Die europäischen Rohstoffvorkommen sind so weit erschöpft, dass der vorhandene Bedarf kaum gedeckt werden kann. Die meisten der von der deutschen Industrie benötigten Rohstoffe werden importiert. Weltweit werden Ressourcen immer knapper und teurer. Der effiziente Umgang mit Rohstoffen ist daher nicht nur für den Umweltschutz erstrebenswert. Er ist ein Gebot der Ökonomie, entscheidend für den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit.
Photovoltaikanlagen benötigen wertvolle Rohstoffe wie Indium, Kupfer, Silber und Silizium. Viele Materialien wie Glas und Aluminium sind sehr gut verwertbar und das Recycling wirtschaftlich sinnvoll. Aber auch für ihre potenziell gefährlichen Bestandteile wie Quecksilber und Blei ist ein hochwertiges Recycling für den Umweltschutz und die Gesundheit wichtig.
Ein Berg von 10.000 Tonnen
Schon 15 Jahre nach Inkrafttreten des EEG verlieren die ersten Solarmodule ihre Haltbarkeit. Die meisten Produkte haben Garantien von etwa 20 Jahren. In naher Zukunft könnten daher bis zu 10.000 Tonnen ausgedienter Module im Jahr anfallen. Es ist wichtig, ein angemessenes Entsorgungssystem zu etablieren, bevor es bei der ersten größeren Welle von ausrangierten Modulen zu Problemen kommt.
Ohne fachgerechte Entsorgung landen sie auf der Müllkippe oder werden illegal in Entwicklungsländer exportiert, wo Menschen oft ohne Schutz und unter höchstem Gesundheitsrisiko versuchen, die Rohstoffe zu verwerten.
Bis zu 95 Prozent verwertbar
Die technischen Möglichkeiten der Erfassung und Wiederaufbereitung sind so weit fortgeschritten, dass Photovoltaikmodule bis zu 95 Prozent wiederverwertet werden können. Dazu bedarf es allerdings eines Produktdesigns, welches das Recycling erleichtert. Es bedarf entsprechender Servicedienstleister, die das Recycling organisieren, sowie eines funktionierenden Systems zur Sammlung und Entsorgung, inklusive des sinnvollen Rechtsrahmens.
Für andere Abfallströme hat sich das Prinzip der Herstellerverantwortung bewährt. Sie verpflichtet in Deutschland bereits seit 1991 Hersteller und Inverkehrbringer von Verpackungen zur Rücknahme und Entsorgung.
Dieses Konzept wurde zum Vorreiter in Europa. Die Europäische Union hat 2003 mit der Richtlinie für elektrische Altgeräte (WEEE: Waste of Electrical and Electronic Equipment) die Rücknahme und Entsorgung auch für elektrische und elektronische Altgeräte verpflichtend gemacht.
Deutschland hat diese Richtlinie im Jahr 2005 mit dem Elektro- und Elektronikaltgerätegesetz (ElektroG) umgesetzt. Seitdem müssen Hersteller ihre auf den Markt gebrachten Geräte registrieren. Gemeinsam finanzieren sie die Sammlung und Wiederverwertung von Altgeräten.
Neue Pflichten für die Solarindustrie
Mit der Novellierung der WEEE-Richtlinie im Jahr 2012 werden hierzu auch Inverkehrbringer von Solarmodulen verpflichtet.
Die Bundesregierung hat die Umsetzungsfrist vom Februar 2014 längst verpasst, in den meisten anderen EU-Ländern wurde die Richtlinie bereits umgesetzt. Im März 2015 hat das Bundeskabinett endlich den Vorschlag von Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) zur Novellierung des ElektroG beschlossen, um die WEEE-Richtlinie von 2012 umzusetzen.
Gesetz kommt bis Jahresende
Um die Menge von Altgeräten zu steigern, die ordnungsgemäß und umweltschonend entsorgt werden, legt das Gesetz neue Entsorgungsquoten fest. Ab 2016 soll für Elektrogeräte (inklusive Solarmodulen) eine Sammelquote von 45 Prozent und ab 2019 eine Quote von 65 Prozent gelten, bezogen auf die jeweils im Durchschnitt der drei Vorjahre in Verkehr gebrachten Neugeräte.
Das Gesetz wird voraussichtlich Ende dieses Jahres in Kraft treten. Drei Monate später werden auch die Produzenten von Solarpaneelen in die Pflicht genommen. Solarmodule erhalten neben elektronischen Haushaltsgeräten, Kühlschränken, Leuchten und anderen Elektrogeräten eine eigene Sammelgruppe. Doch was genau bedeutet das, wen betrifft die Verpflichtung? Wie kann man sich vorbereiten?
Betroffen von den Neuerungen sind Hersteller, die eigene Photovoltaikmodule in Deutschland verkaufen, sowie alle Händler, Importeure, Wiederverkäufer, ebenso Internet- und Versandhändler – also alle, die in Deutschland Solarmodule auf den Markt bringen.
Rücknahme ohne Grenzen
Die Pflichten sind umfangreich: Die Industrie muss die Rücknahme und Entsorgung der Module selbst organisieren und finanzieren. Hierzu muss sie eine finanzielle Garantie sicherstellen. Die Hersteller müssen ihr Unternehmen bei der Stiftung Elektroaltgeräte-Register (EAR) registrieren und ihre pro Jahr verkauften Modulmengen regelmäßig melden.
Elektroschrott wird von den Entsorgern nach verschiedenen Kategorien sortiert gesammelt und zur Abholung durch den Hersteller bereitgestellt. Für Solarmodule bedeutet das: Hersteller oder deren Bevollmächtigte müssen speziell genormte Sammelcontainer unentgeltlich zur Verfügung stellen.
Hinzu kommen die Produktkennzeichnung sowie die Information der Entsorger und der Endkunden über die Bestandteile des Produkts und die fachgerechte Verbringung.
Darüber hinaus darf man nicht vergessen, dass beim Abbau einer ausrangierten Solaranlage nicht nur das Modul selbst, sondern alle anderen Komponenten erfasst werden müssen. Die Rücknahme und Entsorgung etwa von Solarstrombatterien ist bereits seit 2009 Pflicht unter dem Batteriegesetz.
Dienstleister einbinden
Die Erfüllung der umfassenden gesetzlichen Verpflichtungen in Eigenregie stellt für viele Hersteller neben dem Kerngeschäft eine kaum zu bewältigende Aufgabe dar.
Anstatt enormen Personalaufwand in die Registrierungs- und Berichtspflichten zu stecken oder gar ein eigenes Recyclingsystem aufzubauen, werden sich die meisten Unternehmen einfach an einem zugelassenen Entsorgungs- und Recyclingsystem beteiligen. Sie beauftragen einen geeigneten Dienstleiter mit der Rücknahme und dem Recycling ihrer Module. Jede Firma kann einen Dienstleister ihrer Wahl vertraglich zur Abwicklung ihrer Pflichten aus der WEEE-Richtlinie bevollmächtigen.
Ein Dienstleister, der für seine Mitglieder als Komplettanbieter die Rücknahme von Solarmodulen, Wechselrichtern, Batterien und anderen Komponenten in ganz Europa übernimmt, ist die European Recycling Platform (ERP). ERP ist eine Tochter der Landbell AG und wurde bereits im Jahr 2002 von der Elektroindustrie gegründet. Damals ging es darum, die erste WEEE-Richtlinie umzusetzen und die Produkterfassung und Wiederverwertung für die Hersteller zu organisieren. Seitdem sind andere Abfallströme wie Altbatterien und Verpackungen hinzugekommen.
Mehr als 2.500 Mitglieder finanzieren das System und übertragen ihm die gesetzliche Verpflichtung. ERP unterhält zurzeit 30 Rücknahmesysteme in 14 EU-Ländern sowie in Norwegen, Israel und der Türkei. Das Netzwerk bietet eine rechtssichere Komplettlösung unter Berücksichtigung der örtlichen Vorschriften auch für grenzüberschreitend tätige Unternehmen.
Höchste Zeit zu handeln
Neben der Übernahme der Verpflichtungen aus der WEEE-Richtlinie können sich Solarunternehmen bei der ERP zu den jeweiligen Fristen, Gebühren und Meldungspflichten in den anderen Ländern beraten lassen.
Der Kabinettsbeschluss zur Novellierung des ElektroG war politisch ein großer Fortschritt. Denn bisher wurde die Rücknahme von Solarmodulen durch Hersteller und Vertreiber teilweise auf freiwilliger Basis durchgeführt. Nun wird diese Pflicht gesetzlich verankert, was einen Anstieg der Sammel- und Recyclingquoten zur Folge haben wird.
Dank des Wettbewerbs unter den Entsorgungsdienstleistern wird die Herstellerverantwortung für Solarmodule die gleichen Effekte bringen wie seit Jahren bei der Entsorgung von Verpackungen: kostengünstige Entsorgung ausgedienter Module, Rückführung wertvoller Rohstoffe in den Stoffkreislauf, Sicherstellung gefährlicher Stoffe und Eindämmung der illegalen Verbringung. Davon profitieren am Ende Verbraucher, Unternehmen und die Umwelt.
Mittlerweile liegt die Sache beim Bundesrat, der Bundestag hat die Novelle bereits verabschiedet. Da es bereits eine intensive Debatte und Prüfung durch alle Beteiligten gegeben hat, sind im weiteren Verfahren keine bedeutenden Änderungen am Entwurf zu erwarten. Während für viele Regelungen des Gesetzes ein Übergangszeitraum bis 2018 vorgesehen ist, gilt die Aufnahme von Photovoltaikmodulen bereits drei Monate nach dem Inkrafttreten. Hersteller sollten spätestens jetzt damit beginnen, die Daten, die für die Registrierung benötigt werden, zu sammeln und sich über Möglichkeiten zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Pflichten zu informieren. Mit dem Lesen dieses Artikels ist der erste Schritt getan.
Wechselrichter und Batterien
Für Wechselrichter gilt das ElektroG ebenso, allerdings sind die Stückzahlen ungleich geringer als bei den Photovoltaikmodulen. In jedem Wechselrichter stecken jede Menge wertvoller Bauelemente und Metalle, vor allem Kupfer. Die Demontage und das Recycling sind weitgehend gelöst.
Auch für Batterien gelten seit Längerem genaue Vorschriften zur Rücknahme und zur Verwertung. Derzeit liegt der Schwerpunkt der Mengen bei Autobatterien (Starterbatterien) und Bleibatterien, die beispielsweise als Traktionsbatterien in Gabelstaplern eingesetzt werden. Neue Lithiumspeicher fallen ebenso unter diese Vorschriften.
European Recycling Platform (ERP)
Komplettdienstleister für Solarkomponenten
ERP ist ein europaweit tätiger Dienstleister, der alle elektrischen Komponenten einer Solaranlage entsorgen kann: Module, Verkabelung, Wechselrichter und Stromspeicher (Batterien). Das Ziel von ERP ist die kosteneffektive Umsetzung der WEEE-Richtlinie zum Vorteil der teilnehmenden Unternehmen und deren Kunden. Dies wird durch Strategien für innovatives Abfallmanagement gemäß einer Reihe von Leitsätzen erreicht, die für den Schutz der Verbraucher, der Unternehmen und der Umwelt von Bedeutung sind. Seit Juni 2014 gehört ERP zur Landbell Gruppe aus Mainz.
Der Autor
Jan Patrick Schulz
ist Vorstandsvorsitzender der Landbell AG. Mitte 2013 gründete die Landbell AG aus Mainz die Tochterfirma E-Bell Recycling, um Modulherstellern und Importeuren den kompletten Service für die Rücknahme und Entsorgung ausgedienter Solarmodule zu bieten. Landbell ist seit mehr als zehn Jahren im Recycling von Verpackungsmaterialien und Elektroaltgeräten unterwegs.