Wie steht es derzeit um den Diebstahl von Solarkomponenten?
Lasse Nieswitz: Mit jetzt fast 15 Jahren Erfahrung im Solaranlagenbau kann ich sagen, dass Diebstahl wie in der gesamten Baubranche definitiv ein Thema ist. Bei uns als EPC-Unternehmen spielt das vor allem in der Bauphase eine Rolle. Später für den Anlagenbetreiber ist Diebstahl aber auch nach der Inbetriebnahme der Photovoltaikanlage von Bedeutung.
Wie gehen Sie mit dem Thema Diebstahl in der Bauphase um?
Es geht hier darum, die Hürden für die Diebe zu erhöhen, angelieferte Komponenten über Nacht zu entwenden und im Falle eines Diebstahls den Schaden so gering wie möglich zu halten. Daher errichten wir zunächst einen Zaun um die Baustelle, noch bevor mit dem Bau der Solaranlage begonnen wird. Darüber hinaus können weitere Maßnahmen sinnvoll sein, wie die Installation eines Videoüberwachungssystems oder der Einsatz von Security-Personal.
Wie sichern Sie die Baustelle konkret ab? Schließlich gibt es da keinen Strom für den Betrieb eines Kamerasystems.
Das hängt vom Projekt ab. In allen Fällen setzen wir auf Sicherheitssysteme mit autarker Stromversorgung, etwa Videoüberwachungsanlagen (CCTV) wie zum Beispiel Bauwatch. Diese Systeme werden unabhängig vom Stromnetz betrieben – beispielsweise durch Wasserstofftechnologie, kompakte Dieselgeneratoren oder Solarmodule mit Batterien.
Es gibt Regionen, in denen die Solarparks nicht eingezäunt werden dürfen, wie beispielsweise in Österreich. Was machen Sie dann?
Wir haben eine Anlage im Osten von Österreich unweit der Grenze zu Ungarn. Dort durften wir tatsächlich keinen Zaun bauen. Dennoch setzen wir auf die gleichen Sicherheitsmaßnahmen wie bei eingezäunten Projekten. Dazu gehört die Installation eines Videoüberwachungssystems, um die Anlage rund um die Uhr im Blick zu behalten. Während der Bauphase wurden Baumaterialien und elektrische Komponenten sicher verwahrt – entweder in Containern oder innerhalb eines gesicherten Bauzauns. In diesem speziellen Fall war zudem die erhöhte Polizeipräsenz in der Grenzregion ein weiterer Schutzfaktor.
Das gilt ja auch für Agri-PV-Anlagen. Sie müssen für den Landwirt erreichbar sein, und ein Zaun stört in diesen Fällen. Wie werden die Anlagen geschützt? Haben Sie schon Erfahrungen, ob die Anforderungen der Versicherungen da niedriger sind?
Heute sind Trackeranlagen mit Zäunen noch möglich, aber in Zukunft werden wir vermehrt Agri-PV-Anlagen ohne Zäune sehen. Hier integrieren wir Kamerasysteme, die das Gelände effektiv sichern und gleichzeitig den Landwirten freien Zugang ermöglichen. Ein Zaun ist letztlich nur ein physisches Hindernis – das Übertreten führt zwar rechtlich zum Hausfriedensbruch, schützt jedoch nicht unbedingt besser als eine gut geplante elektronische Überwachung.
Wie muss ein solcher Zaun aussehen, damit er zumindest ein wenig hilft?
Während der Bauzeit sichern wir größere Materialien, die nicht in Containern gelagert werden, durch verschraubte Bauzäune. Dieser Bereich wird zusätzlich mit Kamerasystemen überwacht. Die Solaranlage selbst wird nach der Bauphase in der Regel durch einen Stahlgitterzaun oder Maschendrahtzaun mit Übersteigschutz umbaut. Ein Unterkriechschutz ist oft aufgrund von ökologischen Vorgaben nicht realisierbar.
Wo lauern denn noch Gefahren?
Diebstähle beschränken sich nicht nur auf die Baustelle selbst, sondern können auch entlang der gesamten Lieferkette auftreten. Ein bekanntes Beispiel dafür ist ein Vorfall, bei dem Module in ein Lagerhaus geliefert wurden, das anschließend versucht hat, diese eigenmächtig weiterzuverkaufen.
Wie sinnvoll ist eine Kameraüberwachung?
In der Bauphase ist eine Kameraüberwachung unerlässlich, um die Anlage zu sichern und den Versicherungsschutz zu gewährleisten. Während des Betriebs sieht die Situation anders aus: Hier sind die Anforderungen der Versicherung entscheidend. Oftmals sind die Materialien, die gestohlen werden könnten, so kostengünstig, dass es wirtschaftlicher ist, den Verlust auszugleichen. Wenn die Installation eines Überwachungssystems beispielsweise 100.000 Euro kosten würde, müssten schon erhebliche Diebstähle vorkommen, damit sich diese Investition, einschließlich der laufenden Betriebskosten, tatsächlich lohnt. Am Ende muss die Maßnahme in einem sinnvollen Verhältnis zum Risiko stehen. Sollte die Versicherung jedoch eine Kameraüberwachung als Voraussetzung für den Abschluss der Police verlangen, bleibt dem Betreiber oft keine andere Wahl, als diese einzurichten.
Welche Schäden kommen dann noch bei einem Diebstahl hinzu?
Ein Diebstahl verursacht nicht nur den direkten Verlust von Materialien, sondern zieht weitere Schäden nach sich. Auf Baustellen führen solche Vorfälle oft zu Verzögerungen und Stillstandszeiten, die zusätzliche Kosten und erheblichen organisatorischen Aufwand mit sich bringen. Im Betrieb ist der eigentliche Wert der gestohlenen Gegenstände oft geringer als der Aufwand, den Ersatz zu organisieren und die Anlage wieder betriebsbereit zu machen. In manchen Fällen kann dies sogar zu temporären Ertragsausfällen führen, was die wirtschaftlichen Auswirkungen des Diebstahls verstärkt.
Welche Maßnahmen gegen Diebstahl gibt es noch? Ich denke da an Kennzeichnungen der Module.
Es gibt verschiedene Sicherheitslösungen, darunter spezielle Kennzeichnungen der Module mit Labels oder künstlicher DNA. Der entscheidende Faktor hierbei ist oft, ob die Versicherung solche Maßnahmen vorschreibt. Ein besonders effektives System, mit dem ich gute Erfahrungen gemacht habe, ist das GPS-Tracking-System von Viamon. Es misst Erschütterungen, löst bei verdächtigen Aktivitäten einen Alarm aus und ermöglicht es, gestohlene Module zu verfolgen – was letztlich hilft, die Diebe zu fassen. Wichtig ist: Alles, was die Diebe Zeit kostet, erhöht den Diebstahlschutz. Deshalb setzen wir auf schwer lösbare Verbindungen zwischen den Modulen und der Unterkonstruktion. Auch das Solarparkdesign kann Diebstähle erschweren.
Welche Möglichkeiten haben Sie da?
Eine wichtige Maßnahme ist, die Baustraßen innerhalb des Solarparks so zu gestalten, dass der Zugang erschwert wird. Wir minimieren die Anzahl der Wege und sorgen dafür, dass Diebe größere Distanzen auch ohne Fahrzeug zurücklegen müssten, um an die wertvollen Komponenten zu gelangen. Diese Erschwernis macht den Diebstahl zeitaufwendiger und somit unattraktiver. Im Engineering-Prozess berücksichtigen wir außerdem die Platzierung der Wechselrichter, die Verschraubung von Komponenten sowie die strategische Positionierung von Kamerasystemen an entscheidenden Stellen.
Welche Komponenten sind denn da am meisten gefährdet? Lohnen sich die Module bei den derzeitigen Preisen für die Diebe noch?
Derzeit ist Kabeldiebstahl ein Problem. Kupfer ist teuer und für Diebe sehr attraktiv. Aber die meisten Kabel sind inzwischen ohnehin aus Aluminium. Wir hatten allerdings einen Fall bei einer Anlage in der Nähe von Berlin, hier wurden uns während der Bauphase ganze Kabeltrommeln gestohlen.
Was ist dann passiert?
Die Polizei konnte die Diebe fassen und den Transporter sicherstellen. Dank der Seriennummer der Kabel, die in diesem Fall auch wie eine Art künstliche DNA wirkt, war es möglich, die gestohlenen Teile zu uns zurückzuverfolgen.
Nach welchen Kriterien planen Sie einen Diebstahlschutz?
Der Diebstahlschutz wird maßgeblich nach den Vorgaben der Versicherung sowie den Anforderungen der Baugenehmigung und der Integration von Sicherheitskameras geplant. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, eine Sicherheitsanalyse von einer Fachfirma durchführen zu lassen, um den Schutz weiter zu optimieren.
Ein gängiger Diebstahlschutz ist ein Kamerasystem. Das ist – inklusive der Aufschaltung auf eine Alarmzentrale – nicht günstig. Gibt es Möglichkeiten, dies preiswerter hinzubekommen, etwa mit Kameraattrappen?
Natürlich ist die Kameraüberwachung eine Frage der Wirtschaftlichkeit. Es kommt immer darauf an, wie gut der Solarpark gepflegt wird. Wenn in den ersten zwei Jahren keine Vorfälle auftreten, kann es verlockend sein, an den Sicherheitskosten zu sparen. Dennoch bleibt ein Kamerasystem die sicherste Lösung, um den Diebstahlschutz langfristig zu gewährleisten.
Wie viele Kosten muss man denn für den Diebstahlschutz einplanen?
Die Kosten für den Diebstahlschutz hängen stark vom jeweiligen Projekt und den spezifischen Sicherheitsanforderungen ab. Sie variieren auch je nachdem, ob ein Kamerasystem von Anfang an eingeplant wird oder später nachgerüstet werden muss. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Nutzung bereits geöffneter Kabelgräben für die Installation von Kamerasystemen, anstatt später neue Gräben ausheben zu müssen, was zusätzliche Kosten verursachen würde.
Müssen zwingend Kabel verlegt werden?
Ich bin skeptisch bei Funkverbindungen. Denn diese können relativ einfach gestört werden. Am besten ist es, wenn nicht nur die Kameras innerhalb des Solarparks ihre Daten über Kabel übertragen, sondern die Anlage auch über ein erdverlegtes Kabel an die Notrufzentrale angebunden ist. Inzwischen sind aber auch die Mobilfunknetze oder Satellitenverbindungen relativ sicher.
Ist die Diebstahlversicherung eine extra Versicherung?
Während des Betriebs ist die Diebstahlversicherung in der Regel in der Betreiberversicherung enthalten. Für die Bauphase hingegen haben wir eine spezielle Baustellenversicherung, die den Diebstahlschutz bereits einschließt. Auf unseren Baustellen übergeben wir das Material oft an Subunternehmer, die ab diesem Zeitpunkt für dessen Sicherheit und Schutz verantwortlich sind.
Das Gespräch führte Sven Ullrich.