Es ist ein großer Wurf, den Österreich vorhat. Bis 2030 soll der Stromverbrauch komplett auf Erneuerbare umgestellt sein. Das stellt nicht nur die Politik vor die Herausforderung, entsprechende Rahmenbedingungen vorzugeben, um den dafür notwendigen Ausbau der Photovoltaik zu beschleunigen.
Auch die Solarbranche muss ihre Hausaufgaben machen und einerseits die entsprechende Anlagenleistung errichten und zusammen mit den Netzbetreibern diese Generatoren auch in das Stromsystem integrieren. Das ist nicht einfach und viel Fingerspitzengefühl ist notwendig, um alle Beteiligten in ein Boot zu bekommen.
Denn die Netzbetreiber sind bisher nicht gewohnt, mit volatil und dezentral einspeisenden Solarstromanlagen in einer Größenordnung von 15 Gigawatt umzugehen, die für den Umstieg auf Ökostrom in Österreich nötig sind.
Alle Informationen in einem Dokument
Sie brauchen deshalb verlässliche Regelungen, wie diese Anlagen an ihre Netze angeschlossen und in ihre Systeme eingebunden werden. Die Projektierer und Installateure von Solaranlagen brauchen, genauso wie ihre Kunden, verbindliche Regeln für den Netzanschluss und Betrieb der Anlagen.
Diese müssen wiederum so ausgelegt sein, dass die Hürden nicht zu hoch sind. Sonst kommt der Zubau nicht zustande.
Aus diesem Grunde hat die Regulierungsbehörde der Elektrizitäts- und Erdgaswirtschaft (E-Control) neue technische und organisatorische Regelungen (TOR) für den Anschluss und Parallelbetrieb von Stromerzeugungsanlagen entwickelt und veröffentlicht. „Die ,TOR Erzeuger‘ sammelt die Vorschriften und Regelungsinhalte aus verschiedenen Rechtsnormen in einem Gesamtdokument“, erklärte Johannes Hackner von der Abteilung Strom der E-Control bei der Vorstellung des neuen Regelungswerks auf der Branchentagung von PV Austria in Wien. „Damit müssen sich die Projektierer nicht mehr alle Informationen aus verschiedenen Dokumenten zusammensuchen, sondern finden alle relevanten Anforderungen für den Netzanschluss und Betrieb der Solaranlagen in der neuen TOR.“
Vier Anlagenklassen
Das neue Regelwerk ist in vier Teile aufgeteilt, die die Vorgaben für die jeweiligen Anlagengrößen abdecken. Die Regelungen für Anlagen des Typs A gelten für Generatoren mit einer Leistung von bis zu 250 Kilowatt, die ans Nieder- oder Mittelspannungsnetz angeschlossen sind. Als Typ B gelten Anlagen mit einer Leistung zwischen 250 Kilowatt und 35 Megawatt, wenn der Generator nicht direkt ins Hochspannungsnetz mit einer Spannung von 110 Kilovolt einspeist.
Unter Typ C werden Anlagen zusammengefasst, die an die gleiche Netzebene angeschlossen werden, aber zwischen 35 und 50 Megawatt leisten. Ist der Generator noch größer oder speist er ins Übertragungsnetz ein, müssen die Regelungen für Anlagentyp D eingehalten werden. Diese Anlagenklassen und die entsprechenden Regelungen in der TOR gelten ebenfalls für Speicher, wenn sie ins Netz einspeisen. Damit muss sich der Errichter einer kleinen Anlage nicht durch die Regeln für große Solarparks wühlen.
Anlagen müssen das Netz stützen
Die TOR Erzeuger ist aber noch mehr als nur eine reine Zusammenfassung der Vorschriften für den Anschluss von Solaranlagen, wie sie in den europäischen Netzwerkcodes, in der bisherigen TOR D4 und TOR B, geregelt sind. Sie beinhaltet auch mehrere Neuerungen, die den Netzanschluss der Solargeneratoren auf das notwendige Minimum vereinfachen, teilweise aber auch verschärfen.
So müssen die Solargeneratoren in Zukunft auch in der Niederspannung netzstützende Funktionen übernehmen können. Das bedeutet, dass sie Netzfehler durchfahren müssen, wenn die Netzspannung den vorgegebenen Wert unter- oder überschreitet. Sie dürfen sich auch nicht vom Netz trennen, wenn dort mehrere Fehler hintereinander auftreten.
Das Aus für den Spannungswächter
Eine Verbesserung zu den bisherigen Vorgaben ist die neue Regelung für die Spannungshaltung. In manchen Netzgebieten verlangten die Netzbetreiber bisher den Einbau von Spannungswächtern. Das sind vom Netzbetreiber vorgeschriebene Relais, die beim Über- oder Unterschreiten der definierten Netzspannung die Anlage entsprechend regeln, was mit zusätzlichen Kosten verbunden war. „Das ist in Zukunft nicht mehr notwendig, weil die meisten Wechselrichter solche Funktionen schon beinhalten“, erklärt Johannes Hackner.
Auch für den Netzentkupplungsschutz hat die E-Control vor allem für kleinere Anlagen Vereinfachungen erreicht. Denn grundsätzlich ist eine zentrale Schutzeinrichtung als eigenes elektrisches Betriebsmittel vorzusehen. Für Anlagen, die mit einer Leistung von bis zu 30 Kilowatt ins Niederspannungsnetz einspeisen, reicht auch eine selbsttätig wirkende Freischaltstelle aus.
Netztrennung vereinfacht
Die muss auf der Basis der ÖVE-Richtlinie R 25 zertifiziert sein, die es derzeit noch nicht gibt, aber gerade ausgearbeitet wird. Alternativ gelten jetzt auch die Zulassung für den im Wechselrichter integrierten Netz- und Anlagenschutz gemäß der deutschen VDE-AR-N 4105 und DIN VDE V 0124-100.
Wird der zentrale Netzentkupplungsschutz als eigene Komponente errichtet, muss der Anlagenbetreiber einen Prüfbericht vorlegen, dass dieser auch funktioniert und den Vorgaben entspricht. Zusätzlich dazu ist für alle Anlagen bis 250 Kilowatt eine Bestätigung notwendig, dass die Anlage entsprechend der Verträge mit dem Netzbetreiber installiert wurde. „Grundsätzlich sollte der Netzbetreiber mit diesen Zertifikaten und Konformitätsnachweisen auskommen“, erklärt Hackner.
Er kann aber noch weitere Prüfberichte und Konformitätsnachweise verlangen, die in der TOR Erzeuger abschließend geregelt sind und für die ebenfalls Prüfberichte gemäß der deutschen VDE-Regelungen anerkannt werden. Das muss er aber nicht tun. „Vor allem kann er aber keine komplett frei erfundenen und über diese jetzt festgehaltenen Anforderungen hinausgehenden Dinge verlangen, die eventuell sogar auch noch Mehrkosten verursachen“, betont Hackner. „So etwas muss der Anlagenbetreiber nicht akzeptieren. Im Zweifelsfall rate ich dazu, die E-Control zu kontaktieren und eventuell eine Beschwerde einzulegen.“ Die Regulierungsbehörde wird dann ein Schlichtungsverfahren einleiten.
Befreiung von Vorgaben ist möglich
Es gibt sogar die Möglichkeit, sich von einzelnen Vorgaben befreien zu lassen. Voraussetzung ist, dass die Befreiung zu keiner Beeinträchtigung der Netzstabilität führt. Der Anlagenbetreiber stellt beim zuständigen Netzbetreiber einen Antrag, der dann an die E-Control geht.
Die beurteilt nach vorgegebenen Kriterien, ob eine Befreiung von einzelnen Vorgaben möglich ist. Projektierer und Planungsbüros können Freistellungen für eine ganze Gruppe von Anlagen beantragen. Netzbetreiber haben die Möglichkeit, bei der E-Control einen Freistellungsantrag einzureichen. Genehmigt die E-Control diesen, gilt die Freistellung für eine ganze Klasse von Anlagen im jeweiligen Netzgebiet.
Die TOR Erzeuger regelt auch das Verfahren, wie der potenzielle Betreiber einer Solaranlage zu einem Netzanschluss und zu einer Betriebserlaubnis kommt. „Wir haben versucht, vor allem für die kleinen Anlagen vom Typ A das Betriebserlaubnisverfahren zu standardisieren“, sagt Hackner. Der potenzielle Anlagenbetreiber stellt dazu zunächst einen Netzanschlussantrag.
Datenaustausch neu geregelt
Der Netzbetreiber beurteilt, ob der Netzanschluss möglich ist und legt ein Konzept und ein Angebot für diesen vor. Nach der Installation der Anlage übermittelt der Besitzer die Installationsdokumente inklusive der Konformitätsnachweise. Danach bekommt er eine Betriebserlaubnis für seinen Generator.
In Zukunft werden sich auch die Regelungen für die Datenübermittlung verändern. Die stehen noch nicht fest. Der Übertragungsnetzbetreiber Austrian Power Grid (APG) hat dazu aber schon einen konkreten Vorschlag gemacht. Die APG bezieht sich dabei vor allem auf die europäischen Regelungen für den Netzbetrieb (System Operations Guideline – SO-GL) und die auf europäischer Ebene geltenden Anforderungen für Stromerzeugungsanlagen (Requirements for Generators – RfG).
Der Vorschlag sieht vor, dass nur sogenannte signifikante Netznutzer zu den eigentlichen Stammdaten der Erzeugungsanlage weitere Daten übermitteln müssen. Das sind ausschließlich Solargeneratoren mit einer Leistung von mehr als 250 Kilowatt.
Große Anlagen liefern Echtzeitdaten
Dabei müssen die Anlagen mit einer Leistung zwischen 250 Kilowatt und einem Megawatt in der Lage sein, Daten über die aktuelle Stromerzeugung in Echtzeit zu liefern. Zu diesen Echtzeitdaten gehören unter anderem auch Angaben über die jeweilige Wirk- und Blindleistung.
Diese Daten müssen aber nur in Abstimmung mit dem zuständigen Verteilnetzbetreiber tatsächlich geliefert werden. Solaranlagen mit einer Leistung zwischen einem und 25 Megawatt müssen diese Echtzeitdaten grundsätzlich bereitstellen. Leistet die Anlage mehr als 25 Megawatt muss der Betreiber zusätzlich noch Daten über die prognostizierte Leistung am Netzanschlusspunkt liefern.
Alte Anlagen haben Bestandsschutz
Außerdem muss er dem Netzbetreiber mitteilen, wenn die Anlage fahrplanmäßig nicht verfügbar ist oder mit verminderter Leistung einspeist. Ähnliche Regelungen gelten dann auch für Bestandsanlagen. Der Unterschied ist, dass Anlagen mit einer Leistung von bis zu einem Megawatt Echtzeitdaten nur liefern müssen, wenn sie das ohnehin schon tun.
Andernfalls müssen dafür auch keine technischen Komponenten nachgerüstet werden. Anlagen mit einer Leistung zwischen einem und 25 Megawatt müssen die Echtzeitdaten nur in Abstimmung mit dem Verteilnetzbetreiber bereitstellen.