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Schön und effizient

Wer eine große Freiflächenanlage mit Solarkonzentratoren betrachtet, dem fällt zuerst das enorme Ausmaß der Tracker ins Auge. Zur Illustration die Maße eines Systems von Amonix: Hier sind sieben konzentrierende Photovoltaikmodule in einem Rechteck von 22 mal 15 Metern auf einem einzigen Nachführsystem montiert. Als Professor Anna Dyson einen Artikel über die großen Stromerzeuger las, die Amonix und andere Firmen im Jahr 2000 mit Fresnel-Linsen und Nachführsystemen entwickelten, dachte sie sofort an das Verkleinerungspotenzial von Konzentratoren.

Dyson lehrte Produktdesign und Produktinnovation in den Fächern Engineering und Architektur am Rensselaer Polytechnic Institute in New York, als sie tatsächlich die Möglichkeit bekam, die Technik zu miniaturisieren und in die Architektur zu integrieren. „Ich betrachtete die riesigen Tracker und sagte, wir müssten versuchen, ein Trackingsystem für eine Gebäudehülle zu entwickeln“, sagt sie. Das ist der Teil des Gebäudes, der innen und außen trennt. Also nicht nur die Wände, sondern auch das Dach und die Fenster. „Ich erkannte, dass man hier mit einer hoch effizienten Technik arbeitete, und ich stellte mir eine architektonische Umsetzung vor.“

Dyson überlegte sich, dass diese Technik sehr gut das Tageslicht in das Gebäude leiten könnte. Ein wichtiger Faktor, denn aktuelle medizinische Studien zeigen, dass die meisten Menschen, um gesund zu bleiben, deutlich mehr Tageslicht brauchen. Zudem hat die neue Technologie das Potenzial, den gesamten Energiebedarf eines Gebäudes abzudecken. Dazu werden die einzelnen Konzentratoren in der Fassade zu einem einzigen System zusammengefasst. Darin sind Strom, Warmwasser, Heizung und Kühlung eingeschlossen. Dyson fertigte eine Konzeptskizze und machte sich zusammen mit einigen Partnern an der Universität an die Umsetzung ihrer Erfindung.

Der Idee folgte ein Jahrzehnt interdisziplinärer Forschung, unter anderem gefördert vom amerikanischen Energieministerium. Das vorläufige Ergebnis sind sechs Generationen Prototypen von Minikonzentratoren. Noch trägt die Technik den Namen Integrated Concentrating Solar Facade System – Integriertes Solarfassaden-System. Dieser etwas sperrige Name wird wohl durch einen eingängigeren ersetzt werden, wenn die Minikonzentratoren als Produkt auf den Markt kommen. Daran arbeitet gegenwärtig eine Forschungs- und Entwicklungs-Kooperation zwischen dem Rensselaer Polytechnic Institute, dem Architekturbüro Skidmore, Owings & Merrill und einigen anderen Ingenieur- und Architekturbüros. Zum Einsatz wird sie an der Fassade des Center for Architecture Science and Ecology (CASE) kommen.

Derzeit sollen die Minikonzentratoren in einer Reihe von Pilotprojekten eingesetzt werden. Den Beginn macht ein Projekt an der Universität von Syracuse im Staat New York: Auf einer Fläche von über 7,5 Quadratmetern sind 64 Konzentratoren verteilt. Sie fügen sich nahtlos in die gläserne Fassade ein.

Harmonisches Wabenmuster

Die Solarfassade besteht aus einer Glasfront, in die die pyramidenförmigen Konzentratoren in einem Wabenmuster eingebettet sind. An Drähten aufgehängt, richten sie sich nach dem Lauf der Sonne aus. Gemäß der Tageszeit werden sie von Ost nach West gedreht, und je nach Sonnenstand bewegen sie sich von unten nach oben. Jeder Konzentrator ist mit einer Fresnel-Linse ausgestattet. Sie bündelt das Licht knapp 500-fach und leitet es auf eine briefmarkengroße Spectrolab-Solarzelle aus hocheffizientem Galliumarsenid. Im Labor haben Spectrolab-Zellen eine Effizienz von 38,2 Prozent erreicht. Unter normalen Bedingungen liegt ihr Wirkungsgrad bei ungefähr 30 Prozent.

Das System ist zwischen zwei Glasscheiben eingeschlossen und liefert sowohl Strom als auch Wärme. Wenn das Sonnenlicht mehrere hundert Mal konzentriert wird, wird es ganz schnell ganz schön heiß. Damit die Solarzellen optimal arbeiten können, muss diese Wärme abgeführt werden. Diese Notwendigkeit nutzt Anna Dyson mit ihrem System zum Nutzen des Gebäudes. Kühlkörper an der Rückseite der Solarzellen absorbieren die Hitze und erwärmen eine Kühlflüssigkeit hinter den Konzentratoren. So schlagen die Architekten zwei Fliegen mit einer Klappe: Sie kühlen die Zellen, die sich im 500-fach konzentrierten Sonnenlicht stark erhitzen und dabei an Leistung verlieren, während das Kühlsystem die Abwärme aufnimmt und für das Gebäude nutzt. Jenny Chase, Solaranalystin bei Bloomberg New Energy Finance drückt das so aus: „Wärmeerzeugung und konzentrierende Photovoltaik können gut kombiniert werden, weil eine Komponente Wärme benötigt und die andere Komponente Wärme abgeben will.“

Doppelter Nutzen

Insgesamt erwartet das CASE eine Ausbeute zwischen 60 und 80 Prozent der Sonnenenergie – entweder als Strom oder als Abwärme für das Gebäude. Wegen dieser hohen Effizienz sind die Forscher vom CASE überzeugt, dass Kosten und Amortisationszeit der Fassade nur einen Bruchteil dessen betragen werden, was herkömmliche Solarprojekte benötigen.

Schließlich sind die Möglichkeiten vielfältig: Strom, Warmwasser und Wärme, aber auch Tageslichteinbindung über Dachfenster und Kühlung des Gebäudes. Dazu sagt Dyson: „Die Anschaffungskosten mögen höher sein. Die zusätzlichen Wärme- und Tageslicht-Merkmale des Solarstromsystems bedeuten jedoch auch eine deutlich kürzere Amortisationszeit.“

Die Berechnung des Amortisationszeitraumes ist allerdings recht trickreich. Das Wetter, die Projektgröße, der Wärmebedarf des Gebäudes und Kundenwünsche, auf welche Weise die Abwärme genutzt werden soll, müssen hier mit einbezogen werden. „Es ist ziemlich günstig, Wasser mit Solarenergie zu erhitzen, aber nicht überall werden große Wassermengen benötigt“, sagt Chase und fügt hinzu: „Ungenutzte Kapazität bedeutet im Endeffekt, dass sich das System nicht so schnell amortisiert.“ Den Reiz der dynamischen Solarfassade macht auch die Ästhetik aus, nicht allein die wirtschaftlichen und ökologischen Vorteile. Sie ist weit mehr als nur ein Blickfang. Die Konzentratoren lassen das Tageslicht passieren, so dass es ins Gebäude dringt und tagsüber der Bedarf an künstlichem Licht vermindert wird. „Wie bei teilweise geöff neten Jalousien kann man am Tag durch die Konzentratoren hindurchsehen. Nur nicht mittags, wenn sie komplett geschlossen sind“, sagt Michael Jensen, Professor für Maschinenbau am Rensselaer Polytechnic Institute. Denn im Gegensatz zu Jalousien oder Vorhängen bewegen sich die Konzentratoren ja. In südlichen Klimazonen, in denen sich die Hitze im Gebäude gerade in der Mittagszeit unangenehm staut, kann durch das Ableiten eines großen Teils der Wärme das Raumklima für die Menschen angenehmer gemacht werden. Das gilt gerade für Gebäude mit vielen Fenstern, in denen die Menschen unter den erdrückenden Temperaturen leiden. Das bedeutet gleichzeitig, dass sie weniger Klimatisierung benötigen, wodurch Energiebedarf und Kosten gesenkt werden.

Ein Juwel für Gebäudeentwickler

Laut Chase können diese baulichen Eigenschaften für Architekten und Planer nützlich und attraktiv sein. Sie erklärt, dass in Amerika aus Prestigegründen viele Wolkenkratzer durch besondere Merkmale hervorstechen sollen. Die Mittel, die gewählt werden, sind oft unökonomisch, wie beispielsweise eine helle Beleuchtung, die die ganze Nacht über eingeschaltet ist. „Hier hängt ein großer Teil des Erfolgs einer Fassade davon ab, wie gut sie vermarktet wird“, sagt Chase.

Auch andere erkennen die ästhetische Komponente. Das Fashion Institute of Technology in New York plant, sein Studentenzentrum mit der Solarfassade auszustatten, um in ein paar Jahren warmes Wasser für die Cafeteria und Strom für die LED-Arbeitsleuchten zur Verfügung zu stellen. Nicholas Holt von Skidmore Owings & Merrill (SOM) nennt die Fassade „eine wundervolle potenzielle Entwicklung“. „Etwas, das effizienter ist als Konkurrenztechnologien und dazu noch atemberaubend schön – uns Architekten gefällt das“, erklärt Holt und sagt überschwänglich, dass das Ensemble von Konzentratoren, in einer Dachschräge montiert, aussehe wie eine „juwelenartige Erscheinung, die über einem wie in einer Wolke schwebt“.

Das CASE hat immer noch einen weiten Weg bis zur Markteinführung der dynamischen Solarfassade vor sich. Eine neue Technologie herzustellen ist kein leichtes Unterfangen. Innovative Start-up-Unternehmen stehen vor dem Henne-Ei-Problem: Die Produktion ist anfangs sehr teuer. Um Kunden zu gewinnen, müssen sie die Kosten senken, aber das gelingt nur, wenn gleichzeitig viele Systeme hergestellt werden.

Bei dem heutigen Finanzklima scheuen die Investoren Risiken. Sie bevorzugen konventionelle Technologien. Projekte mit hoher Eingangsfinanzierung sind schwieriger an den Mann zu bringen, auch wenn das System langfristig niedrige Kosten verspricht. Auch wenn es Kredite für neue Technologien gibt, so ist die Finanzierung tendenziell teurer und die höheren Raten können die Gesamtkosten des Projekts schließlich deutlich in die Höhe treiben. Michael Jensen vom Rensselaer Polytechnikum zufolge arbeitet das Team daran, die Kosten weiter zu senken.

Das sind beispielsweise die Zuverlässigkeit und die Wartung. Offene Fragen in diesen Bereichen können die Finanzierung noch erschweren. Man stelle sich vor, wie ärgerlich es wäre, wenn der Sichtschutz steckenbliebe. Bauunternehmer könnten sich sorgen, dass die Eigentümer höhere Wartungs- und Reparaturkosten in Kauf nehmen müssen, wenn im System etwas schiefläuft. Während Dyson meint, dass die Wartung zusammen mit dem Fensterreinigungsplan stattfinden kann, warnt Architekt Holt davor, dass die Probleme neuer Technologien erheblich sein können, auch weil das Wartungspersonal speziell für die neuen Systeme geschult werden muss. Erschwerend kommt hinzu, dass konzentrierende Systeme in der Vergangenheit nicht immer verlässlich waren.

Wichtiger Unterschied

Konzentrierende Photovoltaiksysteme , wie die, die Anna Dyson anfänglich inspiriert haben, befinden sich allerdings in der Regel im Freien. Sie müssen Wind, Regen, Schnee und Hagel standhalten. Sie neigen dazu, zu korrodieren oder die Präzision bei der Nachführung zu verlieren. Schon kleine Ungenauigkeiten können zu großen Leistungseinbußen führen. Sie müssen sehr exakt ausgerichtet werden, damit das Licht auf die kleinen Zellen gebündelt wird. Da die Fassade – in Glas eingeschlossen – jedoch Teil des Gebäudes ist, ist sie den Elementen kaum ausgesetzt. Nach Einschätzung des CASE wird das zu erhöhter Stabilität und Verlässlichkeit führen. „Außerdem“, fügt Dyson hinzu, „ist die Fassade zwar in Glas eingeschlossen, aber das System ist im Falle eines Fehlers jederzeit über eine Tür im Fenster erreichbar.“ Bei sinkenden Kosten für die herkömmliche Photo voltaik stehen konzentrierende Technologien unter einem immer stärkeren Konkurrenzdruck. „Photovoltaik wird so günstig, dass es einfach billiger sein kann, ein Photovoltaiksystem auf dem Dach anzubringen und ein herkömmliches Heizungs- und Klimatisierungssystem damit zu betreiben“, sagt Solaranalystin Jenny Chase. Auch wenn Dünnschichttechnik weniger effizient sei, sei sie doch potenziell billiger und berge nicht das Risiko, dass im Falle eines Lecks im Kühlsystem Wasser aus dem Fenster austrete.

Erfinderin Dyson lässt sich von solchen Argumenten nicht beeindrucken: „In den meisten Fällen müsste praktisch das ganze Gebäude mit Dünnschicht bedeckt werden, um einen wesentlichen Teil der Energie- und Wärmekosten abdecken zu können.“ Laut Dyson könnte die flexible Solarfassade, wenn nichts dazwischen kommt, in weniger als fünf Jahren Marktreife erreichen.

Auch die beiden Architekten Holt und Jensen halten eine Markteinführung innerhalb von fünf Jahren für realistisch. Wegen des modernen Hightech-Aussehens der Fassade rechnet das CASE in einer ersten Phase vor allem mit Anfragen aus der Geschäftswelt. Langfristig wollen sie aber auch den Markt für Privatkunden bedienen.

Jennifer Kho

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