Manchmal sind alte Redewendungen sehr aktuell. Das trifft zum Beispiel auch auf das deutsche Unternehmen AS Solar zu – es lässt den Worten Taten folgen. In der neuen Zentrale außerhalb der Innenstadt von Hannover hat das Unternehmen seine Prinzipien bezüglich der Nutzung erneuerbarer Energien nun selbst umgesetzt. Was das Projekt im Wert von 7,5 Millionen Euro wirklich zu etwas Besonderem macht, ist die Tatsache, dass es sich bei dem neuem Plusenergiegebäude eigentlich um einen Altbau handelt. AS Solar ließ das 52 Jahre alte Fabrikgebäude komplett renovieren. Nun wird es mit grüner Technologie ausgestattet, darunter eine Photovoltaik-Aufdachanlage, ein Solarcarport und an den Außenwänden Fassadenkollektoren – eine wahre grüne Wiedergeburt.
Beim Betreten des Eingangsbereichs der neuen Zentrale fällt es schwer, sich vorzustellen, dass das Gebäude noch vor zwei Jahren verfallen, verlassen und verwüstet als Ruine dastand. Der Eingangsbereich, der nach oben hin über drei Stockwerke offen ist, bietet eine eindrucksvolle Lichtkulisse. Die rechts vom Eingang befindlichen Treppen aus hellem Holz bilden mit den internen Stützbalken und der hohen Fensterfront scharfe geometrische Muster, wodurch das Licht alleRegionen des Raumes erfüllt. Eine strahlende Meike Koithahn, Leiterin der Unternehmenskommunikation bei AS Solar, wartet am Ende der Treppe. Schon bei der Begrüßung wird deutlich, wie stolz sie auf den Raum ist.
So auch Geschäftsführer Gerd Pommerien: „In Deutschland oder Europa gibt es nichts Vergleichbares.“ Tatsächlich ist das Team von AS Solar überzeugt, dass das Projekt das weltweit erste seiner Art ist. Der Grund hierfür ist, dass Plusenergie- und Passivgebäude zwar innerhalb und auch außerhalb Europas immer häufiger zu sehen sind, die Umwandlung einer alten Fabrik in ein Plusenergiegebäude sei aber einzigartig. Das Gebäude wurde ehemals als Fabrik für Fernseher-Komponenten genutzt, eine Zeitlang auch als Druckerei. Pommerien fährt fort: „Was wir hier getan haben, ist von großer Bedeutung. Viele alte Gebäude haben einen großen Energiebedarf. Wir zeigen mit diesem Gebäude, dass man dies komplett ändern kann.“
Energiesysteme im Detail
Im Oktober 2008 übernahm AS Solar das Gebäude und begann damit, es zu entkernen. Erst im Februar 2010 konnte der eigentliche Bau aufgenommen werden. Das dreistöckige Gebäude wurde dann am 1. Juni 2011 eingeweiht. Aufgrund der Fülle an Systemkomponenten, die für die erneuerbare und effiziente Energiegewinnung notwendig sind, ist die Umsetzung einiger Teile noch nicht ganz abgeschlossen. Auf dem Hauptgebäude wurde eine Dachanlage mit 268 Kilowatt Peak installiert, für die speziell ein Flachdach statt des zuvor vorhandenen, undichten Satteldachs installiert werden musste. In Planung sind zudem ein Photovoltaik-Carport mit 100 Kilowatt Peak, zwei 12-Kilowatt-Nachführsysteme und eine Dachanlage auf dem Warenlager mit 170 Kilowatt Peak. Nach Abschluss der Arbeiten werde das Gebäude mehr Strom erzeugen, als es verbraucht, heißt es bei AS Solar. Für die Solaranlagen, die sich nicht auf dem Hauptgebäudedach befinden, wartet man gegenwärtig auf eine behördliche Genehmigung. Dies kann sich eventuell noch als schwierigerweisen, da die örtlichen Behörden mit solcherlei Renovierungen und Spezialkonstruktionen bisher kaum Erfahrung haben.
Energieeffizienz ist ebenso ein Faktor. Die drei hellen Stockwerke mit Großraumbüros wurden nach dem Passivhaus-Standard konzipiert. Teile des Heiz- und Kühlsystems werden von Sonnenkollektoren an der Ost-, Süd- und Westfassade gespeist. Das System findet im geräumigen Untergeschoss des Gebäudes Platz. Dort findet sich auch der Wechselrichterraum für die Photovoltaikanlage, in dem Geräte von vier verschiedenen Herstellern installiert sind.
Erprobung der eigenen Systeme
Die vier Wechselrichtersysteme, die in der Zentrale von AS Solar im Einsatz sind, haben nicht nur die Aufgabe, den Gleichstrom der Dachanlage in Wechselstrom umzuwandeln, sondern sie dienen noch einem weiteren Zweck. Durch den Einsatz verschiedener Systeme kann dasUnternehmen die Leistung der verschiedenen Geräte beobachten und erproben. Zudem sind auf dem Dach Module von sechs verschiedenen Herstellern im Einsatz, die ebenfalls getestet werden sollen. „Alle Solarprodukte, die AS Solar verkauft, sind auch hier installiert“, erklärt Koithahn.
Hier kommt ein weiterer Aspekt ins Spiel: Durch den Einsatz der Produkte vor Ort und deren Präsentation kann AS Solar die angebotenen Technologien und Photovoltaikprodukte im Betrieb zeigen. Das Unternehmen zeigt sein Engagement, Qualitätsprodukte mit langer Lebensdauer anzubieten, indem es die Produkte „vor der eigenen Haustür“ einsetzt. „Wir sind von unseren Produkten überzeugt“, so Koithahn.
Anspruchsvolle Planung
Nach Aussage von AS Solar war es nicht einfach, dieses ehrgeizige Projekt umzusetzen. Pommerien erklärt: „Ein ganz neues Gebäude auf dem grünen Feld zu errichten, das ist heutzutage sehr einfach. Bei diesem alten Gebäude muss man jedoch das Hirn anstrengen und herausfinden, was alles möglich ist.“ Zudem sei es nicht einfach gewesen, einen Architekten zu finden, der zur Umsetzung einer derartigen Vision bereit war.
Am Ende hat sich der Architekt John M. Frank auf das Projekt eingelassen. Pommerien hat nach eigener Aussage eng mit Frank zusammengearbeitet, damit sichergestellt wird, dass die gewünschten Energieaspekte auch Berücksichtigung finden. „Ich habe bezüglich der Umsetzung viel mit meinem Architektendiskutiert. Architekten halten in der Regel nach anderen Systemen Ausschau und achten nicht so sehr auf einen hohen Wirkungsgrad. Ich glaube aber, dass wir durch das Gebäude nun viele Anfragen von Architekten erhalten werden.“
Reaktionen auf das Gebäude
Auf der Intersolar in München präsentierte AS Solar ein Modell der neuen Zentrale und gab einen Einblick in die Funktionsweise des Gebäudes. Sich direkt in den Räumen aufzuhalten ist jedoch etwas ganz anderes. Einige meinen, das Gefühl in einem Plusenergiegebäude sei etwas Besonderes. Der Schweizer Architekt Werner Schmidt konstruiert bereits seit einigen Jahren Plusenergiehäuser, die einst im wahrsten Sinne des Wortes grün waren. Als Befürworter des Strohballenbaus entwirft und baut Schmidt Häuser, die Temperaturen von bis zu minus 25 Grad Celsius standhalten können, ohne eine Heizung zu benötigen. Er meint, das Gefühl in diesen Häusern sei ruhiger, friedlicher und organischer. „Es ist wie in einem großen Schlafsack“, fasst Hanno Schwab, einer von Schmidts Architekten, zusammen. Pommerien sagt: „Ich selbst wohne in einem Passivhaus und möchte nie wieder woanders wohnen.“ Wie das Team von AS Solar, denkt auch Schmidt, dass ältere Gebäude das Potenzial für passive Plusenergie-Nachrüstung haben. Er stattet ältere Schweizer Häuser mit einer Strohisolierung aus. Im letzten Herbst schloss er ein erfolgreiches Projekt ab. „Ich kann Architekten nicht verstehen, die nicht diesen Weg einschlagen“, so Schmidt. Pommerien von AS Solar stimmt dem zu: „Es ist ganz neu auf dem Markt und wir können damit jetzt zeigen, was möglich ist.“ Ob Pommerien und AS Solar es schaffen werden, ihre Botschaft vom grünen Altbau in die Architekturszene und darüber hinaus zu tragen, wird sich noch herausstellen. Pommerien ist jedoch überzeugt, dass es hilfreich ist, nun im Einsatz zu demonstrieren, wovon man in der Theorie schon lange spricht. Wann die übrigen Photovoltaikanlagen installiert sein werden und ob das Resultat am Ende tatsächlich ein Plusenergiegebäude sein wird, ist allerdings noch unklar. Trotz dieser und weiterer Hürden glaubt AS Solar fest an seine Mission. Dafür jedenfalls ist die neue Zentrale ein klarer Beweis.