Mit dem Beamer wirft Michael Greif ein Bild aus Buchstaben, Zahlen und schwarzen Linien an die Wand. Die kryptische Skizze ist ein Schaltplan für den Anschluss von Solaranlagen, die ihren Strom nicht komplett in die öffentlichen Netze leiten, sondern auch zu den Elektrogeräten vor Ort. Sie gehört mittlerweile zum Tagesgeschäft des Solarexperten von IBC Solar in Bad Staffelstein. „Auf unseren Schulungen und Seminaren für Installateure ist der Eigenverbrauch von Solarstrom mittlerweile ein heißes Thema“, berichtet er. Die Zahl derer, die sich für eine Anlage mit der Möglichkeit zur Eigennutzung interessierten, sei in den letzten Monaten deutlich gestiegen. Der Energieversorger Eon bestätigt diesen Trend.
Bisher verlief der Anschluss von Photovoltaikanlage und Hausstromnetz an den Netzanschlusspunkt getrennt. Das geht bei einer für Eigenverbrauch optimierten Anlage nicht mehr. Photovoltaikanlage und Hausnetz müssen miteinander verbunden werden. „Je nach Sonneneinstrahlung werden die Elektrogeräte dann mit Sonnenstrom pur oder einem Mix aus Solar- und Netzstrom des Energieversorgers gespeist“, sagt Greif. „Das passiert ganz automatisch, ohne zusätzliche Regler oder Schalter.“
Zusätzlicher Stromzähler nötig
Um nachzuweisen, wie viel Strom selbst verbraucht und wie viel eingespeist wurde, muss ein zusätzliches Zählwerk in den Stromkasten. „Wer eine Solaranlage betreibt, besitzt üblicherweise einen Strombezugszähler und einen Solarzähler“, erklärt Greif. Das ist auch ohne Eigenverbrauch so. Der eine Zähler misst, wie viel Energie aus dem öffentlichen Netz bezogen wird, der andere die Gesamtmenge der solar erzeugten elektrischen Energie. „Wer den solar erzeugten Strom auch selber nutzen möchte, braucht ein zusätzliches Zählwerk“, sagt Greif. Dieses misst den Anteil des Solarstroms, der in das Netz eingespeist wird. Aus der Differenz zwischen eingespeistem und erzeugtem Solarstrom, also zwischen dem Zählerstand des Einspeisezählers und des Produktionszählers (siehe auch Grafik Seite 82), lässt sich dann der Anteil des Solarstromes ermitteln, der beispielsweise für den Betrieb von Kaffee-, Waschmaschine oder Fernseher verbraucht wurde.
Für die Installation der dafür erforderlichen Stromzähler gibt es mehrere Möglichkeiten. Richtschnur dafür sind die technischen Anschlussbedingungen (TAB) 2007 für den Anschluss an das Niederspannungsnetz des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), mit der aktuellen Ergänzung vom Oktober 2009. Danach ist „vorzugsweise“ der übliche Strombezugszähler durch einen Zweirichtungszähler zu ersetzen, der mit zwei Zählwerken ausgestattet ist und eingespeisten Strom sowie den Strombezug aus dem öffentlichen Netz zugleich misst. Möglich ist es aber auch, einen autarken Einspeisezähler zusätzlich zum Strombezugszähler zu montieren. Beide Zähler müssen geeicht sein und eine Rücklaufsperre haben. Rücklaufsperre bedeutet, dass sie beide nur in jeweils eine Richtung zählen, denn eingespeister und bezogener Strom fließen durch dieselbe Leitung. Und beide Zähler gehören laut BDEW an einen zentralen Zählerplatz, also in den Stromkasten.
Produktionszähler auch separat
„In vielen Fällen ist der Platz darin zu knapp und die Anlagenbetreiber müssten einen zusätzlichen, größeren Stromkasten einbauen lassen“, sagt Greif. Das sei aufwändig und teuer. „Vor allem deshalb entscheiden sich nach unseren Erfahrungen zwischen 80 und 90 Prozent der Anlagenbetreiber für einen Zweirichtungszähler.“ Die Zweirichtungszähler werden vom Energieversorger gestellt, üblicherweise gegen eine zusätzliche Messgebühr. „Es gab aber Anlaufschwierigkeiten“, sagt Greif. Die kompakten Geräte seien bisher vor allem für den industriellen Bereich ausgelegt worden und hätten für ihr neues Einsatzgebiet erst neu konfektioniert werden müssen. Mittlerweile sind sie in ausreichend großen Stückzahlen verfügbar.
Wer sich statt für einen Zweirichtungszähler für einen zusätzlichen Einspeisezähler entscheidet, muss diesen nicht vom Energieversorger beziehen, sondern darf ihn selbst anschaffen. Das Gleiche gilt für den Produktionszähler. Er darf zudem als einziger Stromzähler auch „neben oder in der Erzeugungsanlage“ installiert werden. In einer TAB-Ergänzung vom April 2009 hieß es zwar zunächst, dass der Solarzähler neben Einspeise- und Strombezugszähler am zentralen Zählerplatz, also im Stromkasten, montiert werden müsse. Diese Vorgabe wurde nach Gesprächen, unter anderem mit dem Bundesverband Solarwirtschaft BSW-Solar und dem Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie ZVEI, wieder fallengelassen. Die Verbände hatten die hohen Umbaukosten moniert.
Verzwickte Phasendiskussion
Stromzähler für Photovoltaikanlagen ab 4,6 Kilovoltampere messen in der Regel Bezugs- und Einspeisestrom auf drei Phasen. Dabei treibt selbst Experten die Frage um, ob es eine Rolle spielt, an welche Phase Verbraucher angeschlossen werden. Als Eigenverbrauch zählt am Ende die Differenz zwischen Einspeise- und Produktionszähler. Zwischen den beiden Zählern ist zum Beispiel die Waschmaschine an Phase 1 angeschlossen, die eine Stunde läuft und zwei Kilowattstunden Strom benötigt. Die Solaranlage liefert in dem Beispiel insgesamt drei Kilowattstunden, auf Phase 1 also eine Kilowattstunde. Die fehlende Kilowattstunde zieht sich die Waschmaschine dann auf Phase 1 aus dem Netz. Gleichzeitig speist die Solaranlage zwei Kilowattstunden auf Phase 2 und 3 ins Netz ein. Zählen als Eigenverbrauch nun ein oder zwei Kilowattstunden? „Das hängt davon ab, wie die Zähler intern arbeiten“, sagt Greif. Laut Zählerhersteller EMH arbeitet zumindest deren bidirektionaler Zähler so, dass er erst für den Bezug die Bilanz über alle Phasen errechnet, in diesem Fall null, dann für die Einspeisung, in diesem Fall eine Kilowattstunde. In diesem Beispiel zählt die gesamte Energie, die die Waschmaschine benötigt, als Eigenverbrauch.
Für die Montage der neuen Zähler gilt übrigens das Gleiche wie für die Installation aller haushaltsüblichen Stromzähler: Nur ein Elektroinstallateur, ein Mitarbeiter des örtlichen Stromanbieters oder eines zertifizierten, unabhängigen Messstellen-Betriebs darf sie setzen. Zuvor muss er die Installation beim Energieversorger beantragen. „Vom Prozedere her und auch physikalisch entspricht der Anschluss dem eines herkömmlichen Zählers“, schreibt Eon.
Das Ganze geht sowohl mit den gängigen schwarzen Ferraris-Stromzählern, in denen Aluminiumscheiben mit einer Geschwindigkeit proportional zur elektrischen Leistung rotieren, als auch mit neuen digitalen Stromzählern. Die Tage der Ferraris-Stromzähler sind aber gezählt. In Neubauten oder bei Modernisierungen müssen nach dem Energiewirtschaftsgesetz seit Januar dieses Jahres elektronische Zähler eingebaut werden. Sie können auf neue oder über Adapter auch auf bestehende Zählerplätze montiert werden. Gemäß einem Positionspapier der Bundesnetzagentur sollten sich die Nachfolger der Ferraris-Generation per Fernabfrage über eine Datenschnittstelle ablesen lassen und eine zeitaufgelöste Messung erlauben. Mit dieser Funktion können Solarstrom-Selbstnutzer dann auch leichter ermitteln, wann sich der Verbrauch der eigenen Stromernte wirklich lohnt.