“, erläutert Muggli. „Den Strom liefern wir an den Gewerbebetrieb. Die Investition läuft über 20 Jahre, plus zweimal fünf Jahre.“
Der Investor kauft die komplette Anlage, die ihm gehört. Die Gewerbebetriebe können die Solargeneratoren mieten oder pachten, brauchen also kein eigenes Geld in die Anlagen zu stecken. „2017 haben wir zehn solcher Investorenanlagen gebaut“, resümiert Muggli. „In diesem Jahr werden es 30 sein, davon ist die Hälfte schon verkauft. Die weiterhin sinkenden Modulpreise spielen uns in die Hände.“
Für ihn geht es weiter bergauf: „Das wichtigste Segment für uns sind aber die klassischen Eigenverbrauchsanlagen, bei denen der Unternehmer auch Betreiber der Solaranlagen ist“, erzählt er. „Wir bekommen jetzt viel mehr Anfragen nach größeren Anlagen. Damit kommen auch die Gewerbespeicher, die Förderung in Nordrhein-Westfalen zahlt sich aus.“
Für Ladesäulen hat NRW gleichfalls ein lukratives Förderprogramm aufgelegt: Die Kommunen zwischen Rhein, Ruhr und Westfalen bekommen bis zu 60 Prozent der Investition in öffentliche Ladeinfrastruktur bezuschusst.
Interne Ladesäulen in den Unternehmen werden gar mit 80 Prozent unterstützt, ebenso die erforderlichen Dienstleistungen zur Beratung und Planung.
Eigenverbrauch treibt den Markt
Aus der Elektromobilität erwartet Muggli übrigens auch einen Schub für stationäre Gewerbespeicher. Denn sie entlasten das Netz, indem sie ausreichend Ladeleistung vorhalten.
Das ist allemal billiger und funktioniert schneller, als die Stromnetze mit zusätzlichen Kupferkabeln auszubauen.
Tipp für Experten
FI-Schutz für Ladesäulen
Beim Anschluss von Ladesäulen für Elektroautos zögern viele Elektrobetriebe. Sie fühlen sich mit der neuen Technik überfordert. Um die Säulen korrekt abzusichern, brauchen sie einen speziellen Schutzschalter (FI Typ A), der bei einem DC-Fehler wirksam wird. Ohne einen solchen Schutz würde der DC-Fehler alle anderen FI-Schalter blind machen. Allerdings sind die Typ-A-Schalter noch relativ teuer: Ein dreipoliger Schalter kostet derzeit 500 Euro. Die gängigen Schutzschalter (EV-Typ) sind schon für 250 Euro zu haben.