Auf der Intersolar in München haben Sie ein neues Speichersystem auf den Markt gebracht, den Resu 6.4 EX. Wie ist der Verkauf angelaufen?
Santiago Senn: Im Vorjahr hatten wir das Vorläufermodell Resu 5.0 auf dem europäischen Markt. Mit dem neuen Stromspeicher haben wir einen großen Schritt gemacht, das merken wir im Verkauf. Der Resu 6.4 EX leistet 6,4 Kilowattstunden und kann mit zwei Batteriemodulen zu je 3,2 Kilowattstunden auf bis zu 12,8 Kilowattstunden erweitert werden. Trotzdem ist der Speicher sehr kompakt und mit 60 Kilogramm Gewicht für die Basisvariante sehr einfach zu installieren. Das kann ein Installateur selbst machen. Ein bisschen wirkt der Speicher wie ein Tower-Computer, obwohl es von der Kapazität her keine kleine Batterie ist.
Vertreiben Sie direkt an die Installateure?
Nein, wir gehen ausschließlich über die Händler und andere Distributoren. In Deutschland erfolgt der Vertrieb über Großhändler wie beispielsweise Baywa, EWS, ESC, Viessmann, Krannich, Nedap, Memodo oder IBC Solar. In Großbritannien kooperieren wir auch mit Anbietern von schlüsselfertigen Anlagen wie manchen Projektentwicklern und EPC-Firmen. Allerdings ist der britische Speichermarkt mit dem deutschen längst nicht zu vergleichen. Das Hauptgeschäft läuft in Deutschland. Langsam geht es auch in Italien los.
Wie entwickelt sich der Markt in Deutschland?
Generell muss man sagen, dass der Markt sehr jung ist. Das relative Wachstum zum Vorjahr ist groß, aber die absoluten Absatzzahlen sind noch nicht wirklich hoch. Auch wenn wir den Trend sehen, der steil aufwärts zeigt. Leider hängen wir stark an der Konjunktur im Photovoltaikmarkt, und der schwächelt in Deutschland. Das macht uns einige Sorgen.
Und in Österreich oder der Schweiz?
In der Schweiz sehen wir bisher keinen Markt für Speicher, das dauert noch. Und in Österreich dauert es auch noch ein wenig. Ich denke, vorher werden sich die Verkäufe in Italien und Großbritannien entwickeln. In Deutschland haben wir die Situation, dass Photovoltaik ohne Speicher kaum noch Sinn macht, zumindest nicht bei Neuinstallationen. Auch im Retrofitting von Bestandsanlagen sehen wir einen Markt.
Für Retrofitting müsste der Speicher mit möglichst vielen Wechselrichtern kompatibel sein. Wie weit sind Sie bei der Anpassung?
Bislang lief unsere Batterie mit SMA und mit dem Power Router von Nedap. Wir haben aber neulich neue Wechselrichter auf Kompatibilität erfolgreich geprüft. Dazu gehören Produkte von Sungrow, Solax, Ingeteam, Victron Energy und andere. Auch wollen wir im nächsten Jahr weitere Batteriegrößen anbieten. Die endgültige Entscheidung ist noch nicht gefallen.
In der Branche der stationären Stromspeicher ist es ähnlich wie in der Photovoltaik: Der Markt wächst, wenn die Preise fallen. Wie schätzen Sie die weitere Entwicklung der Speicherkosten ein?
Die Kosten pro Kilowattstunde zu senken, ist unser vorrangiges Ziel. Bisher ist es uns gelungen, die Preise in jedem Jahr im zweistelligen Prozentbereich zu senken. Dabei spielt uns die steigende Nachfrage aus der Elektromobilität in die Hände. Dieses Segment hebt derzeit ab. Unsere Zellen lassen sich in Autos und in Stromspeichern gleichermaßen einsetzen, mit gewissen Veränderungen in der Chemie. Es sind gewickelte Pouch-Zellen mit flexibler Einsatzmöglichkeit. Wir arbeiten kontinuierlich an der Erhöhung der Kapazität unserer Zellen. Die nächste Generation wird die doppelte Energiedichte im Vergleich zur jetzigen haben. Das ist ein echter Sprung in der Technologie, der sich auf die Preise auswirken wird.
LG Chem bietet auch zylindrische Powerzellen an, wie Panasonic oder Tesla. Für welche Anwendungen sind diese gedacht?
Das ist unser Geschäftsbereich der mobilen Anwendungen. Solche Zellen stecken in Smartphones oder in Laptops. In diesem Jahr beträgt unsere Fertigungskapazität für mobile Produkte rund neun Gigawattstunden. Wir arbeiten daran, diese Mengen zu erhöhen. Bei den Zellen für Automobile und stationäre Batterien fertigen wir in diesem Jahr rund sieben Gigawattstunden. Unsere Kapazitätserweiterungspläne sind hier noch deutlich aggressiver. Allein durch den Ausbau der Kapazitäten wird ein erheblicher Spielraum für die Kosten entstehen.
Wo werden die Speicher gefertigt?
Unsere Fabrik steht in Südkorea, LG Chem gehört zu der Handvoll Hersteller, die am Ende das Geschäft mit Lithiumzellen beherrschen werden. Eben weil die Preise wesentlich von der Innovationskraft und der Fertigungskapazität abhängen. Um in diesem Geschäft ausreichend Atem zu haben, muss man international aufgestellt sein und eine starke Marke haben. LG ist eine solche Marke, was sich auch bei unseren Solarmodulen zeigt, die von unserer Schwesterfirma LG Electronics vertrieben werden. In den USA haben wir eine kleine Fabrik, die Batteriezellen speziell für Elektroautos auf dem amerikanischen Markt fertigt.
Der Druck auf die Kosten steigt, nicht zuletzt durch Tesla aus den USA. Elon Musk hatte im April 2015 versprochen, Lithiumzellen für 250 US-Dollar je Kilowattstunde anzubieten. Können Sie das auch?
Lassen Sie es mich so ausdrücken: Die Ankündigungen von Tesla kurz vor der Intersolar haben unserer Branche sehr geholfen, sie haben auch unseren Absatz unterstützt. Von dem Medienrummel haben wir alle profitiert. Für die Powerwall mit sieben Kilowattstunden stellt Tesla rund 3.615 Euro brutto als Großhandelspreis in Aussicht. Da können wir mithalten. Ich nenne keine konkreten Preise, sehen Sie mir das nach. Unsere Roadmap sieht sogar weitere Preissenkungen vor. Nichtsdestotrotz glaube ich, dass die Powerwall neuen Schwung in den Markt bringt. Nicht nur in Europa.
Welches Marktsegment entwickelt sich besonders aussichtsreich oder könnte in den kommenden Monaten richtig zünden?
Ich denke, dass Kleingewerbe und kleinere Unternehmen in der Industrie durch Stromspeicher viel Geld sparen können. Oft zahlen sie die Gewerbetarife der Energieversorger, kommen aber nicht in den Genuss der Strompreise wie die Großkonzerne. Da können Stromspeicher sich lohnen, die werden sich rechnen. Auch wenn es noch ein bisschen dauert, aber diesen Bereich der Speicher um 20 Kilowattstunden werden wir genau beobachten. Unsere Batterien lassen sich durch Racks beliebig erweitern, das ist kein Problem. Und schon jetzt merken wir, dass industrielle Großspeicher eine wachsende Rolle spielen.
Mit dem neuen Riesenakku in Feldheim haben Sie den Vogel abgeschossen. Dort haben Sie im Sommer auf einen Schlag zehn Megawattstunden installiert, also faktisch 1.000 Zehn-Kilowattstunden-Speicher. Werden solche Giganten zum Massengeschäft?
Das würde ich nicht sagen, aber Containerlösungen mit Megawattspeichern sind vor allem für Stadtwerke eine neues und interessantes Geschäft. Das gilt trotz der Tatsache, dass die Bundesnetzagentur die Anforderungen für große Stromspeicher in der Primärregelung des Netzes jüngst verschärft hat. Trotzdem sind wirtschaftliche Speicher möglich. Das Regelleistungskraftwerk in Feldheim ist Europas größter stationärer Speicher, der in der Mittelspannung an einen Windpark angeschlossen wurde. Mittlerweile haben wir zahlreiche Anfragen von Stadtwerken und Regionalversorgern, die Batterien aufbauen wollen.
In den USA oder in Asien sind Großspeicher schon Stand der Technik. Aus welchen Märkten in der Europäischen Union kommen die Nachfragen?
Europäische kommerzielle und industrielle Projekte haben wir in Deutschland, in Italien, in der Schweiz, in Frankreich und in Großbritannien.
Wo werden die Speicherpreise in fünf Jahren liegen?
Schätzungsweise bei der Hälfte heutiger Preise. Denn in fünf Jahren wird es keinen Autohersteller mehr geben, der nicht in der Elektromobilität engagiert ist. In vielen vollelektrischen Fahrzeugen werden unsere Energiezellen stecken, in Hybridmodellen unsere Powerzellen. Derzeit sind wir mit nahezu allen namhaften Autoherstellern im Gespräch. Audi hat auf der IAA im September das neue Konzeptauto vorgestellt, die Antwort auf Tesla. Dort sind wir mit im Boot.
Und der Photovoltaikmarkt?
Die momentane Durststrecke ist nur ein kurzzeitiger Einbruch. Aus Deutschland heraus werden sich die Stromspeicher für private Haushalte und für Gewerbe oder die Industrie auch in andere Märkte ausbreiten. Die Anfänge dieser Entwicklung sehen wir bereits. Auch große Solarkraftwerke werden dann mit Großspeichern gebaut, um innovative Geschäftsmodelle zu nutzen.
Wer wird im Speichermarkt den Ton angeben?
Perspektivisch sehe ich nur wenige Hersteller von Speicherzellen, die eine Chance haben. Der Markt muss ohne Förderung funktionieren. Davon sind wir nicht weit entfernt, da machen wir sehr schnell große Fortschritte.
Das Gespräch führte Heiko Schwarzburger.
Siemens
Zusammenarbeit bei Stromspeichern
LG Chem und Siemens haben eine Zusammenarbeit bei Batteriesystemen vereinbart. Dabei soll es vor allem um Großspeicher für die Industrie gehen. Solche Stromspeicher erhöhen die Autarkie der Unternehmen und können die Stromnetze nachhaltig stützen. Siemens liefert die Transformatoren und die Leistungselektronik, LG Chem liefert die Batterieblöcke und das Batteriemanagementsystem. Bei Großprojekten wollen die beiden Unternehmen gemeinsam auftreten.
Der Vereinbarung gingen einige erfolgreiche Projekte voraus. So lieferte Siemens bei einem Projekt der Vulkan Energiewirtschaft Oderbrücke (VEO) das Batteriesystem Siestorage. Die Batterie dient als Starter für Gasturbinen in einem Kraftwerk in Eisenhüttenstadt, die das Stahlwerk von Arcelor Mittal mit Strom und Wärme versorgen. Der Siestorage beinhaltet Lithiumzellen von LG Chem.
Santiago Senn
hatte diverse Positionen im Management inne, unter anderem bei Panasonic Europe, bei Gehrlicher Solar und beim Modulhersteller Sunpower. Im Juni 2015 wechselte er zu LG Chem nach Sulzbach im Taunus. Dort ist er als Direktor für das Geschäft mit Speicherzellen und Batterien in Europa zuständig. Sein Team in Sulzbach umfasst derzeit fünf Mitarbeiter.