In den vergangenen drei oder vier Jahren haben Solarmodule mit Gläsern auf der Front und auf der Rückseite im europäischen Markt an Bedeutung gewonnen. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?
Dr. Erich Merkle: Ich will ein bisschen ausholen. Ich habe zusammen mit der Firma Almaden bereits vor zehn Jahren versucht, Doppelglasmodule einzuführen. Das waren rahmenlose Module, die einzigartige Vorteile haben. Aber die Zeit war damals nicht unbedingt reif dafür. Wir haben uns sehr intensiv bemüht, quasi als Pionier.
Damals war der Preiskampf brutal, in schrumpfenden Märkten. Wo stehen Sie heute?
Uns im Geschäftsfeld für transparente Solardächer zu etablieren, ist uns nach und nach gelungen. Jetzt muss ich feststellen, dass mittlerweile ein richtiger Hype entstanden ist. Immer mehr Kunden sehen die Vorteile dieser Dächer, weil sie transparent sind. Beispielsweise für Terrassen, dort will niemand ein dunkles Loch haben. Das gilt auch für solare Carports. Lieber fährt man in eine helle Parkfläche, im Gegensatz zum Standard-Carport, der dunkel ist.
Die Nachfrage steigt enorm. Sie planen gerade eine neue Modulfabrik in der Slowakei. Was ist das für ein Projekt?
Wir bauen eine Fabrik für diese Glas-Glas-Module. Denn es wird immer schwieriger, die Module überhaupt zu bekommen. Wir hatten beispielsweise Probleme, ungerahmte Doppelglasmodule zu bekommen. Die Lieferanten in China wollen das eigentlich nicht mehr machen. Denn der Mainstream geht zu größeren Zellen und größeren Modulen. Wir können aber nicht jedes beliebige Modul verwenden, zum Beispiel für einen Carport.
Welche Anforderungen haben Sie speziell an solare Carports?
Die Transparenz der Module ist wichtig, ebenso wie die Säulen, die die solare Überdachung tragen. An unseren Säulen kann man eine Magnetfolie anbringen, um sie jederzeit neu zu gestalten. Dafür bieten wir vielfache Gestaltungsmuster in verschiedenen Farben. Wir liefern die Ständer in verschiedenen Varianten, aus Holz, Aluminium oder Stahl. Stahl ist für große, professionelle Carportanlagen geeignet. Dafür gibt es inzwischen einen Riesenbedarf. Sie werden mit großen Photovoltaikdächern ausgestattet.
Carports sind nicht die einzige Anwendung. Was kann man mit solchen Modulen außerdem machen?
Ein Beispiel ist die Agri-PV. Vor rund zehn Jahren haben wir die ersten Anlagen nach Ägypten geliefert, in den Sinai. Also in sehr heißes Klima. Dort sind die Pflanzen praktisch verdorrt. Wir haben dann nach Kairo und in die Wüste die ersten Solaranlagen geliefert, unter denen das Wasser nicht verdunstet ist. Dort konnten die Bauern den Boden bewässern. Die Pflanzen sind durch die Verschattung viel besser gewachsen als ohne Solardach.
Agri-PV wird jetzt auch in Europa immer mehr ein Thema. Wie schätzen Sie diesen Markt ein?
Das ist ein neuer Trend. Auf der diesjährigen Intersolar in München wurden wir von der sehr hohen Nachfrage total überrollt. Wir hatten 1.500 Kataloge bereitgehalten, die waren schon am ersten Messetag weg. Denn inzwischen versteht jeder, welchen vielfältigen Nutzen die Agri-PV bietet. Man nagelt die Ackerflächen nicht einfach mit Solarparks voll, sondern erzielt einen doppelten Ertrag. Unter den Solarmodulen kann man Kulturen anbauen, ganz normal. Und man erzeugt gleichzeitig Sonnenstrom, der immer wertvoller wird. Der Tag um Tag produzierte Strom wird relativ gut vergütet.
Spielt der Eigenverbrauch für die Landwirte eine wachsende Rolle?
Da kommen ganz neue Vermarktungsmodelle. Der Landwirt kann die Energie selber in seinem Betrieb nutzen. Und diese Anlagen bieten nicht nur den Vorteil, dass darunter etwas gedeiht. In vielen Fällen haben sie den Effekt, dass die Pflanzen geschützt sind. Wir haben einen interessierten Landwirt, der 400 Hektar Apfelbäume hat. Alle zwei oder drei Jahre erwischt ihn ein schweres Unwetter mit Hagel, dann sind Ernte und Bäume faktisch vernichtet. Durch die Überdachung mit Glas-Glas-Modulen lassen sich solche Schäden vermeiden. Für ihn rechnet sich Agri-PV innerhalb weniger Jahre, zudem macht er sich unabhängig von den Preisen für Netzstrom.
Das Gespräch führte Heiko Schwarzburger.
Lesen Sie auch den Praxisreport von Dr. Merkle zur Fertigung von Solarglas auf Seite 37.
Gridparity
Solarzäune und semitransparente Überdachungen
Gridparity aus Karlsfeld bei München ist einer der Pioniere der BIPV und der Agri-PV. Die Lösungen des Herstellers decken die gesamte Bandbreite ab: vertikale Solarzäune, solare Brüstungen und Fassaden sowie semitransparente Solardächer zum Schutz von Beeren, Obstplantagen oder Feldfrüchten.
Landwirtschaft, Gartenbau und Obstbau erfordern unterschiedliche Lösungen, um doppelte Ernte zu erzielen. In der Landwirtschaft ist es wichtig, dass große Flächen maschinell bearbeitet werden. Hier sind vertikal montierte Modulreihen mit größeren Abständen die beste Lösung. Solche Solarzäune bieten die Möglichkeit, Kulturen wie Kartoffeln und Getreide zwischen den Modulreihen anzubauen und maschinell zu ernten.
Diese Zäune sind mit bifazialen Doppelglasmodulen ausgestattet, die auf beiden Seiten Strom erzeugen. Der komplementäre Ertrag ergänzt konventionelle Systeme.
Im Obstbau hingegen sind aufgeständerte Systeme mit transparenten Modulen die erste Wahl. Gridparity bietet alles aus einer Hand: Module aus der Slowakei und Gestelle aus Deutschland – zudem ein professionelles Montageteam mit Erfahrung.
Aktuelles Video
CEO-Talk mit Dr. Erich Merkle
Das Interview mit Dr. Erich Merkle können Sie sich auch als Video anschauen. Es erschien in unserer Youtube-Reihe CEO-Talk 2022. Dr. Merkle ist Geschäftsführer des Modulanbieters Gridparity AG aus Karlsfeld. Er sagt: Mit neuen Produkten können sich europäische Hersteller von Solarmodulen gegen die Konkurrenz aus Asien gut behaupten. Wenn sie spezielle Marktsegmente und Kundengruppen ansprechen, die nicht nur Massenware wünschen.