Je nach Windrichtung ist der flache, schwarze Quader schon von ganz oben zu sehen: Wenn der Flieger im Landeanflug über Freising auf München-Riem zusteuert, kommt am Ortsrand des Dörfchens Pulling die Halle mit dem großen Photovoltaikdach ins Blickfeld, daneben Felder und Wiesen. Hier hat Richard Stanzel für seine Schreinerei eine neue Werkhalle errichtet, die von allen Seiten gestalterisch überzeugt.
Funktional, kostengünstig und energieeffizient sollte der Gewerbebau werden. Besonderen Wert legte der Schreinermeister aber auch viele ausgeklügelte Details, die die Schönheit des Werkstoffs Holz zur Geltung bringen – wie die schwarz lasierten Fichtenhölzer in der Fassade, die sich über den Fenstern zu Sonnenschutzelementen hochklappen lassen und optisch nahtlos in das dunkle Solardach übergehen. Schon von außen soll der Kunde sehen, wie innen gearbeitet wird. So verwundert es nicht, dass – obwohl es sich „nur“ um eine Gewerbehalle handelt – bei der Auswahl der Module hier nicht die Leistung im Vordergrund stand, sondern die Ästhetik.„Wir haben Dünnschichtmodule von Schott vorgeschlagen, weil die Dachfläche mit diesen Modulen gut ausgefüllt werden kann, ohne Sondergrößen einsetzen zu müssen“, sagt Andreas Sperber. Auf dem Neubau von Stanzels Schreinerei Design.s hat der Dachdeckermeister nicht nur das Dach abgedichtet, sondern auch die Photovoltaikanlage installiert. Die 714 fast quadratischen schwarzen Dünnschichtmodule aus amorphem Silizium mit schwarzen Aluminiumrahmen bilden wie selbstverständlich die fünfte Fassade des schlichten Quaders mit demflach geneigten, asymmetrisch angelegten Daches. Die 50 Zentimeter breiten Wartungsgänge rund um die großen Modulflächen auf dem Nord- und Süddach sind von unten kaum zu erkennen.
Die Halle selbst wurde als einfache, gerasterte Holzskelettkonstruktion ausgeführt und mit vorgefertigten gedämmten Wand- und Dachelementen ausgefacht. „Wirtschaftlichkeit war oberstes Gebot“, sagt Architekt Johannes Dantele von Deppisch Architekten in Freising, der das Gebäude in enger Absprache mit dem Bauherrn entworfen hat. Den Kopf der Halle bilden Kundeneingang und Büro. Dahinter erstreckt sich der hohe, nach Norden ausgerichtete Werkraum über die gesamte Gebäudelänge, während sich unter dem tiefer heruntergezogenen Süddach Nebenräume wie Lager, Waschräume und Lackiererei aneinanderreihen. Dantele: „Durch das asymmetrische Dach konnten wir eine große Südfläche für die Photovoltaikanlage schaffen und gleichzeitig den Innenraum optimal aufteilen.“ Die Dachflächen schließen ohne Überstand bündig an die senkrechten Fassaden an. „Gebäude, die sehr reduziert aussehen, haben meist komplizierte Details“, weiß Bauherr und Schreinermeister Richard Stanzel aus eigener Erfahrung. Um einen klaren Übergang von der Fassade in die Dachfläche zu erreichen, haben die Planer die Dachentwässerung hinter der Traufkante versteckt und von dort in die Halle hineingeführt. Von außen ist nur eine schmale Metallkante am Übergang zwischen den Bauteilen sichtbar. Diese schützt die Holzfassade vor Wassereintritt und bildet hinter der Traufkante eine 50 Zentimeter breite Metallwanne aus, eine von außen unsichtbare Regenrinne. Die Oberfläche der Photovoltaikmodule liegt in einer Ebene mit der Traufkante. So sind die Photovoltaikmodule optisch perfekt integriert, obwohl sie nicht die wasserführende Dacheindeckung bilden.
Schick ohne Sonderlösung
Stanzels neue Werkhalle zeigt, dass nicht immer aufwendige Sonderlösungen notwendig sind, um Solartechnik gestalterisch überzeugend zu integrieren. Wichtig ist, dass die baulichen Anschlüsserund um die Module geschickt gelöst werden. Etwa sieben Zentimeter unterhalb der Module befindet sich ein dichtes Foliendach. Als Befestigungspunkte für die Unterkonstruktion der Solaranlage haben die Dachdecker je einen Gewindebolzen auf je vier Quadratmeter Dachfläche in die hölzernen Elemente eingeschraubt und diese mit maßgefertigten Übergangsmanschetten eingedichtet. Die Module wurden schließlich auf Aluminium-U-Profilen von MHH festgeklemmt. „Das ist eine Standardkonstruktion, die wir schon oft eingesetzt haben“, sagt Dachdecker Sperber.
Um die homogene Photovoltaikfläche nicht zu unterbrechen, haben die Planer zwei Entlüftungsrohre, die bei der Halle über das Dach geführt werden mussten, im Zwischenraum unterhalb der Module versteckt. Nur im Winter kann man ihre Position erahnen – dann lässt die durch die Rohre fließende warme Luft den Schnee hier schneller schmelzen als auf den restlichen Modulen.
Die hohe Nordfassade des Werkstattraums haben Stanzels Mitarbeiter aus Hohlkammer-Kunststoffelementenerstellt. Die Polycarbonatplatten weisen einen sehr guten Wärmedämmwert auf und lassen viel diffuses Tageslicht in die Halle. „Gleichmäßiges Licht ist für die Holzverarbeitung und Lagerung wichtig, sonst bekommen die Hölzer Schlagschatten“, erklärt der Schreinermeister. Gleichzeitig senkt die große Lichtwand den Stromverbrauch des Betriebs. Im Sommer, wenn es lange hell ist, schalten die Schreiner die elektrische Beleuchtung gar nicht ein.
Für Stanzel hat die Lichtwand aber auch noch einen besonderen Wert: Durch die große Helligkeit werden Glückshormone im Körper freigesetzt. „Das ist ein schönes Arbeiten, das spüren alle“, sagt der Chef von 14 Mitarbeitern. Das Sonnenlicht wird also gleich dreifach verwertet.
Große Dachflächen belegen
Das gelungene Zusammenspiel der geschwärzten Holzfassaden mit den photovoltaischen Dachflächen und der weißen, lichtdurchlässigen Kunststoffwand hat die Jury vom Solarenergieförderverein Bayern 2011 mit dem „Architekturpreis Gebäudeintegrierte Solartechnik“ gewürdigt: Das Projekt habe Vorbildcharakter für die zahlreichen, aber zu wenig beachteten Gewerbebauten. „Natürlich ist das immer eine Diskussion und ein Prozess, einen Bauherrn von der zusätzlichen Investition für Photovoltaik zu überzeugen“, sagt Architekt Johannes Dantele. Jedes verwinkelte Altstadtdach mit Solarmodulen zu belegen, lehnt Dantele ab. Aber gerade Gewerbebauten bieten ideale Voraussetzungen. „Das Potenzial der großen Flächen sollte man unbedingt nutzen.“ „Solartechnik einzusetzen war für mich selbstverständlich“, sagt Schreinermeister Stanzel. „Schon als kleiner Junge war ich dabei, wenn mein Vater schwarze Schläuche auf dem Dach montiert hat.“ Dass er heute nicht in Solarthermie investiert, sondern in Photovoltaik, liegt an der Arbeitsweise seines Betriebs. Zusätzliche Wärme braucht Stanzel nicht, denn Heizmaterial produziert die Schreinerei automatisch selbst: Die anfallenden Holzspäne werden vor Ort zu Pellets gepresstund verfeuert. Gleichzeitig produziert die Photovoltaikanlage mit einer Leistung von 73,5 Kilowatt genug Strom, um Maschinen und Gebläse, Leuchten und Bürotechnik rechnerisch rund ums Jahr mitzuversorgen. Ein Energiekonzept, das sich auch den Kunden anschaulich präsentieren lässt. Die Entscheidung für Dünnschichtmodule ist der flachen Dachneigung von zehn Grad und der Ausrichtung des Norddachs geschuldet. „Wir wollen keinen Flickenteppich mit unterschiedlichen Oberflächen, sondern eine einheitliche Dachhaut“, sagt Stanzel.
Strom wird selbst genutzt
Allein die komplizierte Abrechnung durch die Eigennutzung des Stroms bereitet dem Bauherrn Kopfzerbrechen. „Im Moment sieht es an den Zählerständen so aus, als hätten wir in diesem Jahr doppelt so viel Strom verbraucht, was gar nicht sein kann.“ Sehr undurchsichtig findet der Schreinermeister dieses Prozedere. Jetzt wartet er gespannt auf die Jahresabrechnung.