Seit Spätsommer 2014 betreibt das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) einen ungewöhnlichen Solarpark. Er leistet ein Megawatt, ist aber in 100 Systeme aufgeteilt, quasi kleinteilig parzelliert.
Die Zehn-Kilowatt-Generatoren sind unterschiedlich aufgeständert, ausgerichtet, nutzen unterschiedliche Solarmodule und Speichersysteme. Das Ziel: Die Forscher wollen den optimalen Mix aus Photovoltaik und Batteriespeicher finden und die Ladeelektronik verbessern.
Das Thema ist alles andere als trivial, denn Lithiumbatterien sind keine simple Technik. Sie brauchen ausgefeiltes Batteriemanagement; Laden und Entladung müssen genau aufeinander abgestimmt sein. Diese komplizierte Technologie mit der fluktuierenden Sonnenenergie zu verbinden erhöht die Komplexität. „Wir werden bald Prototypen für Solarspeicher im Privatbereich haben, die sicher sind – und preislich so attraktiv, dass sich der Markt dafür öffnet“, sagt Olaf Wollersheim, einer der Projektleiter am KIT.
Zudem soll die neue Speichergeneration die Netzdienlichkeit erneuerbarer Energien deutlich verbessern, also die Stromnetze stützen. Das Potenzial für solche Systeme sei da, wie Wollersheim meint, „und es wird noch wachsen“.
Für den Projektleiter und seinen Kollegen Andreas Gutsch ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Energiewende auch in Deutschland wieder Fahrt aufnimmt. „Die Frage, mit welchen Technologien die Energiewende gelingen kann, wollen wir beantworten“, ergänzt Wollersheim. „Deshalb forschen wir intensiv und interdisziplinär, entwickeln die geeigneten Technologien selbst mit.“
Mehr als 100 Konfigurationen
Das neue Solarfeld entstand auf einem Gelände, das früher zu Euratom gehörte. Nun werden dort marktreife Systeme aus Photovoltaik, Solarakkus und zusätzlichen Generatoren entwickelt. Dazu arbeiten am KIT etwa 100 Forscher und Entwickler aus den Bereichen Chemie, Materialforschung, Produktions- und Verfahrenstechnik, Elektrotechnik, Produktentwicklung, Fahrzeugsysteme, Informatik und Technikfolgenabschätzung zusammen.
Als Industriepartner für das Testfeld wurden Solarwatt aus Dresden und Kostal Solar Electric gewonnen. Solarwatt hat die Module für den Solarpark geliefert, Kostal die Piko-Wechselrichter, die dort im Einsatz sind. Die fest installierten Solarpaneele unterscheiden sich zum Beispiel in ihren Komponenten und in der Neigung, aber auch in ihrer Ost-West-Ausrichtung, die in Summe etwa dem Lauf der Sonne entspricht. Damit wollen die Forscher unter anderem einen möglichst ausgeglichenen Lastgang über den Tag hinweg erreichen. Dadurch vermeiden sie, dass die Solargeneratoren um die Mittagszeit sehr viel Strom liefern (Mittagsspitze), am Vormittag oder Nachmittag hingegen zu wenig.
Ein ähnlicher Effekt ließe sich auch mit Systemen erreichen, die sich nach der Sonne ausrichten, also auf Tracker (Nachführsysteme) montiert wurden. Ihr Ertragsprofil ist wesentlich ausgeglichener als bei starr installierten Modulen. Zudem erzeugen sie deutlich mehr Solarstrom pro Quadratmeter Modulfläche. Aber die Investitionskosten sind höher als bei starren Anlagen, auch die Wartungskosten sind deutlich höher.
Ohne Nachführung
Inzwischen sind Photovoltaikmodule so günstig, dass der Mehrertrag den Aufwand für Nachführung zumindest für ein Projekt wie in Karlsruhe nicht rechtfertigt. „Wir haben hier in Karlsruhe kein Platzproblem und müssen auch nicht eine bestimmte Menge an Solarstrom generieren, wie etwa ein produzierendes Unternehmen, das eine möglichst hohe Eigenbedarfsdeckung auf begrenzter Fläche erreichen will“, begründet Wollersheim. „Also haben wir lieber mehr Modulfläche geschaffen.“
Der Solarspeicherpark ist so aufgebaut, dass man damit das Zusammenspiel der neuesten Generationen von Solarmodulen, Stromrichtern und Lithium-Ionen-Batterien untersuchen kann. „Der flächendeckende Ausgleich von Stromerzeugung und Bedarf ist ein wichtiger Baustein für die Energiewende“, analysiert Wollersheim. „Deshalb brauchen wir die unterschiedliche Ausrichtung der Module, und deshalb vor allem die Zwischenspeicherung des Sonnenstroms in Batterien.“ Die Wissenschaftler wollen:
- Prototypen für sichere und wirtschaftliche Solarspeichersysteme entwickeln, die für private wie gewerbliche Verbraucher attraktiv sind.
- Systeme und Steuerungskomponenten entwickeln, auf deren Basis der gespeicherte Strom deutlich günstiger bereitgestellt werden kann als von den Energieversorgern. Als Richtwert nennt Olaf Wollersheim rund 28 Cent pro Kilowattstunde für Privatkunden, für gewerbliche Nutzer 20 Cent oder weniger.
- Systeme bereitstellen, die eine höchstmögliche Verträglichkeit von eingespeister Energie aus erneuerbaren Quellen mit dem Netz garantieren.
Kurz: Es geht darum, „zukunftsweisende Lösungen und Systemkonfigurationen zu entwickeln, die auf einem globalen Markt bestehen können“, wie es Holger Hanselka formuliert, Präsident des KIT und Boss von Olaf Wollersheim.
Den Sonnenstrom erzeugen die Forscher in Karlsruhe für 6,9 Cent pro Kilowattstunde – alle Investitionen eingerechnet. Auch das Ziel, die gespeicherte Energie zu einem deutlich günstigeren Preis bereitzustellen – im Vergleich zum Strompreis der Netzversorger – sei längst erreicht, wie Olaf Wollersheim bestätigt. „Allerdings variieren hier die Kosten je nach Systemkonfiguration stark.“
Noch sind Speicher teuer
Noch sind die Speichersysteme deutlich zu teuer, um für einen Massenmarkt attraktiv zu sein. Derzeit liegen wir bei rund 750 Euro pro Kilowattstunde Speicherkapazität. Durch die intelligente Integration entlang der Wertschöpfungskette wollen die Karlsruher bis 2018 serienfähige Batteriesysteme entwickeln, die eine Energiedichte von 250 Wattstunden pro Kilogramm bieten und höchstens 250 Euro pro Kilowattstunde kosten. Dann lohnt sich die Installation für Gewerbebetriebe, Lebensmittelmärkte oder Handwerksbetriebe, die erhebliche Stromlasten haben.
Damit wäre ein wichtiger Schritt in Richtung Energiewende getan. „Wenn sich Speichersysteme großflächig durchsetzen, können sie die Fluktuation von erneuerbaren Energien ausgleichen und die Netze effektiv entlasten“, erläutert der Experte. Das wird sich auf den Umbau der Stromnetze und deren Kosten auswirken. Denn die Wirtschaftlichkeit der Energiebereitstellung hängt stark von den Netzen ab.
Das Netz treibt die Strompreise
Vereinfacht ausgedrückt: Die Versorgung in Deutschland ist sehr stabil. Der gute Netzausbau aber macht Strom vor allem für Privatkunden teuer. In vielen Ländern hingegen ist Strom zwar vergleichsweise billig – aber nicht immer verfügbar.
Das ist vor allem für Industriekunden problematisch und der Wirtschaftsleistung abträglich. „Ziel muss es sein, dass erneuerbare Energien die Kosten für die Netze nicht weiter nach oben treiben, sondern im Gegenteil: dass sie helfen, diese Kosten zu senken.“ Dies sei ein durchaus realistisches Ziel, bei dem die Speichersysteme eine wesentliche Rolle spielen.
Die Energie vor Ort nutzen
Darüber hinaus ist es mit ausgereiften Speichersystemen möglich, die Industrie in Ländern mit problematischer Versorgungslage weitgehend mit vor Ort produziertem Strom aus erneuerbaren Quellen zu versorgen. „Für netzferne energieintensive Betriebe wie Minen ist eine Eigenversorgungsquote von bis zu 80 Prozent mit selbst erzeugtem Solarstrom möglich“, rechnet Wollersheim vor. „Bei hoher Sonneneinstrahlung eventuell sogar mehr.“
Verschiedene Batterien im Test
Auch für die Alltagstauglichkeit von E-Mobilen ist die Effizienz von Speichersystemen von wesentlicher Bedeutung. Effizientere Batteriesysteme können die Reichweite von Elektrofahrzeugen signifikant erhöhen. Was wiederum E-Mobilen auf breiter Front zum Durchbruch verhelfen dürfte.
Für seine Speichersysteme testet das Karlsruher Team unterschiedliche Lithiumtechnologien wie Lithium-Nickel-Mangan-Cobalt-Oxid oder Lithium-Eisenphosphat. Im Labor werden Zukunftstechnologien wie Silizium-Anoden oder Lithium-Schwefel-Batterien erforscht. Nicht im Test befinden sich Systeme mit Lithium-Titanat-Zellen, obwohl der Hersteller Leclanché in Willstätt nur eine Autostunde entfernt ein Werk betreibt. „Wir schätzen diese Technologie außerordentlich“, sagt der KIT-Experte. „Sie ist sehr sicher und bietet enorm hohe Zyklenzahlen. Leider ist sie relativ teuer.“
Zu hohe Zyklenzahl
Außerdem sei die hohe Zahl an Be- und Entladezyklen – Leclanché spricht von 15.000 – für Privatanwender nicht erforderlich. „Im Privathaushalt gehen wir von 200 bis 250 Zyklen im Jahr aus, das sind in 20 Jahren maximal 5.000 Zyklen“, überschlägt Wollersheim. „Nach unseren Vorgaben müssen die Speicher 6.000 bis 7.000 Zyklen unbeschadet überstehen. Das ist mehr als ausreichend.“
Für die Forschungen wurde im Testfeld ein umfassendes Szenario für die Erfassung und Analyse der Leistungsdaten implementiert. Die wissenschaftliche Auswertung soll zeigen, welche Systemkonfiguration netzschonend und kostengünstig ist.
Die Steuerung entscheidet
Dabei spielt die richtige Systemsteuerung eine wichtige Rolle für die Wirtschaftlichkeit und die Lebensdauer der Batterien. „Wenn zum Beispiel der Akku um elf Uhr vormittags schon voll ist, geht die Mittagsspitze ins Netz“, nennt Olaf Wollersheim einen möglichen Fall. „Die Batterie bleibt stundenlang vollgeladen und ungenutzt. Das ist weder gut für die Batterie noch fürs Netz. Um das zu vermeiden, muss man den Ladevorgang abhängig von Einstrahlung und Verbrauch intelligent steuern.“
Schließlich haben die Wissenschaftler einen hohen Anspruch. Sie wollen einen Beitrag zu einer wissenschaftlich fundierten Strategie leisten, um Deutschland bis 2030 zu mindestens 50 Prozent mit Strom aus erneuerbaren Quellen zu versorgen. Ein zentrales Thema ist die Sicherheit von Speichersystemen. Unter anderem arbeiten die Wissenschaftler eng mit Branchenverbänden wie ZVEI, BSW-Solar und dem Bundesverband Energiespeicher BVES zusammen. Erste Produkte aus ihren Forschungen will der Projektleiter auf der Intersolar 2015 präsentieren. Er geht davon aus, dass die Prototypen spätestens in anderthalb Jahren serienreif sind.
Neben den wissenschaftlichen Erkenntnissen hat der neue Solarstrom-Speicher-Park in Karlsruhe auch einen wirtschaftlichen Nutzen. Der erzeugte Strom wird auf dem Campus Nord des KIT für den Betrieb großer Forschungsgeräte eingesetzt.
Aussagekräftige Zahlen
Zwar lassen sich damit nur etwa zwei Prozent des jährlichen Strombedarfs des Instituts decken. Dennoch summiert sich die jährliche Kostenersparnis auf rund 150.000 Euro – bei einer Anlagenlebensdauer von 20 Jahren. Das Investment für die Anlage beläuft sich auf rund 1,5 Millionen Euro.
Zahlen, die für sich sprechen. Und deren Konsequenzen den großen Energieversorgern naturgemäß nicht schmecken.
Dennoch zeigt sich der pragmatische Wissenschaftler überzeugt, dass Strom in Zukunft in hohem Maße dezentral erzeugt wird. „Energie aus erneuerbaren Quellen lässt sich längst zu ausgesprochen attraktiven Konditionen gewinnen“, ist sich Wollersheim sicher. „Binnen weniger Jahre werden die Speicher sicher, günstig und leistungsfähig genug sein, um sich auf dem Markt durchzusetzen.“
Nicht mehr aufzuhalten
Wenn erst einmal eine gewisse Zahl von Privatverbrauchern, Hausbesitzern und Gewerbetreibenden ihren eigenen Strom produziere und weitgehend selbst verbrauche, werde sich die Entwicklung nicht zurückdrehen lassen. Der Forscher meint: „Ich sehe nicht, dass in einem zivilisierten und demokratischen Land wie Deutschland die dezentrale Stromversorgung aufzuhalten ist.“ Die richtige Speichertechnologie ist dazu der Schlüssel.
KIT
Forschung für neue Märkte
Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) versteht sich als Forschungseinrichtung, die technologische Entwicklungen mit Blick auf deren Marktfähigkeit vorantreibt und der Wirtschaft qualifiziert zuarbeitet. Für viele seiner Entwicklungen vergibt das KIT Lizenzen. Sie sollen Industrieunternehmen in die Lage versetzen, mit überschaubarem Forschungsaufwand in die Serienproduktion zu gehen.
KIT/Mannheim
Stadtbus mit Elektromotor und Batterie
Derzeit entwickeln Wissenschaftler am KIT einen Stadtbus mit Elektroantrieb. In spätestens zwei Jahren soll das Projekt marktreif sein. Unter anderem beteiligt sich der Lehrstuhl für Bahnsystemtechnik am Projekt „Primove Mannheim“, bei dem es unter anderem um den Einsatz von induktiv ladenden E-Bussen im urbanen Verkehr geht. Im Rahmen des Projekts setzen die Rhein-Neckar-Verkehrsbetriebe seit vergangenem Jahr auf der Mannheimer Buslinie 63 zwei rein elektrisch betriebene Busse ein, die an ausgewählten Haltestellen induktiv Energie nachtanken.