Geht es um Inspektionen oder Mängelbehebung, ist eine ordentliche Dokumentation die halbe Miete. Doch leichter gesagt als getan. Selbst wenn vor Ort auf dem Dach oder in der Freiflächenanlage fleißig notiert und fotografiert wird, bedeutet es einen immensen Aufwand, die Ergebnisse am Schreibtisch in ein lückenloses Protokoll zu übertragen. Und nicht selten passiert es, dass ein Foto nicht mehr genau zugeordnet werden kann, Notizen lückenhaft sind oder sich beim Übertragen einfach mal ein Fehler einschleicht.
90 Prozent Zeitersparnis
Hinzu kommt, dass dieser letzte, aber so wichtige Arbeitsschritt des Dokumentierens bei vielen Technikern eher unbeliebt ist. Und nach einem ganzen Tag auf der Anlage, womöglich noch mit langen Anfahrtszeiten, bedeutet es einige Überwindung, sich am Abend an den Rechner zu setzen, um ein Protokoll zu erstellen. Dann doch lieber morgen, mit frischem Kopf – oder eben auch noch später und mit eventuell größeren Lücken oder Ungenauigkeiten.
Die mobile Softwarelösung Tabtool schafft hier Abhilfe. Schluss mit Zettelwirtschaft und Foto-Wirrwarr. Stattdessen werden direkt an der Anlage alle dem Auftrag entsprechenden Arbeitsschritte in einem standardisierten Protokoll dokumentiert, Fotos passend abgelegt und im Büro lediglich noch einmal gegengecheckt und an den Kunden versendet oder in Reparaturaufträgen weiterverarbeitet. Von 90 Prozent Zeitersparnis sprechen die Entwickler des Produkts. Hervorgegangen ist die Firma Tabtool mit dem gleichnamigen Produkt zum einen aus einer Softwareschmiede, mit deren Software unter anderem Airbus seit vielen Jahren Flugzeugbauteile zur Qualitätssicherung dokumentiert. Die anderen Gründerväter kommen von Greentech, einem der größten unabhängigen Betriebsführer für Photovoltaikanlagen. Der Erfahrungsschatz von Greentech bei der Betriebsführung und Inspektion diente als Grundstock für die Entwicklung von Standardprotokollen und Checklisten, die bei der Begutachtung von Anlagen unabdingbar sind. Vertriebsleiter Jörn Carstensen beschreibt die Motive von Greentech bei dieser Zusammenarbeit: „Wir haben uns gefreut, an dieser Entwicklungskooperation teilzuhaben. Denn wir haben in der technischen Betriebsführung erfahren, wie schlecht die Berichte sind, die aus dem Feld kommen. Verständlich, Techniker sind keine Schriftsteller.“ Bei Rückkehr nach vier Tagen Außeneinsatz mit unzähligen handschriftlichen Notizen und einer Unmenge Fotos im Gepäck bereitet die Berichterstellung nahezu physische Schmerzen. Und manches kriegt man oft einfach gar nicht mehr sauber hin, zum Beispiel ob das Bild jetzt von dem oder dem Generatoranschlusskasten stammt, ist nicht mehr eindeutig nachvollziehbar.
Entstanden ist aus der Zusammenarbeit eine Softwarelösung, die mobil einsetzbar ist, dem Techniker vor Ort ein praktisches Hilfsmittel für alle Dokumentationsaufgaben bietet und am Ende die gesammelten Informationen strukturiert aufbereitet in Berichten zusammenfasst. Anders ausgedrückt: Das Werkzeug könnte als ins Feld verlängerter Arm des im Büro befindlichen Datenbestands zu einer Anlage betrachtet werden.
Cloudbasierte Datenspeicherung
Die Architektur besteht aus einer Datenbank, in der alle Daten gesammelt und gespeichert werden. Die Datenbank liegt physisch auf Servern der Firma Tabtool. Über eine Cloud werden die Daten für die mobile Anwendung verfügbar gemacht, parallel hat der Kunde eine serverbasierte Tabtool-Variante im Büro. Die cloudbasierte Lösung bietet sowohl dem Techniker vor Ort als auch dem Bearbeiter im Büro die Möglichkeit, auf diese Daten zurückzugreifen, sie mit aktuellen Angaben zu bereichern und zu bearbeiten. Über ein rollenbasiertes Rechtesystem kann jeweils derjenige Projekte, Ordner, Akten bearbeiten, der dies auch soll und darf. Es ist also möglich, dass Techniker über Tabtool Zugriff auf Projektdaten verschiedener Kunden haben, aber auch jeweils nur die Akten sehen, die für sie relevant sind.
In Akten werden diverse Informationen zusammengefasst. Neben Notizen in Datenfeldern können Dateien und Bilder abgelegt werden. Einfache Vorgänge, wie zum Beispiel die lapidare Aussage „keine sichtbaren Mängel“, können per Checkbox vermerkt werden. So wird nichts vergessen. Überhaupt sind die Checklisten ein wichtiges Gerüst. Sollen zum Beispiel Verkabelungen geprüft werden, muss der Inspekteur tatsächlich für jede zu prüfende Komponente ein entsprechendes Häkchen setzen, zum Beispiel „nicht geprüft“, „in Ordnung“ oder „Mangel“. Wurde ein loses Kabel befestigt, kann das ebenfalls vermerkt werden und besteht Handlungsbedarf, wird dieser in einem dazugehörigen Freitextfeld kurz beschrieben.
Schnell alle Hinweise zur Hand
Außerdem können Akten Querverweise auf andere Akten enthalten. So sind zum Beispiel über den Kontakt der Prüfperson und entsprechende Querverweise alle von dieser Prüfperson erstellten Reports abrufbar. Über grafische Elemente, zum Beispiel ein grünes Häkchen, wird der Status einer Akte gekennzeichnet, dieser Status wirkt sich auf die übergeordnete Akte in einer Hierarchie aus. Selbst wenn man von ganz oben ins System einsteigt, ist damit sofort sichtbar, in welchen Projekten noch Arbeitsschritte ausstehen. Akten mit einer Frist tauchen in einer zentralen Übersicht auf, solange ihr Status nicht grün ist. Auch Termine können zu Akten gepflegt und in einer zentralen Terminübersicht eingesehen werden.
In Tabtool lässt sich die komplette technische Hierarchie der betreuten Anlage abbilden. Damit haben Mitarbeiter vor Ort alle Informationen zur Hand. Noch hilfreicher ist es, wenn technische Datenblätter, Betriebsanleitungen oder Fotos von früheren Einsätzen gleich mit abgelegt sind. Das ist vor allem bei längerfristigen Engagements sinnvoll, da so eine vollständige Historie zu Wartungen, Instandsetzungen oder auch gefundenen Fehlern der Anlage entsteht. Gerade im Gewährleistungsfall hat man dann schnell alle Vorgänge zur Hand. Ist die komplette Erfassung einer Anlage wegen ihrer Komplexität oder aus Zeitgründen nicht sinnvoll, können einzelne Komponenten auch nur nach Bedarf aufgenommen und damit die Anlagendokumentation schrittweise erarbeitet werden.
Bei der ersten Befüllung können vorhandene Anlagendaten aus Excel in Tabtool importiert werden. Ansonsten ist es grundsätzlich möglich, Tabtool über Schnittstellen an die meisten verwendeten Systeme anzudocken. Da diese Systeme und damit auch die Datenstrukturen sich von Firma zu Firma doch meist sehr unterscheiden, werden solche Schnittstellen nach Beauftragung entwickelt.
Komponente markieren und finden
Werden bei der Inspektion Mängel gefunden, kann direkt vor Ort ein Instandsetzungsauftrag erstellt und mit dem Mangel verknüpft werden. Der nächste Techniker hat dann alle zum Mangel vorhandenen Informationen zur Hand und kann seine Arbeit direkt in Tabtool weiter dokumentieren. Mithilfe von Pins kann die Position von Mängeln auf vorhandenen Plänen markiert werden.
Damit haben Mitarbeiter vor Ort den Überblick, wo sich zu behebende Mängel auf der Anlage befinden. Das spart Zeit und Wege. Hat ein Servicemitarbeiter den Auftrag, den Wechselrichter an einer Anlage auszutauschen, wird das entsprechende Hersteller-Manual hochgeladen, die Position des Wechselrichters in der Anlage markiert – der Techniker hat einen konkreten Auftrag und alles Notwendige griffbereit. Mit dem Wechselrichter sind weitere Komponenten verknüpft: Hauptverteilung, Generatoranschlusskästen, Unterverteilungen, Stränge. Tauscht der Techniker den Wechselrichter, trägt er natürlich sofort auch die neue Seriennummer im System ein. Der Auftrag ist erledigt, die Dokumentation nach Gegencheck und Plausibilitätskontrolle druckreif, im Übersichtsmodus gibt es ein rotes Kreuz weniger.
Ein nützliches Feature gibt es für Fotos. Vor Ort mit dem Tablet aufgenommene Bilder können bearbeitet, zum Beispiel Details mit Pfeilen oder Kringeln herausgehoben werden. Auch Sprachnotizen kann der Servicemitarbeiter aufnehmen und ablegen. Im Büro stehen diese dann an der richtigen Stelle zur Verfügung und können nach Bedarf verschriftlicht werden.
On- und offline arbeiten
Durch die Synchronisation mit dem Server stehen alle Daten zeitnah im Büro zur Verfügung. Nach eventuell notwendigen Korrekturen oder Ergänzungen und nach der Auswahl der Bilder erzeugt Tabtool das fertige Dokument zur Ablage oder zum Versand an den Auftraggeber oder Kunden. Den Status seiner betreuten Anlagen hat der Benutzer über verschiedene Listen im Blick. Alle vorhandenen Mängel, der Status von einzelnen Komponenten oder die offenen Arbeitsaufträge pro Mitarbeiter sind sichtbar. Konfigurierbare Filterfunktionen sorgen dafür, dass nur die Informationen angezeigt werden, die für sinnvoll erachtet werden.
Die Tablet-Anwendung steht auch offline zur Verfügung, also auch in einem Keller mit schlechtem Empfang. Vorausgesetzt, die Daten wurden vorher synchronisiert. Idealerweise arbeitet der Techniker vor Ort mit einem Tablet; die Anwendung existiert sowohl für iOS- als auch für Android-Geräte. Aber auch ein Smartphone kann auf Tabtool zugreifen. Dort ist die Darstellung allerdings einspaltig und damit nicht ganz so komfortabel. Für eine echte Inspektion ist das weniger geeignet, aber um schnell etwas nachzuschauen, durchaus nützlich.
Gegenwärtig arbeiten die Softwareentwickler bei Tabtool vor allem an der Weiterentwicklung für gutachterliche Tätigkeiten in der Solarbranche. Außerdem soll schon bald die GPS-Position zur Verortung eines Mangels erfasst und automatisch mit abgelegt werden.
Grundgerüst basiert auf Erfahrungsschatz
Das Lizenzmodell von Tabtool basiert auf einem monatlichen Grundpreis. Los geht es mit einer Einzellizenz für 29 Euro und einem Gigabyte Speicherplatz. Die Small-Business-Variante kostet 79 Euro und enthält drei Lizenzen, die Corporate-Variante gibt es ab 299 Euro monatlich. Sie enthält zehn Lizenzen und zwei Gigabyte Speicherplatz pro User. Ab dieser Lizenzvariante sind auch individuelle Konfigurationen möglich, die individuelle Template-Erstellung wird in Projektarbeit nach Beauftragung erstellt.
Der Prototyp der Software wurde 2014 vorgestellt, seit 2015 ist sie regulär in Betrieb. Zielgruppe waren und sind vor allem Betriebsführer. „Denen bietet Tabtool echten Mehrwert“, bestätigt Carstensen. Im letzten Jahr wurden rund 90 Anlagen mit insgesamt 450 Megawatt Leistung im Bereich Betriebsführung und Wartung mit Tabtool betreut und zusätzlich für über 100 Anlagen Gutachten durchgeführt. Anlagenhierarchie, Dokumentationsschritte und Templates für Aufträge und Inspektionsabläufe wurden von Greentech maßgeblich mit entwickelt. Sie entstammen der Best Practice des Betriebsführers. Welche Prüfpunkte zu erledigen sind, welche Routinen abgearbeitet werden sollen – das Grundgerüst existiert, lässt sich aber natürlich erweitern und individuell anpassen.
Techniker freuen sich über weniger Schreibtischarbeit
Da Greentech einen Teil seiner Serviceaufträge über Adler Solar ausführen lässt, gehörten die Mitarbeiter von Adler Solar zu den Benutzern der ersten Stunde vor knapp einem Jahr. „Anhand der seitdem gesammelten Erfahrungen konnten wir das Tool weiter optimieren“, berichtet Ronny Hager, Leiter des Technical Field Services von Adler Solar. So wurden zum Beispiel die Aufträge nach Baugruppen strukturiert.
„Während wir früher alles handschriftlich festhalten mussten, können wir heute jeden Fehler vor Ort in Echtzeit digital dokumentieren. Zwar ist der Einsatz im Feld etwas zeitaufwendiger – alle Punkte müssen per Klick vermerkt werden –, aber der Aufwand lohnt sich. Die Stunden, die wir früher nach der eigentlichen Arbeit am Schreibtisch verbracht haben, entfallen komplett“, so das Urteil des Technikers. Sein Kollege Manuel Reichwald, technischer Betriebsleiter bei Adler Solar, fügt hinzu: „Ein weiteres Plus ist für mich, dass es wesentlich leichter ist, mit mehreren Kollegen an einem Auftrag zu arbeiten – diverse Aufzeichnungen auf Papier zusammenzuführen kostet dagegen viel Zeit.“
Lars Petzold, Projektleiter bei Solar Frontier, nutzt Tabtool vor allem in der Bauphase von Solarparks zur Dokumentation des Baufortschritts. Allerdings hat er sich dafür einen eigenen Auftrag kreieren lassen, der nicht so umfangreich ist wie eine Inspektion. Petzold hat innerhalb von zwei Stunden 200 Bilder fotografiert und mit Bemerkungen abgespeichert. „Dabei finde ich die Markierungsmöglichkeiten für Fotos besonders praktisch“, sagt er. Aber auch für ihn liegt der Clou des Werkzeugs darin, dass es den Dokumentationsaufwand deutlich verringert. Darüber hinaus kann er sich noch viele weitere lohnenswerte Anwendungen vorstellen, genauso wie Dirk Brockmeyer von Tabtool: „Wer einmal den Vorteil dieses Werkzeuges für sich entdeckt hat, will es auch für andere Zwecke verwenden.“