Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch

Mehr als sauber

Wartung von Generatoren: Dass Solaranlagen über 20 Jahre wartungsfrei laufen, stimmt nicht. Sie verschmutzen, mehr oder weniger. Nun hat eine Leipziger Firma ein spezielles Gerät entwickelt, um die Reinigung und den Winterdienst zu professionalisieren.

Mit der Selbstreinigung von Solarmodulen ist es wie mit der Selbstheilung eines Patienten: So lange die Wehwehchen nur klein sind mag das funktionieren. Aber meist zeigen die Anlagen nach einer gewissen Zeit spürbare Leistungsverluste. Das ist ein schleichender Prozess, der nicht selten auf die Verschmutzung der Module zurück zu führen ist. „Dass die Anlagen ohne Reinigung durchlaufen, ist ein Mythos“, urteilt Marcus Brand von der Leipziger Firma B+B Solarreinigung. „Die Erfahrung zeigt, dass die Anlagenbetreiber am besten fahren, wenn sie den Aufwand für die Reinigung schon in der Planungsphase einer Anlage einkalkulieren.“
Marcus Brand hat viele Anlagen gesehen, meist große Solarfelder mit mehreren Megawatt Leistung. Er wird gerufen, wenn die Verschmutzung so stark ist, dass der Betreiber die Minderverluste nicht mehr tolerieren, denn dann geht es richtig ans Geld. „Im vergangenen Jahr haben wir rund 200 Megawatt gereinigt, in diesem Jahr werden es rund 400 Megawatt sein“, analysiert er. „Demnächst besichtigen wir einen Solarpark in Italien, der knapp 50 Megawatt leistet. Wir reinigen einmalig bei Spezialfällen oder regelmäßig, je nach Wunsch der Kunden.“ Bis zu 50 Prozent können die Ertragsverluste ansteigen, wenn die Module zu stark verschmutzen. Das zeigen Erfahrungen und Studien.

Mit der Branche gewachsen

B+B Solarreinigung ist 2007 gestartet und mit der Branche gewachsen. Am Anfang stand Überzeugungsarbeit. Heute führt Ines Brand die Geschäfte, ihr Mann kümmert sich um die technische Leitung. Derzeit hat das Unternehmen zehn feste Mitarbeiter und rund 30 Sonderkräfte. Die Teams sind in ganz Europa unterwegs. „Am weitesten entfernt war ein Auftrag in Abu Dhabi“, berichtet Firmenchefin Ines Brand.
Seit der Gründung der Firma sind sechs Jahre vergangen. So lange hat es gedauert, bis ein alter Mythos der Solarbranche verblasst: Die Selbstreinigung der aufgeständerten oder auf dem Schrägdach installierten Module reicht in den meisten Fällen nicht aus, um Mindererträge durch Staub und Verschmutzungen zu verhindern. „Sogar viele Großprojektierer glauben noch daran“, meint Marcus Brand. „Aber bei flach aufgeständerten Modulen und an bestimmten, stark belasteten Standorten verschmutzen die Module sehr schnell. Deshalb geben viele Hersteller bei Aufständerungen von weniger als 15 Grad überhaupt keine Garantie für den Selbstreinigungseffekt.“

Zusätzliche Kosten planen

Aus diesem Grund sind einige Projektierer und Investoren dazu übergegangen, die regelmäßige Reinigung der Module im Sommer und die Schneeräumung im Winter sowohl in die technische Betriebsführung als auch in die Kostenkalkulation aufzunehmen. Über den Daumen lassen sich die Kosten nur schwer peilen, weil der Aufwand zur Reinigung sehr stark von den örtlichen Gegebenheiten und dem Layout der Anlage abhängt. Kleine Generatoren auf dem Dach eines Einfamilienhauses kann der Eigentümer mit einer weichen Bürste und einer Teleskopstange vielleicht selbst reinigen, zumindest theoretisch. Die Modulhersteller schreiben genau vor, welche Parameter und welche Reinigungstechnik laut Reinigungsrichtlinien beachtet werden müssen. Marcus Brand warnt „Die Reinigung ist ein Vorgang, der Garantie und Gewährleistung beeinflussen kann“. Die meisten Anlagenbetreiber wissen überhaupt nicht, dass die Modulhersteller solche Vorgaben zur fachgerechten Reinigung machen. Bei Nichteinhaltung kann die Garantie erlöschen.

Zertifikate der Modulhersteller

Die Leipziger Firma hat sich von verschiedenen Modulherstellern qualifizieren und autorisieren lassen. Es kommt nur entmineralisiertes Wasser zum Einsatz, denn Kalkflecken auf dem Modulglas erhöhen die Verluste, statt sie zu senken. Bei der maschinellen Reinigung läuft niemand über die Module, hier kommt die mit Modulherstellern, Gutachtern und Hochschulen entwickelte Spezialtechnik zum Einsatz. Tellerbürsten laufen an einem langen Schwenkarm über die Modulflächen. „Wir haben drei Jahre Entwicklungsarbeit in die Technik gesteckt“, erläutert Marcus Brand. „In der Standardvariante laufen acht Bürsten über die Module. Andere Bürstenformen wie Walzen haben sich nicht bewährt. Dann werden die Ecken der Module nicht sauber, und es wird zu viel Wasser verbraucht. Außerdem übertragen Walzenbürsten zerstörerische Schwingungen auf die Module. Das ist der Tod für jede Zelle.“ Wer schon einmal mit dem Wagen durch eine Autowaschanlage gefahren ist, weiß, welche Kräfte an der Karosserie wirken. Dort gerät das Fahrzeug durch die langen Walzenbürsten ordentlich ins Schaukeln.

Spezialfahrzeug zum Reinigen von Solarparks

Aufgrund der Nachfrage von Solarparkbetreibern sah sich Marcus Brand nach Reinigungsgeräten um. Schnell erkannte er, dass die verfügbare Technik oft zu Modulschäden führt. Deshalb wurde ein Reinigungsgerät für die Freifläche entwickelt, das flexibel und gefahrlos Module reinigen kann und an verschiedenen Trägerfahrzeugen entsprechend den klimatischen und geographischen Vorgaben eingesetzt wird. Das Anbaugerät wird über einen Schwenkarm in den Standardrahmen des Aufnahmegeschirrs eines Trägerfahrzeuges gehängt. Das dauert keine drei Minuten. Der Wasserverbrauch bei niedriger Verschmutzung beträgt rund 0,5 Liter pro Modul, normal verschmutzte Module brauchen überschlägig rund 0,75 Liter, stark verschmutzte Paneele bis einen Liter Wasser. Das Reinigungswasser wird je nach Kundenwunsch im Kreislauf geführt, um Kosten zu sparen.
Ein 800-Liter-Tank und die Hydraulik gehören ebenfalls zur Technik. „Wir schulen unsere Kunden beim Umgang mit der Technik. Denn für uns macht es keinen Sinn, mit einem Konvoi durch Europa zu fahren“, sagt Ines Brand. Der Ausleger mit den Bürsten ist schwenkbar, damit die Reinigung auf beiden Seiten der Gasse durchgeführt werden kann und Leerfahrten vermieden werden. Ein wesentlicher Kostentreiber sind die Ionenaustauscherpatronen, die den Kalk aus dem Wasser holen. Das Spezialgerät kann ein einziger Fahrzeugführer an das Trägerfahrzeug ankoppeln und bedienen. Marcus Brand, der selbst aus der Landtechnik und der Landschaftspflege kommt, meint: „Man braucht robuste Technologien. Auch kleine Reparaturen muss der Fahrzeugführer vor Ort selbst ausführen können.“

Professionelles Geschäft

Professionelle Reinigung ist bei größeren Solarparks und Aufdachanlagen ein Muss. „Bei Freiflächenanlagen ist es zum Beispiel entscheidend, ob man mit dem Trägerfahrzeug zwischen die Modulreihen fahren kann“, erläutert Marcus Brand. „Auch muss das Fahrzeug am Ende der Reihe wenden können.“ Früher wurden Megawattparks großzügiger ausgelegt und die Modulreihen standen zwischen drei bis sechs Meter weit auseinander, der Abstand zum Zaun war groß genug um mit einem Reinigungsfahrzeug zu wenden.
Heute wird jeder Quadratzentimeter ausgenutzt. Die Gassen sind oft so eng das die  untersten Module auf den Tischen bei tiefer Wintersonne leicht verschatten. Dieser Zustand wird in Kauf genommen, um im Sommer deutlich mehr Sonnenstrom von der Fläche zu ernten. Ein zwei Meter Abstand zum Zaun reichen bei weitem nicht zum wenden aus, also müsste das Reinigungsfahrzeug im Rückwärtsgang zurückstoßen, um in die nächste Reihe zu gelangen. „Der Wenderadius am Gassenende beträgt mindestens vier Meter“, weiß Brand. „Und für unser Spezialfahrzeug brauchen wir mindestens 2,40 Meter Gassenbreite.“ Rechnet man die Stunden für den Traktorfahrer, das Reinigungswasser und seine Aufbereitung zusammen, kostet das Megawatt zwischen 2.000 und 3.500 Euro. Auch die Entfernung von der Wasserquelle ist wichtig, denn der 800-Liter-Tank muss gelegentlich nachgefüllt werden. Dieses Spezialfahrzeug kann unter normalen Bedingungen in zehn Stunden ein bis zwei Megawatt reinigen, je nach Aufständerung und Verschmutzungsgrad. (Heiko Schwarzburger)

Den vollständigen Report lesen Sie im Juliheft der Fachzeitschrift photovoltaik , das am 11. Juli 2013 erscheint.