Verkäufer lieben informierte Kunden: Sie formulieren ihre Wünsche klar, transparent und verständlich, erwarten die Erfüllung dieser Wünsche, kaufen bei einem passenden Angebot sofort und bezahlen prompt. Wissenschaftlich ist dieses Konzept des rationalen Käufers allerdings am Ende: Reize entscheiden, nicht Rationalität. Stark vereinfacht funktionieren die Kaufzentren im Gehirn so: Unzählige Reize erreichen das Gehirn und werden meist unbewusst verarbeitet. Der Mechanismus, der bewusstes Denken heißt, wird erst dann aktiviert, wenn ein Teil des Gehirns die Notwendigkeit erkennt, über einen Reiz zu diskutieren – der Reiz wird in das Parlament, in dem rechte und linke Gehirnhälfte sitzen, überwiesen und dort diskutiert.
Die Ergebnisse dieser Diskussionen werden im Kurzzeitgedächtnis gespeichert. In das Langzeitgedächtnis werden die Gedanken und Erkenntnisse übergeben, wenn der Gedanke oft genug wiederholt wurde oder emotional besetzt ist.
Belohnungen erhalten
Für die Motive Hunger oder Durst gibt es im Gehirn Homöostaten, die anzeigen, dass der Glukosespiegel oder der Wasserspiegel im Körper einen gefährlich niedrigen Stand erreichen. Dann wird der Mensch nervös – und sucht. Gefunden wird dann zum Beispiel ein Italiener mit dem Sonderangebot Pasta zum Mittagstisch. Tolles Essen, tolle Preise – das Gehirn speichert diese Erfahrung ab und belohnt sich bald wieder mit diesem Restaurant, weil das Essen so preiswert und wohlschmeckend war. So entstehen Gewohnheiten und auch Süchte, beides sind konditionierte Verhaltensweisen. Grundprinzip: Belohnungen erhalten, Bestrafungen vermeiden.
Wenn ein Wechselrichter inklusive 20 Jahre Garantie angeboten wird, sind Kunde und Bank absolut sicher vor einem Systemausfall. Keine Angst vor zusätzlichen Kosten, die sich negativ auf die Rendite auswirken. Keine Instandhaltungsrücklage für den Kunden. Vertriebler kennen diese Zusammenhänge und benutzen die bestehenden Kundenkonditionierungen, um zu verkaufen. Einmal überzeugt, immer wieder gekauft – Arbeitserleichterung für das Gehirn. So muss man beispielsweise nicht jedes Mal neu nachdenken, welche Marke Gummibären die richtige ist. Das Gehirn handelt, wie zuvor erlernt. Erst durch einen vollständigen und komplizierten Überzeugungsprozess können diese Mechanismen neu diskutiert und geändert werden.
Manager im Vertrieb beschäftigen sich selten mit Psychologie oder Soziologie. Werden die Ziele nicht erreicht, dann waren die Verkäufer schuld, die nicht verkaufen können oder faul sind. Wenn Vertriebsmanager jedoch das Geheimnis der Kaufzentren im Gehirn kennen, findet das Marketing die richtigen Kunden und der Verkauf bedient die richtigen Kaufmotivationen.
Psychologie ist Trumpf
Damit ein Kauf funktioniert, muss ein Wunsch in Verbindung zu einem für diesen Käufer überzeugenden Preis-Leistungs-Verhältnis ohne negative Bauchgefühle gebracht werden. Denn stimmen der individuelle Preis und die Leistung, eine weitere Voraussetzung, entscheidet letzten Endes der Bauch.
Der Bauch ist umgangssprachlich die Intuition: Jeder Käufer bewertet, teilweise auch unbewusst, den Verkäufer, das Unternehmen, die Referenzen, die Marke, die Bekanntheit und weitere Informationen. Wer Kunden mit schlecht ausgebildeten oder unsympathischen Mitarbeitern, mit Unzuverlässigkeit, chaotischer Organisation und Rückrufaktionen quält, ist entweder ein Monopolist oder darf nach einer Gnadenfrist nicht mehr mitspielen.
Der Bauch hilft dem Kopf beim Denken und hat das letzte Wort bei Kaufentscheidungen, darum sind rein rational geführte Verkaufsgespräche oft sinnlos. Die Intuition ist dem Denken weit überlegen. Denn im ältesten Teil des Gehirns, im limbischen System, arbeitet die Amygdala, die an der Erzeugung von Angst beteiligt und auch sonst für die Wahrnehmung jeglicher Form von Erregung zuständig ist. Der Bauch wird von ihr immer dann geweckt, wenn für den Kunden etwas Wichtiges auf dem Spiel steht – und jede Kaufentscheidung ist etwas Wichtiges.
Umsetzung schwierig
Die Umsetzung dieser Erkenntnis in der täglichen Praxis ist schwierig. Grundvoraussetzung für einen gelungenen Kaufprozess ist, den Bauch zu überzeugen. Je mehr Informationen der Bauch prüfen muss, umso länger dauert der Kaufprozess. Wer seine Angebote ausführlich erklärt, lange redet und rational argumentiert, verwirrt den Kunden und macht es dem Bauch schwer, wenn nicht gleichzeitig Positives und Negatives gegenübergestellt werden. Gegen alles, was der Verkäufer erklärt, kann der Käufer sich innerlich wehren. Gegen das, was der Kunde zu sich selbst sagt, kann er sich nicht wehren. Das ist der Grund dafür, dass im Verkauf zwei Arten von Kundenveranstaltungen existieren. Kundige Unternehmen bieten die Roadshow, die den Kunden begeistert und mitnimmt. Wer mit Technikschulungen verkaufen will, hat das Prinzip Verkauf nicht verstanden: Der Kunde muss sich das Produkt selbst verkaufen. Dazu benötigt er überzeugende Informationen, im richtigen Kontext mit einfachen Vergleichen.
Clevere Verkäufer besprechen nach dem Interesse des Kunden sofort das Budget oder die Finanzierung. Wer einen Kunden gewinnen möchte, der bereits beim Wettbewerber kauft, wird mit den Preisen des Wettbewerbers verglichen. Wenn der neue Anbieter teurer ist, dann muss er eine im Preise enthaltene Mehrleistung anbieten, die den geforderten Mehrpreis überkompensiert. Wer seine Kunden vergrault, hat in der mitten in der Konsolidierung steckenden PV-Branche schlechte Karten. Marketingmanager und Verkäufer werden mit darüber entscheiden, welche Unternehmen überleben und welche untergehen.