Mit Bleiakkus hat sich Sonnen-Gründer Christoph Ostermann nie beschäftigt. Die platzsparende und effiziente Lösung mit Lithiumbatterien schien ihm der richtige Weg. Dabei half ihm eine Vision – genau diese lässt die Politik gerade vermissen.
Wie kamen Sie in die Solar- und Speicherbranche?
Christoph Ostermann: Ich bin seit 2003 in der Erneuerbare-Energien-Branche. Ich habe vor allem in den ersten zwei, drei Jahren das Glück gehabt, dass ich mir erst mal alles angucken konnte, was es derzeit an Technologien gab, bezogen auf Wind, Solar und Biomasse. Mit einem befreundeten Investor suchten wir nach Möglichkeiten, Geld in Erneuerbare zu investieren – auch weltweit betrachtet.
Was fanden Sie besonders spannend?
Die Frage, wie man es schafft, ein Einfamilienhaus energetisch nachhaltig und autark zu machen. Das hat mich sofort fasziniert. So kam es, dass wir Solarenergie in diesem Zusammenhang gedacht haben. Wir wollten einen echten Business Case finden. Bis 2011 war Photovoltaik eher ein reines Investment, das gesichert über 20 Jahre plus dem Jahr der Installation Erträge einspielte. Mein Mitgründer Torsten Stiefenhofer kam aus der Solarbranche. Wir wollten den eigenen Solarstrom einfach gern selbst nutzen und nicht nur ins Stromnetz einspeisen.
Wie sind Sie also vorgegangen?
Im Jahr 2008 haben wir einen Prototyp der Sonnenbatterie gebaut, so konnten wir das Gerät erst mal selbst zu Hause testen – und wir waren begeistert. Dieser Enthusiasmus hat wohl auch Besucher und Freunde im Umfeld angesteckt. Immer mehr Bekannte wollten sich auch selbst mit Solarenergie versorgen. Die Firma Sonnenbatterie haben wir aber erst zwei Jahre später gegründet und 2015 in Sonnen umbenannt. Dennoch gab es zu Beginn erst mal keine Kunden für Batteriespeicher.
Haben Sie nie über Bleiakkus nachgedacht? Bleispeicher gab es 2010 schon auf dem Markt. Warum haben Sie von Anfang an auf die viel teurere Lithiumtechnologie gesetzt?
Batteriespeicher waren damals jenseits jeder Wirtschaftlichkeit. Es wurden 2.500 Euro pro Kilowattstunde aufgerufen. Wir waren dennoch einfach begeistert von der Idee. Von Anfang an wollten wir eine zukunftsweisende Technologie, deshalb kamen Bleispeicher für uns nie in Betracht. Hinzu kommt: Der Speicher hätte sich auch mit Blei nicht gerechnet. Die platzsparende und effiziente Lösung mit Lithiumakkus schien uns der richtige Weg zu sein, um gerade die emotionalen Käufer abzuholen.
Sie haben nicht nur auf irgendeine Lithiumtechnologie, sondern auch direkt auf Lithium-Eisenphosphat, kurz LFP, gesetzt. Zufall?
Nein, Zufall war es nicht. Wir haben uns intensiv damit beschäftigt, welche Batterieeigenschaften am besten zu unseren Anwendungen passen. Langlebigkeit, eine hohe Zyklenfestigkeit und Sicherheit sollte die Batterie aufweisen. Wir hatten mit LFP durchaus anfangs einen Preisnachteil. Aber aus heutiger Sicht haben wir alles richtig gemacht, die Marktentwicklung belegt das. Der LFP-Anteil im deutschen Heimspeichermarkt ist laut Marktstudien im letzten Jahr von mindestens 25 auf 31 Prozent gestiegen. Und auch viele Konkurrenten haben mittlerweile zu LFP-Akkus gewechselt. Wir sehen ja auch, welcher Hersteller mit welchem Zellanbieter verhandelt. Das kann ebenfalls ein früher Indikator für den Schwenk im Markt hin zu LFP-Zellen sein.
Welche Projekte oder Personen haben Sie besonders nachhaltig beeindruckt?
Ich muss sagen, die Branche hat sich insgesamt in den vergangen zehn Jahren unglaublich entwickelt. Das heute Erreichte war damals zum Teil gar nicht vorstellbar. Jetzt einzelne Namen und Projekte zu nennen, wird dem aus meiner Sieht nicht gerecht. Es finden sich etliche Beispiele für Pioniergeist, Unternehmertum und technischen Fortschritt. Es ist nur schade, dass Deutschland die weltweite Vorreiterrolle ein Stück weit verloren hat. Wir werden im Ausland eher als tragische Figur in diesem Schauspiel gesehen. Wir haben das Heft des Handelns aus der Hand gegeben.
Wie kam es aus Ihrer Sicht dazu?
Die Bundesregierung hat es verpasst, durch ordnungspolitische Maßnahmen die Pionierrolle für die Industrie zu erhalten. Gerade das Beispiel Heimspeicher zeigt, dass es nur ein einziges Unternehmen gibt, das auch international präsent ist – nämlich Sonnen. Daneben sind es Tesla, LG und BYD, die man überall trifft. Das hätte auch anders kommen können. Oder nehmen wir ein anderes Beispiel: Mit Li-Tec gab es hierzulande mal einen Hersteller für Batteriezellen, der eine gute Perspektive hatte, so dachte man. Am Ende haben die Asiaten, allen voran die Chinesen, das Rennen bei der Zellfertigung gemacht. Aber erfolgreiche Start-ups müssen nicht immer aus dem Silicon Valley kommen. Das zeigt unter anderem unsere Geschichte – Nachahmer sind aber gern gesehen. Mutige Entscheider sind gesucht.
In der Diskussion wird oft der Begriff eines Mentalitätsproblems bemüht. Deutsche neigen zu Perfektionismus, während US-Amerikaner mit einer guten Lösung schnell an den Markt gehen. Wie sehen Sie das?
In innovativen Wachstumsmärkten ist letztere Strategie die einzig richtige, weil die Lernkurve so deutlich steiler wird. Das direkte und schnelle Feedback vom Markt und den Kunden hilft enorm. Für reife Märkte wie den Automobilmarkt mag das anders sein. Wichtig ist nur, dass der Service stimmt und der Hersteller dann auch kulant zu seinen Kunden ist. Er soll sich ja nicht als Versuchskaninchen fühlen, das würde auch der Reputation des Unternehmens schaden.
Wie sehen Sie die Aussichten für den heimischen Solar- und Speichermarkt?
Die Aussichten sind langfristig sehr gut. Solarenergie ist nicht mehr aufzuhalten, sie ist der günstigste Stromlieferant. In anderen Bereichen gibt es aber noch Luft nach oben. Von den insgesamt 13 Millionen Ein- und Zweifamilienhäusern in Deutschland fehlen noch einige, bei derzeit 1,7 Millionen installierten Photovoltaikanlagen. Wirtschaftlich wird Solarstrom immer attraktiver, das gilt auch für die Speicher. Ich glaube im Übrigen, dass Elektroautos die stationären Strompuffer nicht ersetzen, sondern eher ergänzen werden.
Welche Rolle spielen die Heimspeicher für das Gelingen der Energiewende?
Der Heimspeicher hat das Potenzial, der technische Nucleus, also der Kern der Schalt- und Steuerzentrale, im Haus zu werden. Stichwort Sektorenkopplung: Er bringt Strom, Wärme und Mobilität zusammen. Das spricht sich bei den Endkunden immer mehr rum. Mit jedem weiteren Jahr bestätigt sich die Technik selbst, wird sichtbarer und widerlegt so anfängliches Misstrauen im Markt, was ja normal bei neuen Technologien ist. Wenn ab 2021 vermehrt Photovoltaikanlagen aus der EEG-Förderung fallen, ist der solare Eigenverbrauch doch die erste Option für viele Anlagenbesitzer. Speicher werden dann ein Massenmarkt. Ich denke, dass gut 90 Prozent der Anlagen, die aus dem EEG fallen, mit einem Speicher nachgerüstet werden.
Von welchem Marktwachstum gehen Sie in den nächsten Jahren aus?
Das Grundrauschen wird hierzulande bei 40.000 bis 50.000 Heimspeichern pro Jahr liegen. Ohne eine dynamische Komponente wie die Nachrüstungen werden wir in den nächsten zwei Jahren ein Wachstum zwischen 25 Prozent und 35 Prozent sehen. Einen Preisrutsch bei Heimspeichern sehe ich derzeit jedoch nicht.
Warum könnten die Preise für Heimspeicher nicht noch weiter sinken?
Handwerker sind gerade rar. Ihre Kapazitäten sind stark ausgelastet. In so einem Umfeld sinken Preise eher nicht. Wir sollten versuchen, insgesamt mehr junge Leute für eine Karriere im Handwerk zu begeistern. Generell steht der Speicher – und nicht nur der Heimspeicher – erst am Anfang, ich denke, wir werden langfristig und global ein starkes Wachstum sehen. Das wird dann auch zu sinkenden Preisen führen.
Wie beurteilen Sie das Klimapaket der Regierung?
Erst einmal wird sicher die ganze Branche aufatmen, als der 52-Gigawatt-Deckel fallen soll, nur muss das nun auch schnell im Gesetz umgesetzt werden. Das wäre sonst ein vollkommen unnötiger Bremsklotz für die Industrie. Was den Rest betrifft, wirkt es auf den ersten Blick etwas mutlos. Vielleicht muss man es auch erst mal als Anfang sehen, der nun gemacht ist. Generell ist und bleibt die Gesetzgebung rund um die erneuerbaren Energien ein Flickwerk, man muss es leider so sagen. Die Politik schafft es nicht, widerspruchsfreie Rahmenbedingungen für langfristige Investitionsentscheidungen zu setzen. Es fehlt eine klare Strategie und auch die Vision dahinter. Unsere Kunden müssen zum Teil Formulare mit 30 bis 40 Seiten für den Netzbetreiber ausfüllen. So wird die Energiewende kein Selbstläufer, obwohl die Menschen das befürworten.
Das Interview führte Niels H. Petersen.
Zur Person: Christoph Ostermann ist studierter Betriebswirt. Vor Sonnen hat er bereits vier Unternehmen aufgebaut, das erste davon im Alter von 18 Jahren. Darüber hinaus war er fünf Jahre in der Unternehmensberatung mit Schwerpunkt Marketing und Vertrieb tätig. Ostermann ist heute CEO bei Sonnen.