Was haben Pink-Floyd-Gitarrist David Gilmour, Ex-Kommissar Horst Schimanski und Country-Barde Gunter Gabriel gemeinsam? Sie leben auf einem Hausboot. Was lange Zeit den Ruf eines zwar romantischen, doch wenig komfortablen Hippieheims hatte, wird immer beliebter: Etwa 500 ständig bewohnte Hausboote gibt es bereits hierzulande; die Zahl soll sich in den nächsten fünf Jahren verdoppeln. Besonders Hamburg und Berlin mit ihren großen Wasserflächen sind attraktive Standorte für die schwimmenden Eigenheime, beide Städte haben jüngst Dutzende neuer Liegeplätze ausgewiesen.
Auch das Lausitzer Seenland im SüdenBrandenburgs, wo zurzeit die Internationale Bauausstellung (IBA) Fürst-Pückler-Land stattfindet, könnte zu einer interessanten Adresse für Hausbootfreunde werden. Denn die IBA-Macher haben einen Realisierungswettbewerb ausgeschrieben, der nach modernen Formen schwimmender Architektur sucht. Diese Wohnschiffe, die in einem der Seen der Region vor Anker gehen sollen, dienen in erster Linie als ungewöhnliche, individuelle Ferienquartiere. Der Wettbewerb ist abgeschlossen, zurzeit suchen die Veranstalter nach Partnern für den Bau der Wohnboote. „Wir sind in Verhandlungen mit einem größeren Investor,der sich in der Lausitz engagieren will – ein internationaler Investmentfonds, der sich auf Wasserprojekte fokussiert hat“, erklärt Michael Feiler, der bei der IBA als Projektbetreuer für die schwimmende Architektur verantwortlich ist. IBA-Geschäftsführer Rolf Kuhn beschreibt die Wettbewerbsanforderungen: „Wir wollten eine Art Wohnmobil auf dem Wasser, das gut durch die Kanäle passt, Wohnkomfort bietet, möglichst energieautark funktioniert und aufgrund seiner Gestalt dem Lausitzer Seenland einen eigenen Charakter verleiht. Wir wollten etwas Neues, keine klassischen Formen, die ein Teilnehmer einfach aus der Schublade zieht und einreicht.“Energieautarkie, ein eigener Charakter, eine Architektur mit Innovationskraft – kein Wunder, dass die Photovoltaik in vielen Modellen eine zentrale Rolle spielt. So auch bei Architekt Robert Schiffers: Der Düsseldorfer hat über eine Beton-Wanne als Schwimmkörper ein halbtonnenförmiges Dach gespannt, das mit 17 Quadratmetern Photovoltaik- und vier Quadratmetern Solarthermiemodulen bestückt ist. Dieses Energieschild ist als sensorgesteuertes Nachführsystem gestaltet; es fährt über den Radius der Außenhaut und richtet sich selbst optimal zur Sonne aus, so dass auch bei Standortwechseln eine maximale Energieausbeute gewährleistet ist. Zugleich verschattet es den Großteil der sonnenzugewandten Fassade und verhindert im Sommer, der Hauptnutzungszeit des Wohnboots, dass sich der Innenraum zu stark aufheizt. Die sonnenabgewandte Seite bleibt zum großen Teil transparent, so dass Tageslicht einfallen kann und der Blick auf See, Ufer und Himmel frei bleibt.
2.520 Kilowattstunden Bedarf
„Im Sommer und in der Übergangszeit erlauben die PV-Anlage zusammen mit dem Batteriespeicher und den Solarthermiemodulen einen autarken Betrieb des Gebäudes“, so Architekt Schiffers, der sich beim Energiekonzept vom Architektenkollegen Gregor Steinke hat beraten lassen. Schiffers kalkuliert für Elektrogeräte wie Kühlschrank, Herd, Wasch- und Spülmaschine sowie für den elektrischen Antriebsmotor einen Jahresbedarf von 1.410 Kilowattstunden. Wird das Boot auch im Winter bewohnt, werden zusätzlich 1.110 Kilowattstunden für die Lüftung mit Wärmerückgewinnung sowie für eine Wärmepumpe benötigt, die das Seewasser als Wärmequelle für Heizung und Warmwasser nutzt. Im Sommer reichen die Solarthermiemodule für die Warmwasser- und Wärmeversorgung aus.Bei einem angenommenen Ertrag von 150 Kilowattstunden pro Quadratmeter kommt Schiffers auf einen PV-Gesamtertrag von 2.550Kilowattstunden – rechnerisch reicht das für die Versorgung aus. Da jedoch im Winter die Energienachfrage höher ist als das Angebot, kann ein Mikrostromgenerator, der mit Pflanzenöl betrieben wird, für die Wärmepumpe zugeschaltet werden. Ein Kleinaggregat mit 2,2 Kilowatt elektrischer Leistung und Abwärmenutzung müsste, so die Berechnungen Schiffers, in der kalten Jahreszeit pro Tag drei bis vier Stunden betrieben werden, um den Bedarf zu decken. Ein mit 30 Litern Treibstoff gefüllter Tank soll für zehn Tage ausreichen. Ein Batteriespeicher mit einer Kapazität von zehn bis 15 Kilowattstunden soll die Überschüsse speichern und zwischen März und September die Tage geringerer Sonneneinstrahlung überbrücken. Schiffers hat sich bei seinem Entwurf von den Hausbooten in Asien und Afrika inspirieren lassen, wo diese Raumform ihren festen Platz hat. „Die mobilen Hausboote haben überall eine ähnliche Konzeption:ein Schwimmkörper, überspannt mit einem bogenförmigen Dach. Ökologisch ist dies auch in der modernen Variante vorbildhaft, da sich so ein großes Volumen bei geringer Außenfläche schaffen lässt. Das hält den Wärmebedarf niedrig. Zudem ist eine solche Gebäudehülle einfach und damit kostengünstig zu realisieren“, erläutert der 37-Jährige. Er kalkuliert Gesamtkosten von 180.000 Euro; die PV-Anlage schlägt dabei mit 9.600 Euro, die Mechanik für das Energieschild mit 4.500 Euro und der Zehn-Kilowattstunden-Batteriespeicher mit 13.500 Euro zu Buche.
Investor für Prototyp
Auch wenn noch kein Investor bereitsteht, um einen Prototypen zu bauen – Schiffers sieht in solchen energieautarken Wohnbooten einen neu entstehenden Markt. „Immer mehr Menschen entdecken die Attraktivität, die ein solch naturnahes Leben auf dem Wasser bietet“, sagt der passionierte Wellenreiter. „Sie sind gerade wegen dieser Nähe zur Natur offen dafür, Photovoltaiksysteme für die Energieversorgung zu nutzen.“ Dabei denkt Schiffers in großen Dimensionen: Der Rheinländer sucht zurzeit nach Partnern, um eine ganze Hausbootsiedlung zu realisieren. „Es gibt genügend alte Hafenanlagen, die nicht mehr benötigt werden und die sich sehr gut als Standort für eine solche Siedlung eignen.“ Parallel zu diesen Plänen beschäftigt sich der Architekt auch theoretisch mit dem Thema: Schiffers schreibt zurzeit an einer Doktorarbeit mit dem Thema „Schwimmende Architektur im Kontext schrumpfender Städte und Regionen“.Auch im Entwurf der Architekten Ricarda Zschekel, Alexander Balzer und Steffen Frömter in Zusammenarbeit mit DieterGechter aus dem Dresdener Büro NBHG Architekten nimmt die Photovoltaik eine Schlüsselrolle bei der Energieversorgung ein. Anders als Schiffers hat das Team die Wandflächen bis nahe an die Wasseroberfläche komplett mit PV-Modulen verkleidet – die insgesamt 30 Quadratmeter sollen eine Leistung von mindestens 2.000 Kilowattstunden erzielen, was ausreicht, um die gesamte Bordelektronik zu versorgen. Eine Siliziumtexturfolie schützt die Zellen vor Spritzwasser. „Durch die Reflexion der Wasseroberfläche und die allseitige Anordnung der Module ist bei jeder zufälligen Lage zur Sonne auf dem Wasser ein maximaler Ertrag möglich“, sagt Alexander Balzer. Ein Akku mit einer Kapazität von fünf Kilowattstunden übernimmt das Speichern nicht benötigter Energie. Der umfassende PV-Einsatz hat für das Architektenteam nicht nur praktische Bedeutung, sondern auch eine symbolische, denn sie verstehen ihre solare Architektur als Brücke in die Zukunft: „Der Süden Brandenburgs wurde einst in einen riesigen Tagebau verwandelt, um die Energieversorgung der DDR zu sichern. Mittlerweile ist das ehemalige Braunkohlerevier zu einer landschaftlich reizvollen Region geworden. Beides zusammen bildet die Seele des Ortes“, so Ricarda Zschekel. Deshalb hat die Gruppe für die Formensprache ihres Modells einen ungewöhnlichen Bezug gewählt: „Unser Ansatzpunkt ist, die Erinnerung an den hier einst tätigen Schaufelradbagger SRs 6300 wieder aufkommen zu lassen. Zugleich wollen wir diese Erinnerung mit gestalterischer und technischer Innovation und dem Erlebbarmachen von Natur verbinden“, sagt Dieter Gechter.Die Wärmeversorgung übernimmt im Entwurf der Dresdener Baumeister ein mit Flüssiggas betriebener Generator, so dass das Boot auch im Winter bewohnbar ist. Die Architekten haben sich aus zwei Gründen gegen eine Wärmepumpe entschieden: „Die für den Betrieb notwendige elektrische Energie könnte mit dem heutigen Stand der Technik nur schwer vom Gebäude selber erzeugt werden. Dazu kommen die hohen Investitionskosten“, so Steffen Frömter. Er rechnet für das Wohnboot mit einem Kaufpreis von 163.000 Euro inklusive aller Nebenkosten, darin enthalten sind die PV-Module mit Kosten von 12.000 Euro sowie die Solar- und Generatorakkus mit 5.000 Euro.
Sonnenstrom auch an Land
Nun muss jedoch auch das Wohnboot mit dem ausgefeiltesten Energiekonzept einmal an Land – schon um Trinkwasser nachzufüllen und den Kühlschrank frisch zu bestücken. Mindestens vier Marinas sollen an den Ufern des Seenverbunds entstehen, die den Bootsbesitzern die nötige Infrastruktur bieten. Teil dessen sind auch Stromanschlüsse – „obwohl es unser Ziel ist, dass die Wohnboote diese gar nicht benötigen“, erklärt Volker Mielchen, der beim Zweckverband Senftenberger See für die Planung dieser Anlegestellen zuständig ist. Auch hier ist Photovoltaik gefragt: „Wir sind eine innovative Urlaubsregion. Dies wollen wir unseren Gästen auch anhand der Energieversorgung zeigen. Deshalb hat die Nutzung der Sonnenenergie für uns eine wichtige symbolische Bedeutung“, erläutert er. Noch steckt die Planung für die Anlegestellen in einem frühen Stadium. Doch schon 2011 sollen am Stadthafen in Senftenberg die ersten Boote vor Anker gehen.