In den Fabriketagen direkt gegenüber eines Friedhofs in Berlin-Kreuzberg steht eine Sicherheitsschulung auf dem Programm. Die Arbeitssicherheit auf einer Offshore-Plattform auf hoher See ist allerdings Neuland für die Mitarbeiter der Firma Sonnen, die vor wenigen Wochen vom Ölkonzern Shell übernommen wurde. Für dessen Mitarbeiter ist sie obligatorisch. In den Schulungsräumen in der Zossener Straße werden sonst regelmäßig Installateure für das Speichersystem geschult. Seit drei Jahren ist der aktuelle Heimspeicher Eco 8.0 auf dem Markt, in diesem Jahr soll es aber eine neue Sonnenbatterie geben. Details will der Hersteller erst auf der Branchenmesse in München vorstellen.
Das neue Geld von Shell soll helfen, eine stärker automatisierte Produktion aufzubauen. Der Heimspeichermarkt stehe vor dem Wendepunkt hin zum Massenmarkt, sagt Christoph Ostermann, Geschäftsführer und Gründer der Firma Sonnen. „Wir müssen unsere Produktion massiv hochfahren, allein schon um entsprechend mitzuwachsen. Als süddeutscher Mittelständler allein bekommen wir das nicht hin“, weiß Ostermann.
Siemens’ eigener Heimspeicher
Auch der Technikkonzern Siemens stellt nun ein eigenes Heimspeichersystem Junelight Smart Battery vor. Der Lithiumspeicher ist bereits seit April dieses Jahres erhältlich. Es handelt sich dabei eigentlich um den zweiten Einstieg in den Speichermarkt. Die Konzernausgründung Caterva meldete vor über einem Jahr Insolvenz an. Nun kommt der zweite Versuch, sagen die einen. Es sei aber erste Anlauf des Siemens-Konzerns, sagt Marlon Hassel, der globale Vertriebschef für den neuen Hausspeicher.
Die Batteriezellen kauft Siemens wie auch andere Hersteller in Asien ein. Der Lithiumspeicher verfügt über ein intelligentes Energiemanagement. Abhängig von der wetterbedingten Ertragsprognose der Photovoltaikanlage sowie vom individuellen Verbrauchsprofil des Haushalts steuert und plant der Heimspeicher die Be- und Entladevorgänge. Die Speicherkapazität kann ab 3,3 Kilowattstunden (netto) stufenweise bis zu 19,8 Kilowattstunden skaliert werden. Bis zu sechs Batterieeinheiten mit je 3,3 Kilowattstunden können auch nachgerüstet werden, wenn neue Verbraucher wie Wärmepumpen oder ein Elektroauto hinzukommen.
Trends auf der Fachmesse EES
Skalierbare Systeme sind ein gut zu beobachtender Trend in der Branche. Ein weiterer ist die steigende Zyklenzahl der angebotenen Strompuffer, wie es das angekündigte Angebot der Aussteller auf der EES verspricht. Schon werden von einigen Herstellern derzeit bis zu 20.000 Ladezyklen versprochen. Kalendarische Lebensdauern sollen bis zu 20 Jahre erreichen, bei nur geringer Abnahme der Kapazität. Ob diese Versprechen gehalten werden, kann nur die Zeit eindeutig zeigen. Zudem werden immer mehr Speichersysteme eingesetzt, um die Netzqualität bei Wind- und Solarparks zu verbessern und um stabile Inselnetze aufzubauen. Für die Käufer gibt es ebenfalls gute Nachrichten: Die Systeme werden immer günstiger.
Ende 2018 waren deutschlandweit rund 125.000 Speicher installiert. Das ist ein Plus von 40.000 in einem Jahr und rund 30 Prozent mehr als 2017. Jede zweite neue Photovoltaikanlage wird bereits plus Strompuffer installiert. Die Kosten für Heimspeicher sind im vergangenen Jahr im Schnitt um zehn Prozent gesunken. Das hat das Solar Cluster Baden-Württemberg ermittelt. Besitzer müssen demnach nur noch 1.200 Euro pro Kilowattstunde zahlen. Inzwischen gibt es bereits Systeme, die inklusive Leistungselektronik und Mehrwertsteuer 800 Euro pro Kilowattstunde Speicherinhalt kosten. Das ist das Ergebnis des Mitte März 2019 letztmals veröffentlichten Speichermonitorings der Forscher von der RWTH aus Aachen, der die Marktsituation sicher einige Monate zeitversetzt erfasst.
Trend: Solarstrom plus Batterie
„Unterhalb einer Grenze von 800 Euro pro Kilowattstunde sind die Powerpakete wirtschaftlich – wenn eine Lebensdauer der Speicher von 20 Jahren angenommen wird“, Franz Pöter vom Solar Cluster. Halten die Geräte, wie garantiert, nur zehn Jahre, sieht es anders aus. Interessant seien aber zusätzliche Erlöse aus dem Speicherbetrieb, um das Stromnetz zu stabilisieren.
Wie wirtschaftlich ein Speicher ist, hängt entscheidend davon ab, wie oft der Eigentümer die Speicherkapazität nutzt. „Gut ausgelegte Systeme kommen auf 200 bis 250 vollständige Be- und Entladungen im Jahr“, weiß Pöter. „Der selbst genutzte Solarstrom ergibt sich aus dem Speicherinhalt in Kilowattstunden multipliziert mit den Ladezyklen und der Lebensdauer in Jahren.“
Der Chef des Solar Clusters rechnet ein konkretes Beispiel durch: Ersetzt der Solarstrom aus dem Speicher, der für rund elf Cent pro Kilowattstunde vergütet worden wäre, den Bezug von Netzstrom zu 25 Cent pro Kilowattstunde (netto), so ergibt sich eine Ersparnis von etwa 14 Cent je Kilowattstunde (netto). Bei einer Lebensdauer von zehn Jahren und 250 Zyklen im Jahr würden pro Kilowattstunde Energieinhalt 2.500-mal 14 Cent pro Kilowattstunde und damit 350 Euro Stromkosten gespart.
Der durchschnittliche Speicher
Zieht man die Verluste im Speicher ab, so reduziert sich der Wert um 10 bis 25 Prozent. Rechnet man eine moderate Strompreissteigerung von zwei Prozent pro Jahr mit ein, kommt man auf rund 400 Euro. Hält der Speicher 20 Jahre, erhöht sich die Wirtschaftlichkeitsgrenze auf rund 800 Euro pro Kilowattstunde Energieinhalt. So ergibt sich die identifizierte Grenze.
Wie sieht ein durchschnittlicher Stromspeicher aus? Im Schnitt legen sich die Käufer ein Batteriesystem mit einer nutzbaren Kapazität von acht Kilowattstunden zu und geben dafür rund 10.000 Euro aus.
Insgesamt sind Solarspeicher mit einer kumulierten Kapazität von über 900 Megawattstunden hierzulande installiert. Neben der Kostenersparnis gibt es zusätzlich einen Nutzen für die Speicherkäufer, der sich nicht allein monetär bemessen lässt. Wer berechnet schon die Rendite von seinem Auto oder Smartphone, bevor er es kauft?
Die Gründe der Solaranlagenbesitzer, sich für einen Strompuffer zu entscheiden, sind vielfältig: Die Absicherung gegen steigende Strompreise ist das häufigste Argument, zudem wollen sie einen Beitrag zur Energiewende leisten und sie sind an der Technik interessiert. Die bisherigen Käufer zahlen den Preis für einen Stromspeicher. Lagen die Preise 2013 im Durchschnitt noch bei über 2.500 Euro pro Kilowattstunde, ist es jetzt nur noch rund die Hälfte.
Doch der Preisunterschied der einzelnen Speichersysteme ist laut dem Monitoringbericht enorm: 75 Prozent der Anlagen kosten zwischen 1.800 und 800 Euro pro Kilowattstunde Speicherinhalt. Damit ein Massenmarkt erschlossen werden kann, müssen die Preise aber noch weiter absinken. Eine zusätzliche Nachfrage wird es geben, wenn ab 2025 viele Solaranlagen aus der EEG-Vergütung fallen. Spätestens dann werden auch größere Speicher immer gefragter sein.
Fenecon bringt neuen Gewerbespeicher
Stromspeicher sind außerdem eine wichtige Komponente für die Elektromobilität: Nur so kann eine flächendeckende Ladeinfrastruktur aufgebaut werden. Der Systemanbieter Fenecon bringt mit dem Commercial 30-30 einen neuen Gewerbespeicher auf den Markt. Er soll besonders für Kunden aus der Landwirtschaft, Hotels sowie Kleingewerbe oder anspruchsvolle Privatkunden geeignet sein, die bereits ein oder mehrere Elektrofahrzeuge besitzen. Der notstromfähige Strompuffer leistet 30 Kilowatt mit einer Kapazität von ebenfalls 30 Kilowattstunden. Die Nullserie soll ab September in Großserie ausgeliefert werden.
Immer mehr Stadtwerke, Stromlieferanten und Speicherhersteller bieten Photovoltaik-Speichersysteme im Zusammenhang mit Stromlieferverträgen an. In dem Fall wird der Speicher für weitere Netzdienstleistungen wie die Erbringung von Primärregelleistung genutzt, was die Zahl der Zyklen pro Jahr für den Speicher erhöht. Die zusätzlichen Zyklen wirken sich auf die Alterung des stationären Speichers immer weniger aus, entscheidend ist dann nur noch die kalendarische Alterung.
Die sinkenden Preise haben nun dazu geführt, dass es die bundesweit gültige KfW-Förderung für Solarstromspeicher nicht mehr gibt. Die Länder Baden-Württemberg, Thüringen und Sachsen vergeben jedoch weiter Staatsmittel. BaWü fördert Batteriesysteme mit einem Zuschuss von bis zu 30 Prozent der Nettoinvestitionen. Das Programm von der Landesbank endet am 31. Dezember 2019.
Wissen an Solarteure vermitteln
Für Solarteure wird es künftig immer wichtiger sein, kompetent Auskunft zu geben über Effizienz, Lebensdauer und Preis der Systeme sowie über die Dimensionierung des Speichersystems. Auch deshalb hat der Hersteller BMZ aus Karlstein am Main bereits vergangenen Sommer einen Solarteursclub gegründet, um für einen Know-how-Transfer zu sorgen. BMZ profitiert dabei von der Lernkurve, die das Unternehmen mit E-Bikes gemacht hat. Vor rund sieben Jahren gründete BMZ einen Club für Fahrradhändler – 3.000 Händler machen bisher mit. Das könnte eine Blaupause sein.
„Den Handwerkern fehlt verständlicherweise das Wissen für dieses neue und komplexe Segment der Lithiumspeicher“, weiß BMZ-Gründer Sven Bauer aus vielen Gesprächen. „Da müssen wir als Hersteller ran.“
Voltstorage
Vertriebsnetz für Redox-Flow-Systeme in Süddeutschland
Der Stromspeicher des Münchner Start-ups Voltstorage basiert auf der Vanadium-Redox-Flow-Technologie. Damit bietet das Unternehmen privaten Haushalten eine Alternative zu herkömmlichen Lithiumsystemen. Das Vertriebspartnernetzwerk soll zunächst in Süddeutschland ausgebaut werden. Die Ausweitung ins gesamte Bundesgebiet ist für das nächste Jahr anvisiert. Ende des dritten Quartals 2019 werden rund 100 Stromspeicher installiert sein, teilt Voltstorage mit.
„Mit der Partnereinbindung etablieren wir seit Anfang März kontinuierlich den zweistufigen Vertriebsweg. Bis dato umfasst unser Netzwerk rund 30 Elektro- und Solarbetriebe in Bayern, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz“, sagt Jakob Bitner, Geschäftsführer und Mitgründer der Firma. Der Großteil von ihnen habe bereits eine Referenzanlage in Betrieb oder werde sie bis Jahresmitte in Betrieb nehmen.
Kurz nachgefragt
„Software und Hardware so offen wie möglich halten“
Wie will Varta seinen Marktanteil künftig bei den Heimspeichern erhöhen?
Gordon Clements: In ganz Europa haben wir gut 4.500 Installateure geschult. Sie sind das wichtigste Element unserer Wertschöpfungskette. Jetzt geht es daran, die Früchte zu ernten und unsere Verkaufszahlen weiter zu steigern.
Welche Märkte stehen besonders im Fokus?
Wir konzentrieren uns auf die Märkte in Italien, Großbritannien und Australien. In Italien wachsen wir stetig und sind gut aufgestellt. Wir streben in diesem Jahr mindestens einen Marktanteil von 20 Prozent an. Obwohl er nur langsam Fahrt aufnimmt, ist der Markt in Großbritannien Platz drei in Europa nach Deutschland und Italien. Hier werden die exklusive Zusammenarbeit mit Waxman Energy, die Einführung des Varta Pulse samt Grid-Charging-Funktion und die Varta-Marke uns das Marktwachstum erleichtern.
Wo liegt der Schwerpunkt von Varta Storage 2019?
Der liegt dieses Jahr vor allem bei der Konnektivität. Wir sind überzeugt, dass unsere Speicher das Herz jedes intelligenten Zuhauses und jedes Smart Homes sein werden. Durch die Entwicklung von Systemen, die sowohl in Soft- als auch in Hardware so offen wie möglich sind, versichern wir unseren Kunden, dass sie Merkmale und Funktionen von Drittanbietern hinzufügen können, sobald sich ihre Anforderungen ändern.
Können Sie einige Beispiele nennen?
Dazu zählen Wallboxen, Warmwassersysteme, Wettervorhersage oder die Entwicklung neuer Anwendungen. Varta hat eine lange Geschichte als Batterieunternehmen. Wir bauen ein wachsendes Partnernetzwerk auf, um zusätzliche Optionen anzubieten, sobald sie verfügbar sind.
Welche Trends werden in diesem Jahr den Speichermarkt dominieren?
Die Energieversorger stehen im Mittelpunkt des Versorgungssystems. Wir gehen davon aus, dass sich diese Situation auch in Zukunft nicht ändern wird. Obwohl es sich in einigen Fällen um große Unternehmen handelt, die sich länger an neue Marktbedingungen anpassen müssen, werden sie weiterhin eine wichtige Rolle bei der Gestaltung der Energiemärkte spielen.
Gordon Clements
ist General Manager bei Varta Storage.
Effizienzleitfaden überarbeitet
Die Branche selbst hat ihren Leitfaden aktualisiert. So sollen sich Speichersysteme leichter beurteilen lassen. Erstmals wurden vier wichtige Kennwerte definiert: die Pfadwirkungsgrade, der gesamte Stand-by-Verbrauch, der sogenannte energetische Batteriewirkungsgrad sowie die Einschwingzeit des Systems.