Sie kamen im Frühjahr zu LG Chem nach Sulzbach, haben 2016 noch nicht im Unternehmen mitgearbeitet. Können Sie uns dennoch einen kurzen Rückblick auf das vergangene Jahr geben?
Stefan Krokowski: Das will ich gern versuchen. LG Chem hat die neue Resu-Serie mit großem Erfolg zur Intersolar 2016 präsentiert. Die Nachfrage war außerordentlich hoch. Und wir spürten, dass unser Markenname im Speichermarkt an Bedeutung gewinnt. Zwar ist das Jahr 2016 ohne mich gelaufen, aber es lief gut. Wir haben in Europa über 5.000 Resu-Geräte verkauft.
Wie ist das Jahr 2017 angelaufen, nunmehr unter Ihrer tatkräftigen Mithilfe?
Das laufende Jahr wird gleichfalls sehr gut. Bei unseren Distributoren erkennen wir, dass der Markt in diesem Jahr sehr lebendig ist.
Die Nachfrage nach Resu-Speichern war und ist sehr groß, aber die Lieferfristen sind ziemlich lang. Wie gehen Sie mit diesem Problem um?
Um es ehrlich zu sagen: Wir sind vom Erfolg der Resu-Serie überrollt worden. Für unsere Niedervoltbatterien mit 48 Volt haben wir die Liefersituation mittlerweile gut im Griff. Wir haben mit unseren Distributoren einen rollierenden Forecast-Prozess aufgebaut, bei dem wir die zu erwartenden Liefermengen gut abschätzen können.
Und bei der Hochvoltvariante?
Die Markteinführung hat sich ein wenig verzögert, zudem hat uns auch hier die sehr hohe Nachfrage überrascht. Zudem haben andere Anbieter von DC-Batterien auf AC-Geräte umgestellt, was zusätzlich Nachfrage generierte. Also müssen wir zunächst die Fertigung anziehen. Dieses Problem werden wir in einigen Monaten behoben haben.
Ihre Batterien kommen direkt von LG Chem aus Korea. Wäre es nicht sinnvoll, eine Fabrik in Europa zu bauen? Im Gespräch ist eine Fabrik in Polen …
Die Lieferung über den Seeweg dauert acht Wochen, das stimmt. Wir errichten eine Fertigung in Polen, auch das stimmt. Aber dort geht es vor allem um den Bedarf der Automobilindustrie, die ihre Produkte just in time ordert. Bei den stationären Speicherbatterien haben wir diese Anforderungen nicht.
Welche Märkte sind im Speichergeschäft bislang für Sie entscheidend?
In Europa ist es vor allem der deutsche Markt, das ist klar. Wir beobachten aber auch in Großbritannien und in Frankreich eine wachsende Nachfrage. Mit großer Spannung beobachten wir die Ankündigung der schwedischen Regierung, Stromspeicher mit bis zu 60 Prozent der Investitionskosten zu fördern. Die Schweden wollen ihr Versorgungssystem schnell transformieren. Auch in Benelux wächst die Nachfrage.
Steht dort nicht das Net-Metering dem Speichergeschäft entgegen?
Dass die Nachfrage dennoch in Gang kommt, zeigt, dass die Menschen in ihre Unabhängigkeit investieren wollen. Da spielen also nicht nur wirtschaftliche Kriterien eine Rolle, sondern auch emotionale und psychologische Faktoren, wie sie beispielsweise beim Kauf eines Autos gelten.
Wie werden sich die Preise für die Speichersysteme entwickeln?
Die Preise werden mittelfristig sinken, aber es wird nicht so schnell und so heftig erfolgen wie in der Photovoltaik. Zum einen ist der Euro im Moment sehr schwach. Das ist schwierig für alle Anbieter, die ihre Zellen oder Batterien aus dem internationalen Ausland nach Europa verkaufen. Bei uns steht die Abwertung des Euro gegenüber dem koreanischen Won einer Preissenkung entgegen. Zudem haben sich die Rohstoffpreise erhöht.
Um welche Rohstoffe geht es konkret?
Hier wäre zuerst Kobalt zu nennen. Die Preise werden durch die hohe Nachfrage aus verschiedenen Branchen getrieben, möglicherweise sind auch spekulative Warentermingeschäfte im Spiel. Ich erwarte aber, dass sich die Preise mittelfristig stabilisieren.
Wie wird sich die Energiedichte der Lithiumzellen entwickeln?
Das ist ein echter Hebel, um die Preise zu senken. Denn wenn die Zellen eine höhere Energiedichte aufweisen, gehen die Preise pro Kilowattstunde nach unten. Das kann ich nicht quantifizieren, aber natürlich arbeiten wir weiter daran, immer effizientere Zellen zu bauen.
Bei den Stromspeichern machen die Lithiumzellen rund 70 bis 80 Prozent der Fertigungskosten aus. Welchen Spielraum sehen Sie beim Rest, also bei den Gehäusen und der Elektronik?
Ehrlich gesagt, da sehe ich wenig Spielraum. Das ist ein Block von Fixkosten, von dem man kaum herunterkommt. Das solide Alugehäuse brauchen Sie immer, ebenso ein Batteriemanagementsystem. Das muss man entwickeln und fertigen, egal ob der Speicher nachher nur drei oder 20 Kilowattstunden Kapazität hat. Weil die Kosten für Lithiumzellen perspektivisch sinken, werden wir freilich größere Speichersysteme bekommen. Dann sinkt der Anteil der Fixkosten gegenüber den Zellen und Batteriemodulen.
Mit sinkenden Speicherpreisen kaufen die Leute größere Systeme. Weil sie unabhängiger sein wollen …
Sie tun es sogar, wenn eine größere Batterie nicht unbedingt wirtschaftlicher für ihre Solaranlage und den Stromverbrauch im Haus ist. Es geht offenkundig um Unabhängigkeit. Das meinte ich vorhin mit meinem Vergleich zu den Autos. Für größere Speichersysteme spricht auch, dass der Handel größere Speicher genauso durch seine Wertschöpfungskette schleust wie kleinere Geräte. Und der Anschluss beim Kunden durch den Installateur dauert auch nicht länger.
Bisher ist LG Chem im gewerblichen Speichergeschäft kaum vertreten. Warum nicht?
Man kann zwei unserer Resu 10 kombinieren, das macht rund 20 Kilowattstunden. Unsere nächstgrößeren Systeme sind dann Megawattspeicher, für die wir die Zellen liefern. Diese Speicherlösungen bauen wir nicht allein, sondern gemeinsam mit Systemintegratoren.
Das sind eher Utility-Speicher für die Netzunterstützung. Ich meinte gewerbliche Speicher für Unternehmen und Fabriken …
Auch im gewerblichen Bereich von, sagen wir, einigen Hundert Kilowattstunden sind wir als Zelllieferant sehr aktiv, überlassen die Integration in die Speicher aber unseren Partnern.
Wollen wir einen Ausblick wagen?
Gern. Ich sehe die Energieversorgung von einem dramatischen Paradigmenwechsel geprägt. Dabei spielen die Speicher eine zentrale Rolle. Sie sind in der Lage, Strom an beliebigen Orten zu jeder Zeit und zu verschiedenen Preisen anzunehmen und wieder in die Stromversorgung zu bringen.
Welche Rolle können die Speicher bei diesem Paradigmenwechsel spielen?
Der Speicher ist der Katalysator dieser Entwicklung, die durch die Photovoltaik und andere dezentrale Generatoren unterstützt wird. Ein Haupttreiber dieser Entwicklung dürfte die Elektromobilität sein, also der mobile Speicher.
Welche Neuheiten bringen Sie zur Intersolar?
Wir arbeiten daran, verschiedene Zelltypen auf Leistung und Energiedichte zu optimieren. Wir bringen ein neues Batteriemodul, das als Stand-alone-System ausgelegt ist. Und wir zeigen unsere Resu-Serie.
Das Gespräch führte Heiko Schwarzburger.
Stefan Krokowski
verantwortet seit März 2017 den Vertrieb der Resu-Heimspeicher von LG Chem in Europa. Bevor er die neue Position als Head of Sales & Marketing antrat, hat der 46-jährige Jurist bereits umfangreiche Erfahrungen in der Photovoltaik und im Speichergeschäft gesammelt. Nach achtjähriger Tätigkeit in der Informationstechnik wechselte er 2006 in die Solarbranche, wo er in verschiedenen Führungspositionen tätig war. Unter anderem verantwortete er den deutschen und internationalen Komponentenvertrieb der Phoenix Solar AG. Zuletzt war Krokowski von 2012 bis 2017 Geschäftsführer des mittelständischen Anbieters Newi Solar. Dort führte er den Vertrieb von Speicherlösungen für Endkunden ein und trieb die Entwicklung einer Simulations- und Angebotssoftware voran, um die Speicherhersteller bei der Vermarktung ihrer Produkte zu unterstützen.