Die Firma Mahle will ihr Werk in Vaihingen-Enz in Baden-Württemberg mit PVT-Modulen dekarbonisieren. Zum Einsatz kommen über 1.000 Hybridmodule von Sunmaxx, aus der Fertigung im sächsischen Ottendorf-Okrilla bei Dresden. Der Automobilzulieferer Mahle ist strategischer Investor und Entwicklungspartner von Sunmaxx. Mehr als drei Millionen Euro hat Mahle bei Sunmaxx investiert. So geht die Idee des sehr flachen Wärmetauschers auf der Rückseite der Photovoltaikmodule auf Kühlbleche für die Antriebsbatterien in E-Autos zurück – die Mahle produziert.
Wärmebedarf komplett abgedeckt
Auf einer Fläche von knapp 2.000 Quadratmetern entsteht Deutschlands bislang größte photovoltaisch-thermische Anlage. Sie wird das Mahle-Werk künftig mit grünem Strom versorgen und nahezu den kompletten Wärmebedarf decken.
Insgesamt leistet die Photovoltaikanlage mehr als 430 Kilowatt. Über den Jahresverlauf sammeln die PVT-Kollektoren rund 1,2 Gigawattstunden thermische Energie, die nutzbar sind. Damit könnte die Anlage den jährlichen Wärmebedarf von rund 100 Einfamilienhäusern decken.
Bis zum Sommer in Betrieb
Im Februar 2025 wurden die ersten Hybridmodule von Sunmaxx installiert, im Juli 2025 soll die Anlage in Betrieb gehen. „Unser gemeinsames Projekt zeigt, dass sich regenerative Lösungen aufgrund der steigenden Kosten für Energie- und Prozesswärme langfristig lohnen“, sagt Jumana Al-Sibai von der Geschäftsführung des Mahle-Konzerns. „Die Dekarbonisierung des Werkes in Vaihingen-Enz dient uns als Referenzprojekt für weitere Standorte und leistet einen wichtigen Beitrag zur Erreichung der Klimaneutralität unseres Unternehmens bis 2040.“
Anders als reine Photovoltaikmodule liefern PVT-Module Strom und Wärme gleichzeitig. Sie können als alleinige Wärmequelle für Wärmepumpen dienen, entfalten im Zusammenspiel mit Wärmespeicherung jedoch ihre größte Wirkung. Für die nachhaltige Heizwärmeversorgung des Mahle-Werks bei Stuttgart wurde ein geothermisches Erdsondenfeld als Wärmespeicher ausgewählt.
Es speichert die im Sommer durch PVT gewonnene Wärme für den Heizbetrieb im Winter. Dank der thermischen Aufladung durch die PVT-Module wurden signifikant weniger Bohrmeter als für rein geothermische Anlagen erforderlich.
Erdgas vollständig ablösen
Mit den PVT-Modulen von Sunmaxx löst sich Mahle am Standort nahezu vollständig von Erdgas und macht seine Infrastruktur weitgehend unabhängig von fossilen Energieträgern. „Durch PVT sind die Energiekosten skalierbar und planbar“, erläutert Wilhelm Stein, CEO von Sunmaxx. „In den nächsten 30 Jahren ist, anders als beispielsweise bei Gas, mit keiner Steigerung zu rechnen. Mahle macht es vor: Projekte wie dieses sind eine Chance für Industrieunternehmen, ihre Energieausgaben konstant zu halten. Sie stellen eine wirtschaftliche Lösung zur Erreichung ihrer Klimaziele dar.“
Erst 2023 hat Sunmaxx das Werk bei Dresden errichtet. Nun wird es ausgebaut. Wer bei PVT an klobige Kästen denkt – oben das Photovoltaiklaminat, darunter ein dicker Flachkollektor – liegt falsch. Denn der neue PVT-Kollektor ist absolute Hightech – schlank, smart und supereffizient. Der Wärmetauscher ähnelt einem Kühlblech mit Sicken, in denen die Kühlflüssigkeit zirkuliert. Er ist nur zwei Millimeter stark und vollflächig mit der Rückseitenfolie des Photovoltaiklaminats verklebt.
Lediglich die Anschlussdosen für die Solarzellen bleiben ausgespart. Das Fraunhofer ISE hat nachgemessen: Im Sommer werden die Solarzellen im Frontlaminat von 80 Grad Celsius auf 30 Grad Celsius gekühlt. Dadurch verbessert sich die Performance der Solarzellen spürbar. Insgesamt nutzt das PVT-Modul 80 Prozent der Solarenergie aus: 20 Prozent durch die Solarzellen als sauberen Strom, 60 Prozent durch die thermische Komponente.
Ein Kühlblech als Wärmetauscher
Im Wärmetauscher zirkulieren nur 0,7 Liter Sole, der Druckverlust im PVT-Modul beträgt nur 30 Millibar. „Diese Bleche wurden ursprünglich zur Kühlung der Batterien von E-Autos verwendet“, erläutert Wilhelm Stein, CEO von Sunmaxx. „Wir haben die Technik für Solarmodule adaptiert. Das ist erprobte Massentechnik aus Aluminium, die sehr geringe Kosten erlaubt.“
Aus der Linie läuft ein Solarmodul, das durch den ultradünnen und sehr leichten Wärmetauscher nur 3,5 Kilogramm schwerer ist als ein Standardmodul (22 Kilogramm). Das Laminat besteht aus 108 Halbzellen (M10), es wird komplett vorgefertigt angeliefert. Die Montage der Dosen erfolgt, nachdem der Wärmetauscher angeklebt wurde.
Die PVT-Module liefern also Sonnenstrom und Sonnenwärme, und zwar im Niedertemperaturbereich von 20 bis 30 Grad Celsius. „Die Stagnationstemperatur liegt bei maximal 80 Grad Celsius, sie entspricht der Temperatur des Solarmoduls im Sommer“, berichtet Wilhelm Stein. „Deshalb brauchen wir keine aufwendigen Solarspeicher für den Schutz vor Überhitzung.“
Monovalente und bivalente Nutzung
Es besteht auch keine Gefahr, dass zu hohe Drücke die Hydraulik beschädigen. Das waren Schwachpunkte der bekannten Solarkollektoren, die als Flachkollektoren oder Vakuumröhrenkollektoren teilweise Temperaturen von mehr als 100 Grad Celsius erreichten – und gegen Überkochen (Stagnation) geschützt werden mussten. Mit den niedrigen Temperaturen lässt sich der solare Energiesammler auf dem Dach als monovalente Wärmequelle für Solewärmepumpen nutzen. Luft-Wasser-Wärmepumpen erzielen Jahresarbeitszahlen (JAZ) von zwei bis drei. Mit solarem Vorlauf vom Dach kann eine Sole-Wasser-Wärmepumpe durchaus eine JAZ von vier erreichen – komplett lautlos. Aus 30 Grad Celsius im Vorlauf kann sie sehr hohe Temperaturen erzeugen – etwa für Prozesswärme.
Eine zweite Anwendung sind bivalente Systeme mit Erdwärmepumpen, die ihre Umweltwärme aus oberflächennahen Erdkollektoren oder Bohrsonden beziehen. Das Werk von Mahle nutzt genau diese Kombination. „Die Solarwärme hilft, die Erdsonden im Sommer zu regenerieren“, erklärt Wilhelm Stein. „Das spart bis zu 75 Prozent der Bohrmeter.“
Die Bohrungen sind mit Abstand der teuerste Teil einer solchen Geothermieanlage. Vor allem bei Industriebauten oder kommunalen Nahwärmenetzen summieren sich die Einsparungen schnell zu großen Beträgen. Zudem schrumpft die Fläche, die für das Bohrfeld frei gehalten werden muss.
Einfache Montage über steckbare Schläuche
Der PVT-Kollektor wird mit einem 40-Millimeter-Standardrahmen versehen, hinter dem der Wärmetauscher mit seinen Anschlussstutzen komplett verschwindet. Das Montagesystem wurde von Wagner Solar entwickelt. Die Installation basiert auf normalen Klemmen von Schletter auf einem Alusystem. Der hydraulische Anschluss des Wärmetauschers erfolgt über Sicherheitsschläuche – einfach gesteckt und fertig! So entsteht für die Solarteure kaum zusätzlicher Aufwand im Vergleich zu Solarmodulen.
Die Schlauchverbinder führen zum Sammelrohr, das bis zu 20 PVT-Module aufnimmt. Weil die zirkulierende Flüssigkeitsmenge und der Druckverlust so gering sind, brauchen die Solarpumpen nur wenig Leistung. Auch das zahlt sich in der Energiebilanz aus.
Kleinere Anlagen beispielsweise für Privatkunden werden über Edelstahlrohre hydraulisch eingebunden, größere Anlagen mit Rohren aus Kunststoff. Selbst in der kalten Jahreszeit liefert das System nennenswerte Temperaturen.
Denn die Hydraulik nimmt die Temperatur unter den Solarmodulen an. Mittlerweile wurden Montagesysteme für Flachdächer, Trapezblechdächer (15 Grad), Schrägdächer (30 Grad) und Freilandparks entwickelt. Denn Sunmaxx PVT hat größere Anlagen im Blick.
Energie für Nahwärmenetz der Kommune
Beispiel ist ein Solarpark auf 16 Hektar. Er soll zur Hälfte mit PVT-Modulen gebaut werden, um Solarwärme für ein kommunales Nahwärmenetz zu gewinnen. Derzeit sind fünf bis sechs Megawatt in der Planung.
So sollen die Anlagen wachsen. Bisher wurden vor allem kleinere Anlagen geplant und errichtet, mit 20 bis 40 Modulen. Und nun 1.000 PVT-Module für das Werk von Mahle. Derzeit arbeiten 25 Leute in Ottendorf-Okrilla, bis Ende 2024 könnten es zwischen 60 und 70 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden.
Ein cleveres Produkt für Fachpartner
Das PVT-Modul ist ein cleveres Produkt für alle Installateure, die ihren Kunden mehr anbieten wollen als Sonnenstrom. Sunmaxx sucht bundesweit Partner aus dem installierenden Fachhandwerk. Die PVT-Module kann man direkt bei Sunmaxx kaufen oder über den Fachhändler Wagner Solar.
Die seit 20 Jahren auf Elektro- und Heizungsinstallationen spezialisierte Firma Kütro aus Abensberg bei Regensburg hat bereits erste Erfahrungen mit den PVT-Modulen von Sunmaxx gesammelt. Die Anlagen versorgen Gebäude ganzjährig mit sauberem Strom und Wärme. Bei einem durchschnittlichen Einfamilienhaus werden auf diese Weise in 20 Jahren rund 125 Tonnen Kohlendioxid eingespart. „Wir haben lange nach der geeigneten Lösung für unsere Kunden und Projekte gesucht“, erzählt Patrick Küffner, Geschäftsführer von Kütro. „Faktoren, die wir berücksichtigen müssen, sind Klimaschutz, Kohlendioxidvorgaben für Gebäude und Betriebskosten.“
Mit Sunmaxx hat er nun einen Hersteller und Lieferanten für seine Projekte gefunden. Der PVT-Kollektor erweitert die Produkte, die er seinen Kundinnen und Kunden anbieten kann – um ihre Wünsche zu erfüllen.
Kooperation mit Installateuren ausweiten
Sunmaxx kooperiert zudem mit der niedersächsischen Hanebutt-Gruppe. Hanebutt ist vor allem in den Regionen Hannover, Berlin, Hamburg, um Freiburg mit Herbolzheim und in Mecklenburg-Vorpommern aktiv. Geschäftsführer Henning Hanebutt ist sich sicher, dass die Hauseigentümer das Angebot annehmen, Strom und Wärme vom Dach zu gewinnen.
Angesichts der hohen Gaspreise suchen die meisten Kunden nach einem Weg, um ihre Wärmeversorgung unabhängig zu gestalten. Mit der PVT-Technik will er die steigende Nachfrage nach erneuerbaren Heizungen besser bedienen.
Seit Dezember 2023 gehören zwei Heizungsbauer aus Baden-Württemberg und dem Saarland zum PVT-Netzwerk. DS Innovative Heiztechnik aus Stuttgart und Corona Plus aus Tholey werden künftig die innovativen Module bei ihren Kunden installieren. Damit haben sie neue Produkte, um sich breiter aufzustellen und die Wünsche ihrer Kundschaft zu erfüllen.