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“DC ist am effizientesten“

Jedes Batteriemodul des My Reserve hat eine Leistung von 800 Watt. Nun haben Sie die neuen Matrix-Speicher, bei denen sich beliebig viele Batteriepacks kombinieren lassen. Welche Auswirkungen hat das auf die Leistung der Speicher?

Andreas Gutsch: Bis zu fünf Batteriepacks werden mit einer Command-Einheit kombiniert, die dann also vier Kilowatt steuert. Denn die Batteriepacks sind in Reihe geschaltet. Demzufolge addieren sich die Spannungen. Jedes Batteriepack hat 50 Volt, fünf ergeben also 250 Volt. Die Ströme bleiben unter 16 Ampere, das war uns wichtig. Die Leistung des Systems wird durch die Anzahl der Batteriemodule skaliert.

Warum wollten Sie die Ströme im System begrenzen?

In der Hausversorgung gelten 16 Ampere als Standard für die Absicherung. Wenn man diese Stromstärke überschreitet, werden die benötigten Kabel, Sicherungen und so weiter sehr viel teurer. Zudem erhöhen höhere Ströme die Verluste im System. Also erhöhen wir die Leistung, indem wir die Spannung erhöhen. Zertifiziert ist der Matrix derzeit für 250 Volt, könnte aber bis 750 Volt aufbringen. Das wären 15 Batteriemodule in Reihe mit insgesamt zwölf Kilowatt Leistung. Ob wir diese technische Möglichkeit eines Tages im Produkt ausschöpfen, werden wir sehen.

Bisher werden Speicher vor allem nach ihrer Kapazität ausgelegt, also den Kilowattstunden, die sie aufnehmen können. Wird ihre Leistung zum Laden und Entladen künftig eine größere Rolle spielen?

Davon gehe ich aus. Mit den sinkenden Speicherpreisen und beispielsweise wachsenden Anforderungen aus der Elektromobilität müssen die stationären Speicher mehr Leistung anbieten. Denn der Kunde will vielleicht sein Elektroauto über Nacht aufladen. Das wird also kommen.

Der My Reserve 800 wird in den Solarstring geschaltet und durch den MPP-Tracker des Wechselrichters angesteuert. Wie viele Strings können Sie mit der Matrix belegen?

Derzeit zwei. Hinterlegt ist jedoch ein Clusterkonzept, sodass wir künftig sogar Multistringanlagen belegen können. Bei zwei Speichern in zwei Strings wirkt ein Speicher als Master, der andere als parallel geschalteter Slave. Je nach Anforderung aus dem Hausnetz teilen sie sich die Energieabgabe auf. Die Steuerung erfolgt nach dem Prinzip der maximalen Lebensdauer. Die Speicher agieren derart, dass die Batterien möglichst wenig altern. Die neuen Geräte sind bereits für die Cluster vorbereitet.

Wann sind mehr als zwei Strings möglich?

Das wollen wir Anfang 2018 einführen. Die Zahl der ansteuerbaren Strings, also der Cluster aus Command-Einheit und einer bestimmten Anzahl von Batteriepacks, wird durch die Länge der Busleitung für die Datenkommunikation begrenzt. Sie darf höchstens 150 Meter lang sein, sonst brauchen wir einen Signalverstärker.

Weil die Speicher im PV-String sitzen und über den MPP-Tracker verwaltet werden, brauchen weder My Reserve noch Matrix einen eigenen Wechselrichter. Klappt das mit allen gängigen Bautypen?

Nach unserer Erfahrung ja, wir hatten bislang noch keine Probleme, auch nicht mit älteren Wechselrichtern. Die einzige Ausnahme ist Solaredge, weil die Wechselrichter mit den DC-Optimierern über Powerline kommunizieren, also über die DC-Leitung von den Modulen zum Eingang des Wechselrichters. Das hochfrequente Signal kommt nicht an den Kondensatoren unseres Speichers vorbei, da entsteht ein Konflikt.

Werden Sie das Problem lösen?

Wir kennen das Problem, und wir werden es zeitnah bewältigen. Wichtig ist, dass unsere Speicher mit den MPP-Trackern der anderen Wechselrichter klarkommen. Bei Solaredge steckt das MPP-Tracking ja im DC-Optimierer am Modul. Denkbar ist beispielsweise ein Bypass für die Kommunikation, dann funktioniert der Speicher auch bei Wechselrichtern von Solaredge.

Solarwatt bleibt konsequent auf der DC-Seite. Warum gehen Sie nicht den Weg vieler Wettbewerber, die sich von DC verabschieden und nun AC-Systeme anbieten?

Weil wir das für den falschen Weg halten. Wir bleiben dabei, dass wir den Solarstrom auf der DC-Seite ernten. Das ist der effizienteste Weg. Bei Multistringsystemen werden wir aber einen AC-Charger brauchen. Den brauchen wir auch, um Brennstoffzellen oder Kleinwindkraft einzubinden, also mehrere Generatoren zu koppeln. Das wird aber nur ein Ladegerät sein, das Entladen wird immer über den Wechselrichter stattfinden. Das reduziert die Komplexität und spart Kosten.

Wie wird der AC-Charger eingebunden?

Mit dem AC-Charger können Stadtwerke und Energieversorger neue Geschäftsmodelle mit unserem Speicher fahren. So können die Speicher bei zu viel Strom im Netz als Puffer fungieren, als Schwarm oder im virtuellen Kraftwerk. Dazu wird der AC-Charger über eine Datenschnittstelle nach IEC 61850 verfügen.

Wie lösen Sie die Netzeinspeisung?

Das könnte der Solarwechselrichter genauso gut und viel kostengünstiger als ein zusätzliches Entladegerät. Die monodirektionale AC-Leistungselektronik ist viel preiswerter als bidirektionale Batteriewechselrichter, die auch einspeisen können. Ein AC-Charger liefe als Stromverbraucher, nicht als Generator ins Netz. Das macht auch die steuerliche Einordnung und viele andere juristische Probleme einfacher.

Möglicherweise hat das Vorteile für das Monitoring des Speichers. Bei AC-Systemen hat man immer das Monitoringportal der Solarwechselrichter und das Portal der Speicheranbieter …

Unser Monitoring läuft über eine App und eine Bluetooth-Schnittstelle, denn über das Monitoring des Wechselrichters ist der Speicher als Gerät faktisch unsichtbar. Er läuft ja im MPP-Tracker mit, wie der Solarstring. Aber generell gebe ich Ihnen recht: Auch das Monitoring wird einfacher, wenn man auf der DC-Seite bleibt.

Wohin geht die Reise bei der Leistungselektronik für die Speicher?

Zum einen sehe ich, dass sich die Kompetenz der Speicherhersteller auf die Elektronik und die Steuerungssoftware konzentriert. Das ist unser USP, den geben wir nicht aus der Hand. Schon heute ist die Software zur Steuerung der Batterie so wichtig, dass sie etwa 50 Prozent der Speicherperformance ausmacht.

Wie meinen Sie das?

Die Software der Speichersteuerung, also des Batteriemanagementsystems, ist für die Regelgeschwindigkeit des Speichers, für die Steuerung der Lastzustände und für die Ermittlung der Daten für den Betriebszustand zuständig. Wir erfassen den sogenannten State of Health nicht über die Kapazität der Zellen, sondern über ihren Innenwiderstand. In jedem Batteriemodul stecken zwölf Zellen, bei denen Sie in Echtzeit den Innenwiderstand bestimmen müssen. Schon heute ist die Summe der Rechenleistung in einem Stromspeicher größer als die Rechnerleistung, die Sie in einem Laptop haben. Unsere Steuerung hat 250.000 Zeilen Quellcode, nur um eine Zahl zu nennen.

Welche Rolle spielt die IT-Sicherheit?

Das steht bei uns ganz oben auf der Prioritätenliste. Wir lassen eine Firmware von Dritten auf unseren Speichern nicht zu. Lediglich die erwähnte Datenschnittstelle im AC-Charger erlaubt es unseren Partnern, den Speicher für ihre Geschäftsmodelle zu nutzen. Um eine neue Firmware aufzuspielen, muss der Installateur mit seinem Handy oder Laptop ans Gerät gehen, um die Bluetooth-Übertragung manuell zu aktivieren. Firmware über das Internet von außen auf die Speicher zu spielen, halte ich für extrem riskant. Niemand kann garantieren, dass die Gateways so sicher sind, dass nicht ein Fremder mit reinschlüpft. Stellen Sie sich vor: Alle Speicher werden mit einem Rundumschlag von Hackern auf Überladung geschaltet. Dann gehen sie zeitgleich hoch.

Die Preise für Lithiumzellen fallen weiter, also spielen die Kosten für die Leistungselektronik eine wachsende Rolle. Wie kommt man dort von den Kosten runter?

Zunächst durch die Massenfertigung von Speichern. Unser Matrix-System ist ein weiterer Schritt in diese Richtung, und die Nachfrage scheint unsere Strategie zu bestätigen. Zum anderen rechne ich mit technischem Fortschritt bei der Ladeelektronik. Es ist sogar möglich, dass sie ganz entbehrlich wird. Wir haben kürzlich ein Patent erworben, mit dem man den Sonnenstrom aus dem String direkt in den Speicher bringt, ohne DC-Steller.

Klingt spannend. Wie kann das funktionieren?

Die Idee ist so einfach und genial, dass man sich beinahe ärgert, nicht selbst darauf gekommen zu sein. Es ist seit Längerem bekannt, dass sich die Kurven von Solarstrings und Lithium-Ionen-Batterien sehr ähneln. Sie passen sehr gut zusammen, auch ohne zwischengeschaltete Spannungsumsetzer. Mit Bleizellen geht das nicht, die haben eine ganz andere Ladecharakteristik. Bei einem weltweiten Auswahlprozess sind wir auf ein interessantes Patent gestoßen, dass diese Idee konsequent umsetzt.

Können Sie die wichtigsten Aussagen des Patents umreißen?

In dem Patent wird der Speicher als Spannungssenke in den Solarstring eingebaut, indem man die Plusleitung der Solarmodule mit dem Pluspol der Batterie verbindet und den Minuspol der Batterie mit dem Pluseingang des Wechselrichters. Bisher verbindet man Batterie-Plus mit Solar-Plus und Minus mit Minus. Die Lösung des Patents bedeutet die Serienschaltung der Batterie in der Plusleitung des Solarstrings. Der Wechselrichter betrachtet die Batterie dann als Senke, in der die Spannung des Solarstrings um die Batteriespannung abgesenkt wird.

Können wir das kurz durchrechnen?

Kein Problem, es ist irre einfach. Wenn 400 Volt aus dem Solarstring kommen und die Batterie mit 100 Volt beladen wird, sieht der Wechselrichter nur noch 300 Volt. Man braucht also keine DC-DC-Steller mehr. Dadurch entfallen die Leistungsverluste durch die Elektronik, wir erreichen einen Ladewirkungsgrad von 99 Prozent. Allerdings hat die Sache einen Haken.

Und der wäre?

Die Entladung. Denn dieser Vorgang wird durch den Strombedarf in der Hausversorgung gesteuert, das ist nicht so trivial wie die Beladung. Steuert man die Entladung über den Wechselrichter oder bauen wir eine spezielle DC-Entladesteuerung auf der DC-Seite ein? Das müssen wir uns genauer anschauen. Wir haben jetzt das Patent für 20 Jahre gekauft, also nicht nur die Lizenzen. Wie wir es nutzen, werden wir sehen. Aber gehen Sie davon aus, dass wir dieses Patent nicht gekauft haben, um es in der Versenkung verschwinden zu lassen.

Das Gespräch führte Heiko Schwarzburger.

www.solarwatt.de

Dr. Andreas Gutsch

wechselte im Frühjahr 2016 zu Solarwatt, wo er als Geschäftsführer das Technologiezentrum Solarwatt Innovation in Frechen bei Köln leitet. Hier verantwortet er unter anderem die Weiterentwicklung der My-Reserve-Speichertechnologie und den Aufbau neuer Geschäftsmodelle im Zusammenhang mit dem Solarwatt-Stromspeicher. Gutsch wurde 1964 in Neuwied geboren und studierte Chemie-Ingenieurwesen an der Universität Karlsruhe, wo er auch promovierte. Er war Mitgründer und später Geschäftsführer der Li-Tec Battery GmbH, zur damaligen Zeit einer der wichtigsten Hersteller von Lithium-Ionen-Zellen in Europa. Von 2011 bis 2016 leitete er das Projekt „Competence E“ am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), das sich mit der nachhaltigen und kostengünstigen Erzeugung, Speicherung und Nutzung elektrischer Energie beschäftigt.

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