Am besten lässt sich das Ganze mit einem Besuch beim Optiker oder beim Augenarzt vergleichen. Wenn Sie von Ihrem Stuhl aus auf die Sehtesttafel schauen, erkennen Sie wahrscheinlich noch, dass die kleinste Zeile Buchstaben enthält – doch aus welcher Entfernung können Sie auch noch jeden dieser Buchstaben lesen?
Wenn Ihre Sehkraft 100 Prozent beträgt, können Sie selbst kleinste Buchstaben aus größerer Entfernung deutlich erkennen. In diesem Fall würden 100 Prozent Sehkraft einer Wärmebildkamera mit hoher Auflösung entsprechen. Wenn Ihre Sehkraft nicht perfekt ist, können Sie diese mit Gläsern verbessern oder mit Ihrem Stuhl näher an die Sehtesttafel heranrücken.
Übersetzt für die Anwendung der Wärmebildkamera hieße das, ein anderes Objektiv zu benutzen oder den Abstand zum Ziel zu verringern.
Punktgrößenverhältnis entscheidend
Es ist wichtig, das Punktgrößenverhältnis richtig zu verstehen. Das Punktgrößenverhältnis ist ein Wert, der angibt, aus welcher Entfernung von einem Zielobjekt mit einer bestimmten Größe Sie noch eine präzise Temperaturmessung daran ausführen können.
Um Temperaturmessungen mit höchster Präzision ausführen zu können, müssen Sie so viele Pixel wie möglich vom Detektor Ihrer Wärmebildkamera auf Ihr Zielobjekt richten. Dadurch erhalten Sie ein detailreicheres Wärmebild. Je weiter Sie sich von Ihrem Zielobjekt entfernen, umso schwieriger beziehungsweise unmöglicher wird es, dafür präzise Temperaturmesswerte zu ermitteln. Je größer die Auflösung Ihrer Kamera ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass Sie mehr Pixel aus größerer Entfernung auf Ihr Zielobjekt richten und präzise Messergebnisse dafür erhalten können. Da der Digitalzoom die Präzision nicht verbessert, sind eine höhere Auflösung oder ein schmaleres Sichtfeld hierfür entscheidend.
Den IFOV-Wert berechnen
Angenommen, Sie wollen mit Ihrer Wärmebildkamera aus 15 Metern Entfernung eine präzise Temperaturmessung an einem zwei Zentimeter großen Zielobjekt ausführen: Wie können Sie feststellen, ob dies mit Ihrer Kamera möglich ist?
Sie müssen die technischen Daten durchgehen und das Sichtfeld (FOV) und die Auflösung kennen. In unserem Beispiel nehmen wir an, dass die Auflösung Ihrer Kamera 320 mal 240 Pixel beträgt und Ihr Objektiv ein horizontales Sichtfeld (FOV) von 24 Grad hat.
Zuerst berechnen Sie mit Formel 1 (Kasten) den IFOV-Wert, der in Milliradiant (mrad) angegeben wird. Da Ihr Objektiv ein horizontales Sichtfeld (FOV) von 24 Grad hat, müssen Sie die Zahl 24 durch die horizontale Pixelauflösung der Wärmebildkamera teilen – in diesem Fall 320. Dann multiplizieren Sie diese Zahl mit 17,44, dem Ergebnis aus (3,14/180)(1.000). Nun wissen Sie, dass der IFOV-Wert 1,308 mrad beträgt. Den müssen Sie nun mit Formel 2 in Millimeter umrechnen.
Was sagt dieser Wert aus?
Das Punktgrößenverhältnis beträgt 19,62:15.000. Dieser Wert gibt die messbare Größe eines einzelnen Pixels (ein mal eins) an. Einfacher gesagt, bedeutet das Ergebnis dieser Berechnung, dass Ihre Kamera einen 19,62 Millimeter großen Punkt aus 15 Metern Entfernung messen kann.
Diese Einzel-Pixel-Messung wird theoretisches Punktgrößenverhältnis genannt. Einige Hersteller geben das theoretische Punktgrößenverhältnis in den technischen Daten ihrer Produkte an. Obwohl man dieses für das tatsächliche Punktgrößenverhältnis halten könnte, ist es irreführend, da es Ihnen nicht unbedingt die präzisesten Temperaturmesswerte liefert.
Dies liegt darin begründet, dass es Ihnen lediglich Temperaturmesswerte für einen sehr kleinen Bereich innerhalb eines einzelnen Pixels liefert. Wie bereits erwähnt, wollen Sie jedoch stattdessen stets so viele Pixel wie möglich auf Ihr Zielobjekt richten, um Messwerte mit höchster Präzision zu erhalten. Zwar können auch schon ein oder zwei Pixel ausreichen, um qualitativ zu bestimmen, dass ein Temperaturunterschied vorliegt, jedoch reichen diese nicht aus, um die Durchschnittstemperatur eines bestimmten Bereichs präzise abzubilden.
Eine Messung mit nur einem einzelnen Pixel kann aus verschiedenen Gründen ungenau sein:
- Wärmebildkameras können fehlerhafte Pixel entwickeln.
- Die Zielobjekte reflektieren – dann kann ein Kratzer oder eine Sonnenlichtreflexion einen falsch positiven und einen zu hohen Messwert liefern.
- Ein heißes Objekt – zum Beispiel ein Schraubenkopf – könnte ungefähr genauso breit wie ein Pixel sein; Pixel sind jedoch quadratisch, während ein Schraubenkopf sechseckig ist.
- Optische Systeme sind niemals perfekt – es treten immer gewisse Verzerrungen auf, die sich auf die Messergebnisse auswirken.
Punktgrößenverhältnis hochrechnen
Aufgrund der sogenannten optischen Dispersion kann die von einem sehr kleinen Bereich abgegebene Wärmestrahlung dem Detektorelement nicht genügend Energie für einen korrekten Messwert liefern. Deshalb empfehlen wir sicherzustellen, dass der heiße Bereich, in dem der jeweilige Punktwert gemessen werden soll, mindestens drei mal drei Pixel groß ist. Multiplizieren Sie einfach Ihr theoretisches Punktgrößenverhältnis mit der Zahl drei – dadurch erhalten Sie ein Punktgrößenverhältnis von drei mal drei anstelle von ein mal eins, das Ihnen präzisere Messwerte liefern wird.
Wenn Sie also Ihren IFOV-Wert in Millimeter (19,62) mit drei multiplizieren, erhalten Sie: 58,86. Das heißt, dass Sie einen 58,86 Millimeter großen Punkt aus 15 Metern Entfernung messen können.
Nehmen wir nun an, Sie wollen einen 20 Millimeter großen Punkt messen. Aus welcher Entfernung können Sie einen Punkt mit dieser Größe präzise messen? Dafür müssen Sie die Kreuzmultiplikation wie in Formel 3 beschrieben ausführen.
Mit Ihrer Kamera, die eine Auflösung von 320 mal 240 Pixeln hat, können Sie einen 20 Millimeter großen Punkt aus circa fünf Metern Entfernung präzise messen.
Andere Hersteller geben diese Zahl möglicherweise nicht an, wenn sie auf den IFOV- oder SSR- Wert eingehen, doch in Wahrheit liefert dieser Wert bei einer Anomalie einen präziseren Temperaturmesswert.
Letztlich kommt es immer auf das Punktgrößenverhältnis an, da es zeigt, ob Ihre Wärmebildkamera aus der jeweiligen Entfernung einen präzisen Temperaturmesswert liefern kann. Wenn Sie kleine Zielobjekte aus großen Entfernungen messen müssen, ist es entscheidend, dass Sie das Punktgrößenverhältnis der Kamera kennen und wissen, ob Sie sich innerhalb des Bereichs befinden, in dem Sie präzise Messergebnisse erzielen.
FOV-Rechner online
Wenn Sie eine Wärmebildinspektion planen, sollten Sie vorher bedenken, ob Sie sich dem Zielobjekt weit genug nähern können, um präzise Messwerte zu erhalten. Präzise lässt sich als „gut genug für eine richtige Auslegung“ interpretieren. Die sich daraus ergebende Entfernung muss also nicht einmal innerhalb des in den technischen Daten Ihrer Kamera angegebenen Bereichs für präzise Messwerte liegen. Wenn Sie das Punktgrößenverhältnis nicht beachten, kann Ihnen der Fehler unterlaufen, dass Sie einige Grad oder sogar mehrere Hundert Grad danebenliegen.
Damit Sie die dafür erforderlichen Werte schneller ermitteln können, bietet Flir für jedes seiner Kameramodelle einen FOV-Rechner, den Sie hier finden: flir.custhelp.com. Klicken Sie einfach auf die FLIR-Kamera-Serie, die Sie benutzen, und wählen Sie anschließend das genaue Modell aus. Wenn Sie neben dem richtigen Kameramodell auf „FOV berechn.“ („FOV Calc.“) klicken, wird Ihnen das Punktgrößenverhältnis Ihrer Wärmebildkamera angezeigt.
In Drei Schritten zum Ergebnis
Formel 1: Berechnung des IFOV-Wertes
IFOV = (FOV/Anzahl der horizontalen Pixelauflösung) x [(3,14/180) x (1.000)]
IFOV = (24/320) x 17,44 = 1,308 mrad
Formel 2: IFOV-Wert in Millimeter umrechnen
IFOV (mm)= mrad/1.000 x Entfernung zum Zielobjekt in Millimeter
IFOV (mm): (1,308/1.000) x 15.000 mm = 19,62 mm
Formel 3: Umkehrrechnung
Aus welcher Entfernung kann ich einen 20 Millimeter großen Punkt präzise messen?
Entf = 15.000 x 20/58,86 mm
Entf = 5.096,8 mm oder circa 5,10 Meter
Der Autor
Thomas Jung
führt seit 2011 mit über zehn Jahren Branchenerfahrung in leitender Position das Vertriebsteam der mobilen Infrarotkameras von Flir in Zentraleuropa.