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“Sieben Gewerke koordiniert“

Im Auftrag des Gentner Verlages haben Sie die Sanierung des Verlagsgebäudes geplant und umgesetzt. Was war zu tun?

Errol Munding: Das Gebäude befindet sich im Stuttgarter Westen, es besteht aus zwei Teilen: dem Altbau zur Forststraße hin und einem Anbau aus späteren Jahren. Wir haben alle Fenster erneuert und mit moderner Dreifachverglasung ausgestattet. Es sind neue Kunststofffenster eingebaut worden, die in der Region gefertigt wurden. Außerdem wurde das Gebäude außen komplett gedämmt. Die erhaltenswerte Fassade zur Forststraße hin erhielt eine Innendämmung aus Kalziumsilikatplatten. Die Dachdeckung wurde komplett erneuert und neu gedämmt, auch wegen der Photovoltaikanlage.

Wie viel Kilowatt Photovoltaik wurden installiert?

Wir haben zwei Schrägdächer nach Osten und Westen mit jeweils 19 Kilowatt belegt. An der Südfassade und dem Süddach, die unverschattet sind, haben wir zusätzlich 14 Kilowatt installiert. Die Module stammen von der Firma Heckert Solar. Auf dem Dach haben wir polykristalline Module verbaut, an der Fassade monokristalline Module.

Haben Sie auch die Anlagenplanung gemacht?

Für die energetischen Belange arbeiten wir mit einem versierten Planer zusammen. Die Photovoltaik nebst Speichern gehörte zu einem Auftrag der Stadtwerke Stuttgart. Die Kooperation lief sehr gut. Herr Ronzani von den Stadtwerken hat alles organisiert, und die Abwicklung lief perfekt. Er hat sich um die Dachbelegung gekümmert, um die Anlage an der Südfassade und den Installateur. Den Zuschlag erhielt die Firma Novatech, die die Solarfassade montiert hat.

Jedes Gebäude ist anders. Welche Herausforderungen hatte das Verlagsgebäude?

Zum einen waren die Fassaden nicht gerade, sie wichen bis zu 15 Zentimeter vom Lot ab. Das mussten wir mit dem Gipser durch die Dämmung ausgleichen. Die Photovoltaikanlage an der Fassade hat die Eigenheit, dass man die Module erst montieren kann, wenn das Gerüst abgebaut ist, da man die Fassade dämmen, verputzen und streichen muss, bevor die Module angebaut werden können. Am Schluss – nach Gerüstabbau – braucht man dann zur Montage der Fassadenmodule einen Steiger.

Wie ist die Solarfassade angebunden?

Die Halterungen für das Fassadengestell gehen durch die Dämmung hindurch. Das muss genau ausgemessen und sehr sorgfältig vor Ort geplant werden. Falls die Wand nicht gerade ist, ragen die Halter unter Umständen nicht weit genug aus der Dämmung heraus. Es kann passieren, dass sie zwar oben stimmen, aber in der Mitte in der Dämmung verschwinden beziehungsweise umgekehrt. Beim Neubau ist das nicht so wichtig, dort werden die Wände normalerweise ordentlich ausgerichtet. Aber beim Altbau muss man auf alle Überraschungen gefasst sein – wie das Gebäude des Gentner Verlages beweist.

Welche Dämmung haben Sie gewählt?

Wir wollten kein Styropor, deshalb haben wir Steinwolle verwendet. Die ist zwar teurer und dämmtechnisch schlechter, aber nachhaltig, und auf lange Sicht zahlt sie sich aus. Außerdem wollte der Geschäftsführer ein nicht brennbares Material an der Fassade zur Sicherheit seiner Mitarbeiter.

Wo haben Sie die Hauptleitung des Dachgenerators ins Gebäude geführt?

Dafür haben wir einen stillgelegten Kamin genutzt, ebenso für die DC-Leitung von der Fassadenanlage. In der früheren Druckerei, die heute als Lager genutzt wird, haben wir die Wechselrichter und die Stromspeicher installiert. Die Wechselrichter kommen von SMA, die Speicher von IBC Solar. An der Außenwand wurden zwei Wallboxen von Mennekes montiert, um die Mitarbeiter zur Elektromobilität zu ermuntern. Noch geplant ist eine Station für Pedelecs.

Wie viele Gewerke haben Sie koordiniert?

An dem Verlagsgebäude waren es sieben verschiedene Gewerke. Bei einem Neubau sind es in der Regel zwölf bis 15. Normalerweise sollten die Gewerke wie die Finger von zwei Händen ineinandergreifen. Aber meistens fehlt ein Finger und es klappt doch nicht ganz so reibungslos. Meiner Vorstellung nach hätten wir schneller fertig werden können, aber derzeit sind die Handwerker zu gut ausgelastet. Da schreiben sie die Leistungen nicht nur nach dem Preis aus, sondern auch nach der Verfügbarkeit der Handwerker. Der Hauselektriker beispielsweise hatte keine Kapazitäten frei, da mussten wir auf eine Firma wechseln, die das Gebäude noch nicht kannte.

Haben Sie die Bauleitung selbst gemacht?

Natürlich, bei so einem anspruchsvollen Projekt muss man ganz genau hinschauen. Und man sollte viele Sprachen beherrschen, weil die Handwerker manchmal nicht einmal Deutsch sprechen und verstehen.

Haben Sie auch die Installation der Solarkomponenten überwacht?

Das habe ich an Herrn Ronzani von den Stadtwerken abgegeben, er hat sich um alles gekümmert – bis hin zur Inbetriebnahme.

Haben Sie Erfahrung mit Photovoltaik?

Die ersten Erfahrungen habe ich schon Ende der 90er in Südafrika gemacht, wo ich damals auch gebaut habe. Das waren einzelne Solarelemente mit Batteriespeichern. Zu dieser Zeit ging es auch in Deutschland los. Ich bin ein großer Fan von Wärmepumpen, das passt gut mit Sonnenstrom zusammen. Nach der Jahrtausendwende hatte ich dann mein erstes Photovoltaikprojekt als Architekt.

Wie teuer waren die Anlagen damals?

Damals gab es 65 Cent je eingespeister Kilowattstunde. Und auf meinem Wohnhaus habe ich seit 2007 rund sieben Kilowatt. Die Module sind von Solon. Ich habe damals in Degerloch unterm Fernsehturm eine alte Jugendstilvilla übernommen, um sie umzubauen und energetisch voll zu sanieren – mit Dreifachverglasung und Vollwärmeschutz. Allerdings habe ich dort mit hochdämmenden dünnen Phenolharzplatten gearbeitet. Zudem wurde eine Erdwärmepumpe eingebaut, mit zwei Bohrungen von je 160 Metern Tiefe.

Nutzen Sie Solarthermie?

Nein. Für die Übergangszeit habe ich einen offenen Holzkamin mit Wassertaschen.

Wird die Photovoltaik zum Standard in Ihrem Geschäft als Architekt?

Beinahe sind wir schon so weit. Bei Einfamilienhäusern baue ich fast ausschließlich Photovoltaik und Wärmepumpen ein, selten nur Solarthermie. Bei Gewerbegebäuden hoffe ich, dass die Sanierung des Verlagshauses von Gentner mitten in Stuttgart Schule macht. Hier konnten wir wirklich zeigen, was technisch machbar und obendrein wirtschaftlich sinnvoll ist.

Das Gespräch führte Heiko Schwarzburger.

munding-architekten.de

Errol Munding

hat im Februar 1984 sein Architekturstudium abgeschlossen. Danach war er sieben Jahre lang bei einem Ingenieurbüro und Bauträger in Stuttgart beschäftigt. Seit 1991 betreibt er ein eigenes Architekturbüro. Derzeit hat er vier Mitarbeiter, seine Projekte findet er vornehmlich in der Region Stuttgart. Darüber hinaus ist er bundesweit tätig. Er plant und realisiert Wohnbauten und kleinere Bürogebäude, auch Autohäuser. Seine Hauptschwerpunkte sind der Neubau, die Sanierung und der Umbau von Villen, Einfamilien- und Mehrfamilienhäusern sowie denkmalgeschützte Bauten, möglichst unter Einbindung alternativer Energien, wenn es die Denkmalämter erlauben.

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