Mönche in schwarzen Kutten standen Pate für den Namen eines Stadtteils im Südwesten Londons: Blackfriars. Die „schwarzen Brüder“, wie die Bevölkerung die Dominikanermönche nannte, lebten in einem bereits 1228 gegründeten Kloster, das sich zwischen der Themse und dem Ludgate Hill befand. Das Kloster ist längst Geschichte, nun existiert nur noch die nach ihnen benannte Blackfriars Bridge, an deren gusseiserner Balustrade Skulpturen an die Mönche erinnern. Der nördliche Brückenkopf dient als Bahnhof für den U-Bahn- und Fernverkehr und wird derzeit alsFundament für den neuen Bahnhof Blackfriars von der Network Rail rundum erneuert. Der sanierte Bahnhof soll den stetig steigenden Passagierzahlen und dem Wunsch nach neuen Zugverbindungen gerecht werden.
In ein neues Dach, das auf die historische Bausubstanz aufgesetzt wird, werden außerdem über 6.000 Quadratmeter Solarmodule integriert. Die Brücke erhält sozusagen eine Solarkutte. „Die viktorianische Eisenbahnbrücke in Blackfriars ist Teil unserer Eisenbahngeschichte. Sie wurde noch im Dampfzeitalter erbaut, und wir katapultieren sie nun mit einemSchlag auf den neuesten Stand der Solartechnik des 21. Jahrhunderts, um einen Bahnhof mit Symbolcharakter für die Stadt zu schaffen“, sagt Lindsay Vamplew, Projektleiter für Blackfriars bei Network Rail. Tatsächlich ist das Vorhaben ein Prestigeprojekt, das im Herzen der britischen Hauptstadt gut sichtbare Werbung für erneuerbare Energien machen soll. Umgerechnet knapp 8,8 Millionen Euro lässt sich das britische Verkehrsministerium das Projekt kosten. Mit einer Kapazität von knapp 1,1 Megawatt wird das Kraftwerk nach Fertigstellung die größte Solaranlage Londons sein.Für die ausführenden Handwerker ist das Vorhaben durchaus eine Herausforderung. Zwar hatte sich Network Rail von Beginn der Planungen an für den Bau einer Photovoltaikanlage entschieden. Dennoch ist die neue Überdachung, die auf die historische Substanz aufgesetzt wurde, nicht speziell für diesen Zweck ausgelegt. Sie besteht aus insgesamt 94 einzelnen Aluminiumdachteilen, die sich schräg zur Seite neigen, wie etwa bei einem Carport. Insgesamt sollen 4.410 HIT-Module des japanischen Konzerns Sanyo mit je 250 Watt Leistung verbaut werden.
Es wird eng
„Es gibt Modulreihen auf dem Dach, die nahezu 15 Meter lang sind und bei denen wir nur eine Platzreserve von 190 Millimetern haben. Das ist extrem eng. Deswegen müssen wir gegebenenfalls, je nach der Position der Schweißnaht des Daches, die Dachhaken etwas anders als üblich positionieren“, sagt der ausführende Konstruktionsingenieur Simon Mameli vom britischen Projektierer Solarcentury, der mit dem Ingenieurbüro Jacobs für die Durchführung der Installation verantwortlich zeichnet. Ebenfalls um Platz zu sparen, hat man sich bei Solarcentury für die kompakten Stringwechselrichter SolarMax 13MT von Sputnik Engineering entschieden. Da diese Eingangsspannungen von bis zu 900 Volt akzeptieren, lassen sich Modustrings realisieren, die lang genug sind. Die Gerätesind jeweils mit drei Maximum-Power-Point-Trackern ausgerüstet, was hilft, die Ausbeute zu optimieren.
Die wechselhaften und oft feuchten Wetterbedingungen direkt über der Themse sind nicht nur für die elektrischen Geräte und die eingesetzten Materialien eine Herausforderung, sondern natürlich auch für die Handwerker, die mit den Installationsarbeiten beschäftigt sind. Ganz abgesehen davon, dass die Installateure bei den Arbeiten besondere Vorsicht walten lassen müssen, da unter ihnen die Bahngleise verlaufen und die Arbeiten an der darunterliegenden „größten und komplexesten Baustelle Londons“, wie Mameli sie nennt, weitergehen.
Noch recht selten
Das Projekt zeichnet sich nicht nur durch den prominenten Standort in London aus, auch die Art – die Photovoltaik-Überdachung einer Brücke – ist derzeit noch recht selten. Die wohl weltweit erste Solarbrücke wurde vor zwei Jahren in Brisbane, Australien, fertiggestellt. Der Bau dieser 470 Meter langen Fußgänger- und Fahrradfahrerbrücke hat knapp 50 Millionen Euro verschlungen. Die LED-Leuchten, mit denen die Brücke bestückt ist, beziehen ihre Energie aus 84 Solarmodulen. Sie haben einen Maximalertrag von jährlich 38 Kilowattstunden und erzeugen rein rechnerisch fast den kompletten Strombedarf der Beleuchtung für die Brücke.
Auch in Deutschland gibt es seit letztem Jahr eine Solarbrücke. Die 396 Module an der südlichen Seite der fast 400 Meter langen, frisch sanierten Kennedybrücke, die sich in Bonn über den Rhein spannt, wurden im Juli ans Netz angeschlossen. Die von Solarworld gestiftete Anlage hat eine installierteLeistung von 90 Kilowatt. Verglichen mit der Blackfriars Bridge ist der Energieoutput damit verschwindend gering. Die Solarmodule über der Themse mit über einem Megawatt Leistung sollen rund 900.000 Kilowattstunden Ertrag pro Jahr erzeugen und damit etwa die Hälfte des Energieverbrauchs des Bahnhofs abdecken. Gleichzeitig verdient der Betreiber per staatlich garantierter Einspeisevergütung neun Pence pro erzeugter Kilowattstunde. Seit Oktober 2011 laufen die Bauarbeiten. Im Sommer soll die Installation abgeschlossen sein.