Angesichts sinkender Förderung und rückläufiger Renditen müssen Hersteller und Installateure gleichermaßen nach Lösungen suchen, um den Endkunden nach wie vor Solaranlagen zu verkaufen. Gerade für Hausdächer mit südöstlicher oder südwestlicher Lage oder mit besonders steilen Dachneigungen erscheinen dann aber die obligatorischen Ertrags- und Renditeberechnungen – immerhin eines der Hauptargumente in der Beratung – nicht so attraktiv. Doch das ist falsch.
Den Ertrag einer Photovoltaikanlage beeinflussen zahlreiche Faktoren. Einige sind von der Natur gegeben. So haben Witterung und Jahreszeiten naturgemäß einen großen Einfluss auf die Lichtverhältnisse. Doch auch systemische Faktoren spielen eine große Rolle. Dazu gehören die Komponentenauswahl, die Dachneigung, die himmelsrichtungsmäßige Ausrichtung der Anlage und – natürlich – dass sie professionell installiert wurde. Und das Solarglas. Denn auf Seiten des Moduls gibt es noch Spielraum, um die Erträge zu erhöhen: durch tieftexturierte Frontseitengläser. Sie ermöglichen in der Praxis deutliche Effizienzsteigerungen. Im Gegensatz zu herkömmlichem, flachem Solarglas verfügt das veredelte Glas über eine spezielle Oberflächenstruktur. Je nach Art der Struktur werden beim Glasherstellungsprozess in das noch flüssige Glas entweder viele abgerundete Pyramiden oder Wellen gewalzt. Die circa einen Millimeter tiefen Strukturen sind auf der nach außen gerichteten Oberfläche deutlich sichtbar.
Das Funktionsprinzip des Glases ist schnell erklärt. Bei stark schräg einfallendem Licht spielt das tieftexturierte Solarglas seine Vorteile aus. So treffen die Lichtstrahlen beispielsweise bei einer Pyramidenstruktur fast senkrecht auf den Pyramidenschenkel, wodurch sie vom Glas fast nicht reflektiert werden. Zusätzlich macht sich das Solarglas den Lichtfalleneffekt zunutze. Die winklige Struktur lenkt einen Teil der von der Zelle reflektierten Lichtstrahlen wiederin das Glas, wodurch diese nochmals auf die Zelle treffen können. Auch der kleine Anteil des Lichtes, der doch noch reflektiert wird, wird auf die Zelle geworfen (siehe Grafik).
Diese Strukturen ermöglichen deshalb in der Praxis Mehrerträge im Vergleich zu Standardglas von mehreren Prozent. Vor allem in den Morgen- und Abendstunden und auf Dächern mit nicht optimaler Ausrichtung spielt das Glas diese Mehrwerte aus, da strukturierte Gläser Schräglicht deutlich besser ausnutzen können. Das gilt auch für Regionen, in denen der Anteil der Diffusstrahlung an der Globalstrahlung verhältnismäßig groß ist. So besteht in Deutschland die Globalstrahlung im Schnitt zu 50 Prozent aus diffusem Licht. Das liegt nicht zuletzt an der starken Bewölkung. Im Gegensatz zur direkten Solarstrahlung wird das Licht dann von Molekülen in der Luft, beispielsweise den Aerosolen, oder von Wolken gestreut. Dies führt – im Gegensatz zur direkten Strahlung – zu flacheren Einfallswinkeln.
3,7 Prozent plus
Im Prinzip ist der Effekt von texturiertem Glas und anderen Antireflexschichten schon länger bekannt (ausführlicher Artikel photovoltaik 05/2010, Seite 80). Das Institut für Solarenergieforschung Hameln (ISFH) hat ihn jedoch quantifiziert und dafür untersucht, wie sich der Wirkungsgrad und der Ertrag von damit ausgestatteten Modulen gegenüber Modulen mit standardisiertem Solarglas ändern. Das Institut hat die Gläser dazu mit unterschiedlichen Einstrahlungsintensitäten und verschiedenen Winkelneigungen getestet. Mit Normwetterdaten für einen Standort im Süden Deutschlands errechnete das Institut bei einem optimalen Modulwinkel von 30 Grad gegenüber der Horizontalen und einer direkten Südausrichtung einen Mehrertrag bei der erzeugten elektrischen Energie von über vier bei Frontgläsern mit Pyramidenstruktur und von über fünf Prozent bei Frontgläsern mit Grabenstruktur. Im schlechtesten Fall, bei anderen Aufstellungswinkeln, liegt der Mehrertrag gegenüber glatten Gläsern bei mindestens 3,7 Prozent. Die größten Vorteile ergaben sich vor allem unter suboptimalen Einstrahlungswinkeln und bei geringeren Strahlungsintensitäten.
Attraktiv für Südwestlage
Deshalb wirkt sich das texturierte Glas besonders bei nicht optimal ausgerichteten Anlagen aus, sei es, dass die Dachneigung deutlich von 30 Grad abweicht, sei es, dass das Dach nicht nach Süden zeigt. Das belegen auch Langzeittests im Außeneinsatz. Bei einem Winkel von zehn Grad zur Horizontalen beträgt der Mehrertrag bis zu sechs Prozent und erreicht bei einem Winkel von 45 Grad sogar über acht Prozent.
Das wiederum steigert die Attraktivität von Photovoltaik für bislang vernachlässigte Anwendungen und Regionen. Zum Beispiel zeichnen sich in Gebieten mit hoher installierter Photovoltaikleistung wie etwa im Süden Deutschlands bereits Sättigungstendenzen ab. Dort bietet es sich an, mit den optimierten Modulen auf suboptimal ausgerichteten Dachflächen mit Südost- oder Südwestlage Anlagen zu installieren. In nördlicheren Regionen und Ländern steigt der Ertrag mit den texturierten Gläsern ebenfalls,da dort in den langen Morgen- und Abendstunden viel Licht mit flachem Winkel auf die Module trifft.
Auch gebäudeintegrierte Anlagen können mit dem texturierten Glas attraktiver werden. So können sie oft aufgrund baulicher Gegebenheiten nicht optimal an den Einfallswinkel des Lichts ausgerichtet werden. Wie sehr texturiertes Glas hilft, wird deutlich, wenn man die Ergebnisse etwas anders darstellt. Module mit tieftexturierten Solargläsern erreichen bereits bei einem Aufstellwinkel von zehn Grad fast 100 Prozent des Ertrags eines Referenzmoduls ohne texturiertes Glas, das mit dem optimalen Winkel von 30 Grad aufgestellt ist.
Das texturierte Glas hat übrigens noch einen weiteren Vorteil. Außer dadurch, dass Module mit texturiertem Glas einen größeren Anteil des Sonnenlichts einfangen als Module mit Standardgläsern, sind sie auch kühler, was direkt den Wirkungsgrad erhöht. Die Strukturen ermöglichen einen verbesserten Wärmeabtrag, wodurch ein Kühleffekt auftritt. Dies führt zu einer zusätzlichen Effizienzsteigerung von 0,5 Prozent, wie Messungen des Fraunhofer Center CSE, des National Renewable Energy Laboratory und des Massachusetts Institute of Technology in den USA ergaben.
Sosehr sich der Mehrwert des tieftexturierten Frontglases erklären und sowohl im Labor als auch im Praxistest nachweisen lässt – mit den herkömmlichen Simulationsprogrammen, etwa PV*SOL, PVsyst oder SAM, lassen sich die tatsächlichen Potenziale in der Planungsphase einer Photovoltaikanlage nicht darstellen. Das liegt daran, dass die Leistungsangaben der Module den Effekt nicht wiederspiegeln. Die Werte werden in Flashern mit senkrecht auf das Modulfallendem Licht gemessen. Bei tieftexturiertem Glas muss aber besonders die Ableitung und Streuung von Lichtstrahlen berücksichtigt werden. Dies ist nur mit einer winkelabhängigen Messung am fertigen Modul möglich, was bisher in Deutschland erst zwei Forschungsinstitute können.
Daniel Pohl ist Leiter der Unternehmenskommunikation des Marktforschungs- und Beratungsinstituts EuPD Research, das vor kurzem ein umfangreiches White Paper zu dem Thema veröffentlicht hat.