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Wohnen im Forschungsobjekt

Pascal Gontier hat hohe Ansprüche. Auf der kleinen Seine-Insel St. Germain südlich von Paris hat er deshalb sein privates Forschungsobjekt errichtet. „Das Haus Gaita sollte ein Pilotprojekt zum Thema nachhaltiges Bauen werden“, sagt Gontier über das Wohnhaus seiner Familie, „ein architektonisches Statement für zukunftsfähiges Bauen.“ Gontiers Bauten sollen sehr wenig Energie verbrauchen. Der Pariser Architekt hat sich dem energieeffizienten Bauen verschrieben, das in Frankreich bisher noch in den Kinderschuhen steckt. Nichtsdestotrotz stellt der 48-Jährige Wohnraumqualität und Ästhetik in denMittelpunkt seiner Entwürfe. Die selbst gesteckten energetischen Ziele sieht er dabei nicht als Einschränkung, sondern vielmehr als Einladung, die Architektursprache zu erweitern.

Attraktiver Lückenfüller

Der Kubus passt sich in die schmale Baulücke zwischen drei- und viergeschossigen Wohnhäusern ein. Trotzdem wirkt das Gebäude ganz anders als seine Umgebung. Schwarz lasierte Holzfassaden, ein japanisch anmutender Patio als Eingangsbereich mit Grünfläche und ein bepflanzbares Metallregal, das sich über drei Stockwerke erstreckt. Auf derRückseite öffnen sich alle Wohnräume mit bodentiefen Glasflächen zum Garten. Sonnenschutzelemente aus gläsernen Photovoltaikmodulen verschatten die Fenster in den Sommermonaten.

Der Architekt und Professor für nachhaltiges Bauen, dessen Hauptbetätigungsfeld im sozialen Mehrfamilienhausbau liegt, hat in seinem Privatgebäude alle Register gezogen. Mit fortlaufender Planungsdauer und immer ambitionierterem Energiestandard wuchs auch die Photovoltaikanlage. Aus dem ursprünglichen Ziel eines Passivhauses entwickelte Gontier schließlich den Anspruch, mehr Energie am Gebäude zu erzeugen, als dieHaustechnik und seine fünfköpfige Familie verbrauchen würden. Für ein sogenanntes Plusenergiehaus musste der Architekt die ursprünglich vorgesehene Photovoltaikfläche auf 49 Quadratmeter mehr als verdoppeln.

Das Dach wollte Gontier dafür allerdings nicht opfern. „Nicht dass das schlecht wäre“, sagt der Architekt über solare Aufdachanlagen, „aber wir wollen die Dachfläche für eine Begrünung nutzen.“ Regenwassermanagement gehört für ihn ebenso zum nachhaltigen Bauen wie die Solarstromproduktion. Nun teilt sich die Solarstromanlage in zwei Teile auf: Zum einen nutzt Gontier die schräge, nach Süden ausgerichtete Fläche eines Oberlichts für die Installation von zehn gerahmten Standardmodulen, deren Formate genau auf den schrägen Dachaufbau abgestimmt sind. Die Pflanzen, die bald auf dem Dach wachsen, werden nicht nur Regenwasser speichern, sondern auch die Module kühlen, so dass der Ertrag in den Sommermonaten noch steigen wird. Der Schornstein der Belüftungsanlage steht nördlich der Module, so dass er diese nicht verschattet. Der zweite Teil der Photovoltaikanlage befindet sich in der Südfassade. Die doppelte Funktion als Energielieferant und Sonnenschutz, die die solaren Bauteile dort übernehmen, erscheint Gontier schlüssig. „Beim Planen mit Photovoltaik ist für mich die Integration in die Architektur eines der wichtigsten Anliegen.“ Anregungen für sein Pilotprojekt sammelte der Architekt unter anderem im österreichischen Vorarlberg, dem Musterland der Passivhausbauten und des konstruktiven Holzbaus. Die gläserne photovoltaische Überdachung auf dem Vorplatz des Gemeindezentrums inLudesch stand Pate für die Pariser Sonnenschutzelemente. Dafür holte Gontier Sunways, den Designmodulhersteller aus Konstanz, mit ins Boot. „Ein deutscher Mitarbeiter aus dem Büro Gontier hat uns angesprochen“, berichtet Hartmut Maurus, Projektleiter bei Sunways. „Es gab schon ein Energiekonzept, die Architekten wussten aber noch nicht, wie die Photovoltaikelemente konkret aussehen könnten.“

Sonnenschutz und Stromquelle

18 Glas-Glas-Module, jeweils sechs pro Etage, gliedern die zum Garten gelegene Südfassade. Mit zwei Zentimetern Dicke bringt jedes der fast zwei Quadratmeter großen Module 24 Kilo auf die Waage. „Wir wollten die Module zweiseitig lagern“, sagt Hartmut Maurus, „aber die Spannweiten waren mit knapp zwei Metern recht groß, so dass es statisch nicht machbar war.“ Nun liegen die Glaselemente entlang der Fassade und an den beiden schmalen Seiten auf der schlanken Unterkonstruktion aus Stahlprofilen auf. Druckleisten klemmen die um 20 Grad geneigten Module auf die Konsolen. Die Verkabelung verläuft entlang dem hinteren Rand der Module. Sunways hat in die Designmodule Randanschlussstecker eingebaut, so dass die Anschlüsse und Kabel für den Betrachter unsichtbar sind. „Wenn die Stecker sauber einlaminiert sind, ist diese Technik genauso haltbar wie die Rückseitendose“, sagt Maurus. Mit 3,24 Kilowatt bilden die gläsernen Photovoltaikmodule den größeren Teil der insgesamt 5,86 Kilowatt starken Pariser Solarstromanlage.

„Im Sommer reicht der Sonnenschutz für die Mittagssonne gut aus“, sagt Hausherr Gontier nach einem Jahr Wohnerfahrung im Haus Gaita, „und im Winter kann die tief stehende Sonne die Räume ungehindert heizen.“ In den Übergangszeiten hilft der solare Sonnenschutz nur bedingt, dann schützen Lamellenstores die Glasfront vor Überhitzung.

Besonders spannend ist für Gontier immer noch die natürliche Belüftung, das Kernelement des Gebäudes. Um den Stromverbrauch auf ein Minimum zu senken und vom technoiden Charakter eines klassischen Passivhauses mit mechanisch betriebener Frischluftzufuhr wegzukommen, entwickelte der Architekt den Prototypen einer natürlichen Lüftungsanlage mit größeren Querschnitten, in der die Luft allein durch den Kamineffekt zirkuliert. Auch der Name des Hauses spielt auf das besondere Lüftungssystem an – eine Gaita ist ein spanischer Dudelsack. Das Lüftungssystem ist sogar begehbar beziehungsweise bekriechbar. In Zusammenarbeit mit Transsolar aus Stuttgart konnte es in Paris erstmals umgesetzt werden. Gontier ist begeistert von der internationalen Kooperation rund um das Projekt. „Firmen aus mehreren europäischen Ländern haben hier zusammengearbeitet und ihr Know-how auf diese Weise nach Frankreich gebracht“, freut sich der Architekt.

Ohnehin hat Gontier am familiären Forschungsprojekt im Selbsttest viele neue Baustoffe und Techniken ausprobiert – einen deutschen Akustikdeckenaufbau aus Holz mit Kiesschüttung, ein solares Fassadenelement aus Holzlamellen und vorgesetztem Glas aus der Schweiz, Vakuumpaneele für die Dämmung unterhalb der Terrasse. „Es war ein Abenteuer“, sagt Gontier im Rückblick auf die Bauzeit.

Anja Riedel

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