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Technik von der schönen Seite

Eine der interessantesten Architekturausstellungen für nachhaltiges Bauen mit Solartechnologie ist der Solar Decathlon Europe (SDE), der alle zwei Jahre stattfindet, zuletzt vom 14. bis 30. September in Madrid. Hier wird nicht nur über Konzepte und Einzellösungen diskutiert. Alle Träume werden gebaut und nebeneinander ausgestellt.

20 Teams, auch aus nicht-europäischen Ländern, werden eingeladen, umweltfreundliche Wohnhäuser zu entwickeln, die sich zerlegen, transportieren und in elf Tagen wieder auf dem SDE-Gelände errichten lassen. Dort werden die Häuser zwei Wochen lang öffentlich ausgestellt, mit Live-Monitoring im Internet überwacht, bewertet in zehn Einzelwettbewerben – daher „Decathlon“ – und von sechs Jurys mit je drei Juroren beurteilt. Eingeladen werden Studententeams, doch das professionelle Niveau ist hoch. Die Studenten erhalten eine Menge Unterstützung von Unternehmen, ihren Universitäten und von Ministerien ihrer Heimatländer. Zwei der eingeladenen Teams, Großbritannien und Ägypten, fanden jedoch keine ausreichende Unterstützung und konnten ihre Arbeit nicht in der spanischen Hauptstadt Madrid ausstellen.

Etwa die Hälfte der 18 Solarhäuser, die im Park Casa de Campo im Südwesten Madrids zu sehen waren, zeigten, was konsequente Integration von Photovoltaik in die Architektur bedeutet: Photovoltaik macht sich unauffällig – oder zeigt sich von der schönen Seite. Die andere Hälfte bestand aus durchweg schönen, teils futuristischen, teils konservativen Gebäuden mit mehr oder weniger auffälligem Photovoltaik-Appeal bis hin zur Dominanz, wie beim „Para Eco-House“ des chinesischen Teams, mit Trackern auf dem Dach, dessen edle Bambus-Glas-Fassade mit Wasserrohren und unzählbar vielen kleinen Solarmodulen dekoriert war, zur Bewässerung von Pflänzchen, die von den Modulen fast vollständig verdeckt wurden.

Ehrgeiziges Projekt

Den ersten Preis im SDE-Wettbewerb gewann das Team Rhône-Alpes (Frankreich) mit seinem Haus Canopea, das auch in den Einzeldisziplinen oft hoch bewertet wurde, unter anderem den ersten Preis der Architektur-Jury und den zweiten Preis der Jury Industrialisierung und Marktfähigkeit. Es war das ehrgeizigste der ausgestellten Bauprojekte, getragen von einer Reihe von Hochschulen in der Region und eingebettet in das Stadtplanungsprojekt Grenoble Presqu’île mit einem geplanten Investitionsvolumen von 1,3 Milliarden Euro in 15 Jahren. Geplant ist eine Ökostadt auf 250 Hektar auf der „Halbinsel“ zwischen den Flüssen Drac und Isère im Norden Genobles, für wissenschaftliche Einrichtungen, Firmen sowie 10.000 Einwohner plus 10.000 Studenten.

Für den Solar Decathlon Europe baute das Rhône-Alpes-Team die beiden obersten Stockwerke eines der geplanten acht- bis zehnstöckigen „Nanotower“ auf: unten eine flexibel um die Wohnküche herum konfigurierbare 70-Quadratmeter-Wohnung mit Ausblick in alle Himmelsrichtungen; oben eine Sommerküche fürs ganze Haus, ein Wäscheraum und ein großer Gemeinschaftsraum, abgedeckt mit semitransparenten Solarmodulen.

Insgesamt 10,7 Kilowatt Photovoltaik waren auf dem Dach installiert. Die SDE-Regeln beschränken die nominale Photovoltaikleistung aller Häuser auf zehn Kilowatt. Zehn hybride Module von Solaire 2G versorgten das Haus mit Solarstrom und Wärme. Und über dem Gemeinschaftsraum waren semitransparente Module von Total/Tenesol installiert. Auf die Unterseite dieser Module war ein Muster in Grün aufgesprüht worden, um den Eindruck zu erzeugen, man befinde sich im Halbschatten von Laubbäumen, wie bei der Führung erklärt wurde, doch der Effekt funktionierte nicht so ganz unter der erbarmungslosen Sonne Madrids.

Das Haus war, wie alle Gebäude des Solar Decathlon Europe, eingebunden in ein Micro Smartgrid von Schneider Electric. Das Rhône-Alpes-Team verwendete unter anderem auch ein Haustechnik- und Energiemanagement-System der Firma, inklusive Tablet-Computer zur Kontrolle der Elektroanlagen im Gebäude und der Elektroautos davor.

Effizienz und Balance

Den zweiten Preis in der Gesamtwertung bekam das Team Andalucía (Spanien) für sein Haus Patio 2.12. Die meisten Punkte bekam das Haus in den Disziplinen Energieeffizienz und Energiebalance. Es bestand aus vier Wohnboxen mit bewässerbaren Keramikwänden, die um einen Innenhof herum gruppiert wurden – den Wärmeregulator des Hauses, mit elektronisch steuerbaren Dachfenstern und grünen, blattförmigen Schattenspendern. Die Photovoltaik war auf den nach Süden geneigten Dächern der vier Wohnmodule untergebracht: vier voneinander unabhängige Reihen monokristalliner 333-Watt-Module von Sunpower, insgesamt 11,3 Kilowatt, angeschlossen an vier SMA-Wechselrichter und Batterien. Das italienische Team Med in Italy, zu dessen Kern zwei Universitäten in Rom gehörten, bekam den dritten Preis in der Gesamtwertung vor allem wegen guter Bewertungen in den Kategorien Architektur und Nachhaltigkeit. Bei ihrem Haus dominierte optisch die Photovoltaik, aber das auf sehr ästhetische Weise: das Gebäude, ein Kubus mit großer Südterrasse hinter hohen Mauern, war umschlossen von einer riesigen Klammer aus polykristallinen Solarmodulen von Winaico, dunkelblau mit dezenten Nadelstreifen bei einer Leistung von 11,4 Kilowatt.

Verschiedene Denkweisen

Die Beurteilung der Photovoltaikanlagen ist vor allem die Aufgabe der Jury Technik und Konstruktion. Sie bewertet alle Installationen im Haus, die Integration der Photovoltaik- und Solarthermie-Systeme sowie Struktur und Akustik der Häuser. Ihr erster Preis in der Einzelwertung ging an das Team der Hochschule Konstanz für das Haus Ecolar, das aus frei zusammensteckbaren hölzernen Hohlkastenprofilen konstruiert war, die mit Hanf aufgefüllt wurden. Dazu kamen Holzböden und Holzdecken mit integrierten wasserdurchführten Platten aus Lehm und Phasenwechselmaterialien, viel Glas und viel Solartechnologie, die aber kaum zu sehen war. Sie legtenviel Wert auf Gebäudeintegration, erklärten zwei Mitglieder der Technologiegruppe im Ecolar-Team am zweiten Tag des Wettbewerbs. „Die Technik wurde in die architektonische Konzeption aufgenommen, damit Technik nicht wie Technik aussieht und für einen Laien nicht mehr sichtbar ist“, erklärte der Architekturstudent Jan Heider. Und Manuel Schleich, der Elektrotechnik studiert, erklärte: „Für mich als Elektrotechniker war es sehr interessant, die verschiedenen Denkweisen kennen zu lernen, immer wieder die Mitte zu finden zwischen den drei Oberbegriffen Design, Wirtschaftlichkeit und Technologie. Man kriegt das gesamte Spektrum mit, wie im realen Leben. Es war super, dass wir in unserem Team auch Leute mit Ausbildung als Zimmermann oder Schreiner hatten, die viel Wissen über Werkzeuge mitbrachten.“ Das 13-Kilowattpeak-Solardach des Hauses bestand aus 24 polykristallinen Modulen von Sunways in Zusammenarbeit mit Ertex Solar, über dem Eingangsbereich laserperforiert, um Licht durchzulassen. Unter den unperforier-ten Photovoltaikmodulen hatte das Team Kunststoff-Flächenabsorber eingesetzt, die ihre Abwärme aufnahmen und an eine Wärmepumpe weiterleiteten. Zusätzlich hatte das Team die Ost- und Westfassaden mit großen, lichtdurchlässigen, anthrazitfarbigen Dünnschichtmodulen von Soliker verkleidet. Sie waren jedoch aufgrund der Beschränkung auf maximal zehn Kilowatt Leistung im SDE-Wettbewerb nicht angeschlossen, sondern zeigten lediglich, wie gut Solarmodule aussehen können – besonders wenn sie, wie hier, direkt an einem flachen Wasserpool mit Kieselbett stehen, der Licht reflektiert und damit ihre Leistung erhöhen könnte.

Das Team errang den vierten Platz in der Gesamtwertung, einen weiteren ersten Preis in der Kategorie Industrialisierung und Marktfähigkeit und den dritten Preis im Wettbewerb Energieeffizienz, der wegen Punktegleichstand zweimal verliehen wurde. Ecolar wird nach dem SDE von der Hochschule Konstanz und dem Bundesland Baden-Württemberg als Forschungshaus genutzt.

Sehr viel selbst gemacht

Den zweiten Preis in der Kategorie Technik und Konstruktion bekam das Team von der Budapester Universität fürTechnologie und Wirtschaft. Auch sie verbanden Photovoltaik mit Wassersystemen zur Kühlung oder Heizung ihres Hauses Odooproject, ohne Solarthermie zu verwenden. Hinter der Südfassade, die mit schwarzem Holz und 14 Dünnschichtmodulen mit je 135 Watt verkleidet war, fanden Wassercontainer Platz, die über Rohre unter dem Fußboden des Hauses mit einem Puffertank verbunden waren, der das Heizungs- und Kühlungssystem des Hauses durch einen Wärmetauscher verband. In diesen Wasserzyklus war auch das Dach einbezogen. Dort war die Hauptenergiequelle des Hauses untergebracht: 28 monokristalline 255-Watt-Module, mit schwarzem Rahmen, flach nebeneinandergelegt über dem Dach mit einer Neigung von sechs Grad nach Süden.

Die Studenten hatten ein Sprinklersystem für das Solardach erfunden, um während der Nacht Wasser zu kühlen, das tagsüber zur Kühlung des Hauses verwendet wurde. Auch beim Design und der Einrichtung der Photovoltaiksysteme mit Modulen und Wechselrichtern von Schüco sowie Überspannungsschutz und Energiezähler von Siemens hatten die Studenten sehr viel selbst gemacht, erklärte Péter Dudás, der Student, der die Gruppe Elektroingenieure des Teams leitete: „Die Studenten hatten die Kenntnisse.“ Das Team belegte den sechsten Platz in der Gesamtwertung, den zweiten Platz in der Kategorie Komfort, und im Wettbewerb Energieeffizienz erhielten sie den dritten Preis zusammen mit dem Team aus Konstanz.

Draußen in der Welt sieht BIPV größtenteils noch anders aus. Die drei Mitglieder der Architektur-Jury waren sich einig, dass Photovoltaikexperten und Architekten viel stärker zusammenarbeiten müssen. „Wenn ich provozieren wollte“, sagte Mario Cucinella, „würde ich sagen, dass Photovoltaik immer noch eine relativ primitive Technologie ist. Heute lautet die Fragestellung: Wie können wir mehr Solarenergie produzieren? Und die Antwort lautet: viele Panels produzieren und ihre Effizienz steigern. Würde man morgen nach mehr Qualitätsarchitektur mit Photovoltaik fragen, dann wäre die Antwort komplexer. Um Photovoltaik zu einer architektonischen Komponente, einem Element des Gebäudes zu machen, müssen wir stärker daran arbeiten, diese Technologie in den Konstruktionsprozess zu integrieren,besonders in den Designprozess. Hier werden Fortschritte gemacht, doch in dieser Hinsicht sind wir immer noch sehr primitiv.“ In Italien, sagte er, gibt es eine große Debatte über die Integration in die Landschaft. „Landschaftsarchitek- tur ist ein Teil der Geschichte eines Landes. Man kann nicht die Geschichte eines Landes zerstören, indem man überall Panels platziert. Wir müssen uns also mehr auf das Verhältnis von Technologie, Kulturen und Architektur konzentrieren.“

Das Regionale als Maßstab

Susana Torre sah genau darin eine konzeptionelle Schwierigkeit: „Die Industrie muss sich entscheiden, ob Photovoltaik eine Maschine ist oder ein Material. Wenn es ein Material ist, können wir Fortschritte machen. Wenn es eine Maschine ist, dann bleibt die Frage der Integration offen.“ In der Gegend, in der sie lebt, stellt sich der Konflikt so nicht, erzählte sie: „Gegenwärtig lebe ich in Almería. Wir haben riesige Solarparks, so dass die Häuser keine Solarpanels verwenden müssen. Sie sind draußen, und man kann sie verbinden mit jeder Art von Haus, das man will. Das ist Photovoltaik im regionalen Maßstab, nicht im Gebäudemaßstab. Für mich ist wichtig, von welchem Maßstab wir sprechen und ob wir die Photovoltaik als Material oder als Maschine sehen.“ José María de Lapuerta erklärte: „Wir haben viele Verantwortungsbereiche, nicht nur wie wir Energie verwenden. Manche Solarhäuser sind nur eine kleine Kiste mit einer Menge Photovoltaikmodulen. Es ist völlig neu in der Geschichte der Architektur, Energie-Entscheidungen zu treffen. Und die Entscheidungen liegen nicht immer klar auf der Hand. Jetzt ist der Zeitpunkt, um eine interessante neue Beziehung zwischen Architekten und Ingenieuren aufzubauen, vor dem Hintergrund der letzten 20 Jahre.“

Solarthermie nicht immer sinnvoll

Die drei Mitglieder der Jury Technik und Konstruktion zeigten sich optimistisch: „Wir wachsen zusammen“, sagte Rafael Úrculo. „Architekten haben früher nicht über Energie nachgedacht, doch in den vergangenen fünf Jahren mussten sie mit diesen Variablen arbeiten, und wir arbeiten immer mehr zusammen. Man hat überhaupt keine Probleme, wenn man von Anfang an kooperiert, statt die Module zum Schluss des Projekts dazuzunehmen.“ Und David Springer kommentierte: „Nachhaltigkeitsprogramme zwingen uns zur Zusammenarbeit. Architekten erkennen die Notwendigkeit, Photovoltaik und Versorgungssysteme sehr frühzeitig in den Prozess zu integrieren. In den USA haben sich Photovoltaikunternehmen schon immer sehr mit dem Aussehen von Photovoltaik beschäftigt, und sie gaben sich viel Mühe, gebäudeintegrierte Systeme herzustellen. Jetzt ist Solartechnologie zum Statussymbol geworden, also macht man sich darüber weniger Sorgen – Hausbesitzer wollen, dass Leute ihre Photovoltaiksysteme sehen können.“Tjerk Reijenga betonte die Abhängigkeit von politischen Programmen: „In Holland wurde BIPV in den Jahren 1994/95 bis 2002 vorangetrieben, aber dann wechselte die Regierung und BIPV begann sich langsamer zu entwickeln.“ Auf die Frage nach den technischen Trends erklärte Rafael Úrculo: „Vor zwei Jahren begannen einige Teams Phasenwechselmaterialien zu verwenden, jetzt ist es zu einer gängigen Lösung im Solar Decathlon geworden. Und nur eines der Häuser verwendete 2010 Photovoltaik und Solarthermie (PV/T). Dieses Jahr verwenden einige der Häuser Photovoltaikmodule nicht nur zur Stromerzeugung, sondern auch um heißes und kaltes Wasser zu gewinnen. Sie sahen es im letzten Wettbewerb und bezogen sich darauf in ihren Handbüchern.“ Tjerk Reijenga fügte hinzu: „PV/T ist immer noch ziemlich neu. In Nordeuropa, wo ich herkomme, ist es vielleicht nicht die beste Option, aber hier im Süden macht es viel Sinn.“ Und David Springer präzisierte: „Die Herausforderung der PV/T-Systeme ist immer, wie man die Abwärme abführt und wie man Temperaturen erhält, die ausreichend hoch sind, um nützlich zu sein. Einige Teams verwendeten niederwertige Wärme in Verbindung mit Wärmepumpen oder benutzten recht erfolgreich ‚kaskadierende’ Tanks mit unterschiedlichen Wassertemperaturen.“ Ähnlich äußerte sich Karsten Voss aus Deutschland aus der Jury für Energieeffizienz: „Die Verbindung von Photovoltaik und Solarthermie war fast durchgehend ein Thema. Technologisch gesehen ist sie nicht in jedem Fall sinnvoll. In Mitteleuropa zum Beispiel würde man viel lauwarmes Wasser erhalten, aber kein heißes.“ Als weitere Trends beim SDE 2012 nannte Voss die vermehrte Verwendung von Batterien, die stärkere Auseinandersetzung mit Smartgrids und die Visualisierung des Energieflusses. Und er wunderte sich darüber, „dass einige immer noch glauben, mit Trackern und Parabolrinnen sei noch etwas zu holen in der Architektur.“

Solar Decathlon Europe

Der Solar Decathlon Europe (SDE) geht auf den U.S. Department of Energy Solar Decathlon zurück, der seit 2002 alle zwei Jahre stattfindet. Seit 2010 wird der Wettbewerb auch in Europa veranstaltet, ebenso jedes zweite Jahr, im Wechsel mit dem US-Wettbewerb. Der nächste SDE findet 2014 im französischen Versailles statt. Für den SDE 2016 hat sich Deutschland beworben. Nächstes Jahr, im August 2013, wird zum ersten Mal ein Solar Decathlon in China veranstaltet (in Datong). Der nächste US-Wettbewerb findet vom 3. bis 13. Oktober 2013 in Kalifornien statt. Mehr Informationen zu den zehn Wettbewerben und den Regeln des SDE 2012 finden Sie unter dem Stichwort „Competition“ hier:

www.sdeurope.org

Eva Weber

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