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“Die Verluste halbieren“

Welche Vorteile bieten die Leistungstransistoren aus Galliumnitrid?

Joachim Würfl: Auf Galliumnitrid basierende Leistungsbauelemente werden auf Siliziumwafern oder auf Siliziumkarbid abgeschieden. Sie können die Eigenschaften bereits verfügbarer Bauelemente auf der Basis von Siliziumkarbid übertreffen – und dies zu deutlich günstigeren Preisen. Ein Vier-Zoll-Wafer aus Siliziumkarbid kostet ungefähr 800 Euro, ein acht Zoll großer Siliziumwafer weniger als 100 Euro. Epischichten aus Galliumnitrid wurden schon auf 200 Millimeter großen Siliziumwafern abgeschieden. Das ist die Voraussetzung für Massenfertigung und günstige Chippreise. Selbst wenn man annimmt, dass die Epitaxie für Galliumnitrid noch relativ teuer ist, bleibt ein deutlicher Preisvorteil gegenüber verfügbaren Bauelementen aus Siliziumkarbid.

Welche Leistungen sind mit HFETs aus Galliumnitrid möglich?

Die Spannungsfestigkeit von Bauelementen auf Galliumnitrid ist etwa zehn Mal größer als die von gleich großen Bauelementen auf Silizium. Man kann den Chip bei gleicher Nennspannung also etwa zehn Mal kleiner bauen. Damit wird er schneller. Unsere Bauelemente schalten bei 600 Volt und erreichen einen Einschaltwiderstand von 65 Milliohm und einen Maximalstrom von 120 Ampere. Dabei messen sie lediglich 4,5 mal 2,5 Millimeter.

Welche Spannungen haben Sie bislang erreicht?

Unsere Forschungen an Leistungsbauelementen aus Galliumnitrid laufen seit etwa acht Jahren. Wir haben es geschafft, die Betriebsspannung auf 600 Volt anzuheben. Zu Beginn der Forschungen war der Einschaltwiderstand der Transistoren unmittelbar nach einem Schaltvorgang noch zu hoch. Wir bezeichnen das als dynamische Erhöhung des Einschaltwiderstandes. Die Folge sind hohe Verluste beim Schalten. Dieses Problem haben wir nun gelöst.

Können Sie uns konkrete Zahlen für Ihre Fortschritte anbieten?

Vor drei Jahren erhöhte sich der Einschaltwiderstand bei 600 Volt und 20 Ampere etwa um den Faktor 100, auf 6,5 Ohm. Heute steigt er nur um 20 Prozent, auf 65 Milliohm.

Was bedeutet das für Solarwechselrichter, die mit Leistungstransistoren aus Galliumnitrid arbeiten?

Mit solchen Bauelementen könnte man die Verluste in der Leistungsumsetzung halbieren, also beispielsweise den Wirkungsgrad von 98 Prozent auf 99 Prozent erhöhen. Man kann Leistungsbauelemente viel kompakter bauen als mit Silizium oder Siliziumkarbid. Dadurch sind die Wege für die Elektronen deutlich kürzer, also kann man viel schneller schalten. Wenn man die Verluste halbiert, steht mehr Energie zur Nutzung zur Verfügung, die Geräte werden effizienter und damit kostengünstiger. Sie lassen sich auch in vielen anderen Applikationen einsetzen, beispielsweise in Schaltnetzteilen von Basisstationen für den Mobilfunk, wo 220 Volt auf 48 Volt umgesetzt werden. Hier wurde in einer Demonstratorschaltung der Wirkungsgrad durch Galliumnitrid von 96 Prozent auf 98 Prozent erhöht.

600 Volt als Schaltspannung wären für kleinere Wechselrichter nützlich, die auf 220 Volt oder 400 Volt umsetzen, also AC-Niederspannung. Oder man verwendet sie in Batteriewechselrichtern und Ladeelektronik. Sind höhere Spannungen möglich?

Durchaus denkbar sind Transistoren, die höhere Systemspannungen aushalten. Dazu muss man ihre Sperrspannungen erhöhen, was wiederum durch dickere Pufferschichten zwischen dem Transistor aus Galliumnitrid und dem Siliziumsubstrat gelingen kann. Aber mit zunehmender Dicke der Epitaxieschichten wird die interne Kompensation mechanischer Verspannungen immer schwieriger. Für Systemspannungen von 600 Volt werden die Transistoren aus Galliumnitrid sicher kommen. Auch durch unsere Forschungen sind sie jetzt für die Industrie verfügbar, auch in Europa. Für die nächsthöhere Klasse von 1.200 Volt benötigen die Transistoren eine sichere Sperrspannung von über 2.000 Volt. Das müssen die Forscher erst noch lösen.

Also sind die Siliziumkarbidtransistoren bei höheren Spannungen im Vorteil?

Wenn man 1.000 Volt braucht, ist Siliziumkarbid derzeit die bessere Wahl. Man kommt mit der Durchbruchsfestigkeit besser hin. Mit Galliumnitrid kann man zwar bereits sehr dicke Bufferschichten abscheiden, um eine hohe vertikale Durchbruchfestigkeit der Bauelemente zu erreichen. Aber die dicken Buffer erzeugen hohe mechanische Spannungen im Wafer, dieses Thema ist Gegenstand intensiver weltweiter Forschung und wird sicherlich beherrscht werden.

Warum wird Galliumnitrid nicht schon in Solarwechselrichtern eingesetzt?

Wenn es gelingt, Epitaxieschichten aus Galliumnitrid in guter Qualität auf Silizium aufzutragen und entsprechende Bauelemente zuverlässig zu realisieren, werden sich diese in der Leistungselektronik durchsetzen. Ein Problem sind die unterschiedlichen Gitterkonstanten des Siliziums und des Galliumnitrids sowie die Unterschiede im thermischen Ausdehnungskoeffizienten. Deshalb entstehen beim epitaktischen Wachsen der Galliumnitrid- oder Aluminium-Galliumnitrid-Schichten auf Silizium hohe mechanische Verspannungen. Ohne besondere Maßnahmen biegt sich der Wafer stark durch und er lässt sich nicht mehr prozessieren.

Ist das eine unüberwindliche Hürde oder sind Lösungen in Sicht?

Nein, nicht wirklich, dieses Problem konnte inzwischen weitgehend gelöst werden, sodass Galliumnitrid künftig sicherlich in diesen Bereichen eingesetzt werden wird. Wegen der Gitterfehlanpassung braucht man für Galliumnitrid spezielle Zwischenschichten, beispielsweise aus Aluminiumnitrid oder Aluminium-Galliumnitrid. Damit lässt sich die Verspannung reduzieren. Andererseits haben diese Schichtpakete eine geringere Wärmeleitfähigkeit als Galliumnitrid-Volumenmaterial. Das wirkt sich nicht unbedingt nachteilig bei Schaltanwendungen aus, man muss sich die Dinge in thermischer Hinsicht genau ansehen.

Welche Temperaturen hält Galliumnitrid aus?

Bauteile aus Galliumnitrid sind sicherlich bis auf eine Kanaltemperatur von 250 Grad Celsius auslegbar. Bei höheren Temperaturen treten Degradationseffekte auf. Um die Chips noch effizienter zu kühlen, könnte man auf beiden Seiten Kupferplates aufbringen. Denkbar wäre auch, das Siliziumsubstrat zu entfernen, nachdem die Bauelemente prozessiert wurden. Denn eigentlich wird das Silizium nur als Trägermaterial für die Galliumnitrid-Epitaxie benötigt.

Könnten die Schaltfrequenzen steigen?

Galliumnitrid erlaubt höhere Schaltfrequenzen, es schaltet etwa fünfmal schneller als Silizium. Dadurch könnte man die Überträger im Wechselrichter viel kleiner machen. Die Ferrite in den Spulen haben jedoch natürliche Grenzfrequenzen, die nicht überschritten werden dürfen. Sonst steigen die Magnetisierungsverluste an, und die Magnete überhitzen. Man könnte Luftspulen verwenden, die ohne Ferritkerne auskommen. Aber dafür bedarf es noch einiger Entwicklungsarbeit vonseiten der Elektroniker. Theoretisch erlauben höhere Taktfrequenzen kleinere, kompakte Wechselrichter, da viele periphere Komponenten kleiner gebaut werden können.

Wie geht es bei Ihnen weiter?

Das Projekt Hiposwitch hat 2011 begonnen, nun liegen die erwähnten Ergebnisse vor. Wir haben Bauteile aus Galliumnitrid entwickelt, die sehr effiziente und sehr schnelle Leistungsschalter ermöglichen. Rechnet man die sinkenden Verluste in nutzbare Energie um, könnte man in Europa mindestens zwei Kohlekraftwerke einsparen. Mehrere Patente und Veröffentlichungen sind aus unseren Forschungen hervorgegangen. Seit Sommer 2014 läuft das neue Zugang-Projekt. Darin entwickeln wir Bauelemente aus Galliumnitrid der nächsten Generation, unter anderem mit Partnern aus der Solarindustrie. Hierbei geht es speziell um Hochspannungstransistoren jenseits von 600 Volt. Auch dieses Projekt wird vom Bundesforschungsministerium und der Industrie getragen.

Das Interview führte Heiko Schwarzburger.

www.fbh-berlin.de

Transphorm/Hyline Power Components

HEMTs im TO-247-Gehäuse lieferbar

Die Firma Transphorm, vertreten durch den Elektronikspezialisten Hyline Power Components, bietet seit Juni spezielle Leistungstransistoren (HEMTs) aus Galliumnitrid an. Sie werden in verschiedenen Gehäusen gefertigt: TO-220, im PQFN und TO-247 (TPH3205WS).

Mit Letzterem sind Spitzenströme von 140 Ampere und Dauerströme von 35 Ampere bei einer Schaltspannung von 600 Volt und nur 63 Milliohm Durchgangswiderstand sowie nur 7,2 Nanosekunden Einschaltzeit möglich. Das TO-247-Gehäuse bietet einen geringen thermischen Übergangswiderstand, einfache Montage mit robustem Aufbau und Platz für einen großen, leistungsfähigen Chip.

Es ist speziell für die sehr schnell schaltenden HEMTs aus Galliumnitrid geeignet. Der geringe Einschaltwiderstand, die hohen zulässigen Arbeitstemperaturen bis über 150 Grad Celsius, die Abwesenheit eines Miller-Plateaus und der reduzierte Schaltungsaufwand – beispielsweise sind keine Freilaufdioden in Brückenschaltungen erforderlich – sind weitere Vorteile dieser Technologie. Die Transphorm-HEMTs aus Galliumnitrid können mit Treiberschaltungen für Mosfets aus Silizium angesteuert werden.

www.hy-line.de/transphorm

Dr. Joachim Würfl

leitet den Geschäftsbereich Galliumnitrid am Berliner Ferdinand-Braun-Institut, Leibniz-Institut für Höchstfrequenztechnik. Am Institut werden unter anderen schnell schaltende Bauelemente für Leistungselektronik, Lasertechnik und Mobilfunktechnik entwickelt.

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