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Energie für die Friedenswende

Schwarzenegger erzählt in seinem Video, wie ihn die Leistungen russischer Gewichtheber zum Kraftsport brachten, wie er Freunde gewann, als er auf dem Roten Platz in Moskau einen Film drehen durfte – erstmals überhaupt, dass ein ausländischer Film im heiligen Gral der Sowjets gedreht werden durfte.

Und er richtet sich an Wladimir Putin, der zu den Bewunderern Schwarzeneggers gehört: „Sie haben diesen Krieg begonnen, Sie führen diesen Krieg und Sie haben es in der Hand, ihn zu beenden.“

Die Videobotschaft von Arnold Schwarzenegger auf Youtube.

Die Russen taugen nicht zum Feind

Dieser Blog steht im Dienst der Energiewende. Wir wollen Schwarzeneggers Botschaft darauf prüfen, was sie für das Kommende bedeutet. Schwarzenegger vermeidet es ganz bewusst, das russische Volk zum Feind zu erklären. Im Gegenteil: Er verweist auf die Friedensliebe und die Leidensfähigkeit, die in der russischen Geschichte erkennbar sind, auf den Heroismus, der nun durch den Kreml missbraucht wird.

Aber: „Der Russe“ ist kein Feindbild mehr, wie es noch vor zwei Generationen in Deutschland üblich war. Das ist eine erstaunliche Erkenntnis aus dem Krieg in der Ukraine. Die Menschen verstehen, dass Im Kreml eine skrupellose Oberschicht agiert, ein Überstaat, den es auch bei uns gibt – wenn auch nicht mit imperialen Ansprüchen wie in Moskau.

Der Humanismus der Energiewende

Und: Schwarzenegger hat die Menschen in Russland angesprochen, die seine Filme ebenso lieben wie bei uns in Europa oder in Amerika. Man muss die Filme nicht mögen, aber Schwarzeneggers Video sendet eine zutiefst humanistischen Botschaft, wie übrigens sein Video vor Jahresfrist, als der Mob den Capitol Hill in Washington stürmte. Und dieser Humanismus ist es, der den Kreis zur Energiewende schließt.

Der Krieg um russisches Erdgas, denn das ist der Ukraine-Krieg in seinem Kern, zeigt deutlich, dass es mit fossilen oder nuklearen Brennstoffen keinen Frieden geben kann. Milliarden Euro und US-Dollar sind im Spiel, um Öl, Gas oder Uranbrennstäbe um den halben Globus zu schiffen. Also gibt es starke Mächte, dieses Geschäft geopolitisch abzusichern. Es ist zu verlockend, zu lukrativ, um es weniger hochgerüsteten Wettbewerbern (wie der Ukraine) zu überlassen.

Russland verliert seine Energiekunden

Dabei ist die Ukraine lediglich Transitland, verdient also nur am Wegezoll, an der Durchleitung des Gases. Sie ist aber auch Energiekunde von Russland und Weißrussland, hängt am Stromnetz der nordöstlichen Nachbarn und an den Lieferungen der nuklearen Brennstäbe für seine AKW.

Sie hing an diesen Netzen, muss man sagen, denn vergangene Woche ließ Präsident Selenskyi die Anschlüsse nach Norden und Osten kappen. Nunmehr hängt die Ukraine am Europäischen Verbundnetz, wird über Moldawien versorgt und sicher bald über weitere Anschlusspunkte in Polen.

Putin hat alles riskiert – und verloren

Eines Tages wird der Krieg in der Ukraine zu Ende sein. Verloren hat ihn Putin jetzt schon. Denn seine Erwartungen, dass ihm die Ukrainer zujubeln, wurden bitter enttäuscht. Er hat die Ukraine und den gesamten Westen als Partner und als Energiekunden verloren. Der globale Vertrauensverlust lässt sich nicht zurückdrehen.

Die Frage ist, wie viele Menschen noch sterben müssen, bevor Putin seine Kettenhunde zurückpfeift. Wir erinnern uns: Der Afghanistan-Krieg, der zehn Jahre (1979 bis 1989) dauerte, kostete die Sowjetunion mehr als 13.000 tote Soldaten und Offiziere. Schon jetzt, nach drei Wochen Krieg in der Ukraine, sind seriösen Schätzungen zufolge rund 5.000 bis 6.000 russische Soldaten gestorben.

Der Zusammenbruch großrussischer Träume

Michail Gorbatschow hat einst im Interview bekannt, dass drei Dinge den Zusammenbruch der Sowjetunion verursachten: der Alkoholismus, Afghanistan und Tschernobyl. Der Krieg in der Ukraine wird den Zusammenbruch des großrussischen Imperialismus zur Folge haben.

Der machtvolle Block der Militärs und des Geheimdienstes – Putins Hinterleute – wird in die Knie gehen, weil er die Modernisierung Russlands behindert. Seit 2019 sind mehr als zwei Millionen junge, gut ausgebildete Russen aus ihrer Heimat geflohen: nach Deutschland, ins Baltikum, nach Österreich, in die Slowakei, nach Tschechien, nach Frankreich. Jetzt sind die Grenzen gänzlich dicht, Putin musste sein eigenes Land in ein Gefängnis verwandeln, wie einst Walter Ulbricht durch den Bau der Berliner Mauer.

Keine Rückkehr ins Gefängnis

Aber die Rückkehr in ein gigantische Gefängnis – wie unter Stalin und Breshnew – wird es nicht geben. Weil Russland zu sehr mit der westlichen Wirtschaft verzahnt ist, weil seine Wirtschaft auf die jungen und fähigsten Köpfe angewiesen ist. Weil das historische Urteil über die Sowjetunion schon vor dreißig Jahren gesprochen wurde.

Putin mag sich noch so sehr den Anspruch verblichener Sowjetgröße geben, mag seinen Neo-Zarismus rot lackieren (wie Boris Jelzin es nannte), an den akuten Problemen der russischen Gesellschaft kommt er nicht vorbei. Es bedurfte nicht der Sanktionen des Westens, dass die russischen Städte verfallen, dass die Atommeiler und Atomraketen rosten, dass Millionen Menschen – vor allem die Rentnerinnen und Rentner – hart an der Armutsgrenze leben.

Wer etwas kann, haut ab

Die Zahl der aus politischen Gründen Inhaftierten ist während der Herrschaft Putins seit dem Jahreswechsel von 1999 zu 2000 auf rund 15.000 gestiegen (von Null unter Jelzin). Da sind die Verhaftungen unter den Demonstranten nicht eingerechnet, die seit drei Wochen gegen den Krieg in der Ukraine protestieren.

Nicht eingerechnet sind die Folgen, die der Protest von rund 7.000 Wissenschaftlern aus Russland bedeutet. Sie verstehen, dass sie durch Putins Krieg isoliert sind, spüren zugleich die Solidarität ihre Forscherkollegen im Ausland. Wer (etwas) kann, verlässt das Land auf dem schnellsten Wege.

Die Flucht der russischen Primaballerina Olga Smirnowa nach Amsterdam, der Aufruf der russischen Wissenschaftler oder der Frust der russischen Sportler beweisen, dass sich die gebildeten Russen von Putin und seiner Mischpoke abwenden. Sie sind Teil dieser Welt, die keine Grenzen mehr kennt, keine Ideologien und keinen Revanchismus – erst recht keinen Krieg.

Der Schlüssel zu Russland

Die Ukraine ist der Schlüssel zu Russland. Das hat sich im langen Verlauf der Geschichte von der Kiewer Rus bis heute immer neu erwiesen. Wenn dieser Krieg zu Ende geht, rückt ihr Wiederaufbau auf die Tagesordnung. Nicht die Waffenlieferungen der Nato werden den Frieden bringen, sondern die Energiewende auch in der Ukraine und der Aufbau nachhaltiger, regionaler Wirtschaftskreisläufe.

Für die deutsche Solarwirtschaft wird die Ukraine ein neuer Zielmarkt von herausragender Bedeutung. Vielleicht klingt es seltsam, dass ich inmitten der Bombardements, inmitten der TV-Bilder von toten Kindern und Frauen von Solarmärkten spreche. Aber ich meine, dass wir als Branche bereits weiter blicken müssen, über die Lieferung von Waffen und Hilfsgütern hinaus. Diese Hilfen sind wichtig, um Putin den militärischen Sieg zu verweigern. Aber den Frieden – echten und dauerhaften Frieden – bringen sie nicht.

Europa rückt nach Osten vor

Mit diesem Krieg ist die Ukraine unwiderruflich in den Kreis der europäischen Staaten eingetreten. Sie wird Mitglied der EU, egal, wie lange das noch dauert. Die Polen beweisen in beispielloser Weise ihre Verbundenheit mit dem östlichen Nachbarn, ebenso Moldawien, die Slowakei, Tschechien, Ungarn und Rumänien – allesamt Mitglieder der EU. Der Besuch von drei Ministerpräsidenten im umkämpften Kiew war nicht nur mutig. Es war eine Demonstration eines neuen Selbstbewusstseins: Wenn EU, dann richtig!

So rückt der Westen direkt an Russlands Grenze vor, ohne dass die Ukraine Mitglied der Nato werden muss. Die Nato selbst steht für eine überkommene Epoche, wie die Atomraketen, auf denen sich ihre Macht gründet. Für die Ausgestaltung des Friedens sind die europäische Zusammenarbeit und die globalen Kreisläufe der Wirtschaft viel wichtiger, als hochgerüstete Militärblöcke, deren nukleare Muskeln spielen.

Die Eliten reisen aus

Der Wiederaufbau von Charkiw, Mariupol und Kiew wird unzweifelhaft auf Russland ausstrahlen – wie das Wirtschaftswunder in Westdeutschland einst auf die sowjetische Besatzungszone ausstrahlte. Die Modernisierung der Energieversorgung in der Ukraine – ohne AKW, ohne Gasbrenner, nur mit Sonne, Wind und grünem, lokal erzeugtem Wasserstoff – wird eine unwiderstehliche Anziehungskraft entfalten.

Denn nur eine freie, demokratische Gesellschaft ist die Lage, sich zu modernisieren und die öko-sozialen Probleme ihrer Bevölkerung zu lösen. Junge Leute verstehen das schneller, als die Alten – naturgemäß, denn sie müssen die Suppe auslöffeln. Deshalb wandern sie in Scharen aus Russland aus, es ist eine Abstimmung mit den Füßen – wie 1989 in Ostdeutschland.

Putin ist zum Scheitern verurteilt

Erinnern wir uns: Es waren junge Eliten, die in den 1980er Jahren aus der DDR ausreisten: Ärzte, Ingenieure, Informatiker, Künstler. Dasselbe passiert nun in Russland. Was die SED in Ostberlin lernen musste, wird auch an Wladimir Putin nicht vorbeigehen. Eine Zeitlang kann er sein Land in einen Knast verwandeln, wie einst Walter Ulbricht, als er die Berliner Mauer baute.

Aber der Kremlchef und seine Hintermänner sind zum Scheitern verurteilt, so viel steht bereits fest. Revanchismus, Imperialismus, Drohgebärden und Kriege haben in unserer Welt keinen Platz mehr. Sorgen wir dafür, dass Putin in der Ukraine keinen Scheiterhaufen hinterlässt. Es wird bald darum gehen, die Wunden des Krieges möglichst schnell zu heilen.

Ein Prüfstein des Humanismus

So wird die Ukraine zum Prüfstein für den Humanismus der modernen, westlichen Gesellschaft überhaupt. Deutschland ist dafür ein historisches Vorbild: Es verdankt seine Einheit, seine moderne Entwicklung zur wirtschaftlichen Großmacht dem Wirtschaftswunder, das die Amerikaner finanzierten. Es verdankt seine Position in der Welt aber auch dem Russen Michail Gorbatschow, der die Wiedervereinigung erlaubte – in der Hoffnung, die bankrotte Sowjetunion ökonomisch zu sanieren.

Weil die Demokratisierung aufgrund fehlender historischer Erfahrungen nicht in Gang kam, wurde Russland nach 1992 vor allem als Handelspartner für Energie und Rohstoffe hofiert. Europäisches und amerikanisches Kapital züchtete eine Kaste gieriger Oligarchen, die Masse der russischen Bevölkerung blieb am Tropf postsowjetischer Subventionen: für Energie, Wohnungen und Arbeit. Das Militär und die Rüstungsindustrie sind die wichtigsten Arbeitgeber in Russland, ebenso der Urankomplex. Das war schon in der Sowjetunion so.

Die Hand nach Osten ausstrecken

Nun läuft die Zeit des militärisch-nuklearen Komplexes ab. Wenn der Krieg in der Ukraine eines Tages vorbei sein wird, muss der Westen deshalb seine Hand nach Osten ausstrecken. Nicht zu Putin und seinen Schergen, sie wurden lange genug hofiert, ausgehalten und gepäppelt. Sondern zu den Menschen vor Ort. Russland hat 140 Millionen Einwohner, rund elf Millionen haben direkte Verwandte in der Ukraine.

Deutschland muss und kann seine Wirtschaftskraft in die Waagschale werfen, um die Ukraine wieder aufzubauen. Es muss ein Wirtschaftswunder nach dem Vorbild Westdeutschlands nach 1945 geben. Dabei kommt der Energiewende als modernster Zweig der globalen Wirtschaft eine zentrale Aufgabe zu.

Alles steht auf dem Spiel

Denn nur sie sichert Zukunft, fördert die regionale Wertschöpfung, macht die Ukraine – wie Deutschland auch – unabhängig von Brennstoffen aus Russland und dem Donbass, macht sie unabhängig von den Oligarchen und Spekulanten dieser Welt. Millionen Flüchtlingen wird ermöglicht, in ihre Heimat zurückzukehren. Weil es eine Zukunft gibt, Arbeit und Frieden.

Mit Kohle, Öl, Gas und Uran wird es diesen Frieden nicht geben, das offenbart der Krieg in der Ukraine einmal mehr. Wir sind in der Pflicht, über den Tellerrand von Rhein und Oder hinaus zu denken. So gesehen, bedeutet der Krieg in der Ukraine tatsächlich eine Zeitenwende. Alles, alles was den Westen ausmacht, steht dort gleichermaßen auf dem Spiel.

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