Blinkende Flächen: blau, anthrazit, rötlich oder metallisch glänzend. Solarmodule kommen optisch zunächst als Glasflächen daher. Dieses Jahr stellten auf der Intersolar bereits mehrere Hersteller Dünnschichtmodule mit 5,7 Quadratmetern Fläche vor. „Für das Frontglas brauchen wir sehr ebenes, gehärtetes Glas, das dünner als 3,2 Millimeter ist, aber trotzdem Stabilität und Bruchfestigkeit aufweist“, sagt Karl-Heinz Stegemann, Vizepräsident von Signet Solar. „Entscheidend ist die Reduktion von Gewicht und Kosten.“ Stegemann fordert, dass die Gläser um 30 bis 40 Prozent billiger werden. Das Glas erweist sich außerdem als Bremse für noch größere Module. Als Nächstes planen die Hersteller Flächen von 9,5 Quadratmetern, im Fachjargon Gen 10 genannt. Bevor dies aber so weit ist, müssen die Module leichter werden.
Denn das Gewicht des Glases bringt Nachteile mit sich. Das Solarmodul von Signet Solar liefert 340 Watt, ist 8,3 Millimeter dick und wiegt 127 Kilogramm. In der Fertigung braucht man viel Energie, um solche Module bruchsicher zu bewegen, zu verpacken und zu stapeln. Die Installateure kommen nicht mehr ohne Kran aus, wenn sie dieses Ungetüm an die Fassade oder auf das Dach bringen.
Aber das ist nicht nur das Problem von Signet Solar, sondern betrifft alle Hersteller. Das neue Dünnschichtmodul der spanischen T-Solar leistet etwa 351 Watt. Es besteht aus zwei Floatgläsern inklusive Folien und Siliziumschichten und wiegt 96 bis 100 Kilogramm. Ähnlich sieht es bei Sunfilm aus Großröhrsdorf aus. Um die 5,7 Quadratmeter großen Module ausreichend bruchfest und belastbar zu machen, sind alle als Doppelglaspaneele ausgeführt. „Deshalb muss auch das Rückseitenglas schlanker werden“, sagt Stegemann. Wohin die Reise geht, zeigte die Firma Lisec aus Österreich. Auf der Intersolar stellte das Unternehmen ein Modul aus, dessen Gläser nur 1,9 Millimeter dick waren. Die Gläser wurden im Auftrag von Ertex Solar gefertigt. Zwar hatten die Österreicher kristalline Waferscheiben zwischen die Gläser gepackt, „aber diese Technologie ist auch auf Dünnschichtmodule anwendbar“, sagt Leopold Mader, technischer Direktor bei Lisec. „Wir verwenden ein sehr dünnes, gehärtetes Glas.“
Thermisch vorbehandelt
Lisec bietet Fertigungslinien zur Härtung von Floatgläsern an. Dabei wird das Glas bis zur Erweichungsgrenze bei rund 560 Grad Celsius erwärmt und dann in einem bestimmten Temperaturregime sehr schnell abgekühlt. Auf diese Weise wird das Glas vorgespannt. Weil die Randzonen anders abkühlen als der Kern, steht das Material am Rand unter Druckspannung. Glas ist auf Druck gut belastbar, bei Zug hingegen bricht es schnell. „Durch die thermische Vorbehandlung steigern wir die Bruchfestigkeit von 75 Newton pro Quadratmillimeter auf 120 Newton“, erklärt Mader. Summiert auf den Quadratmeter kommen 400 Kilogramm zusammen. Das Glas ist so dünn, dass es im Härtungsprozess zwischen die Transportrollen sacken würde. Das bringt später Probleme beim Laminieren. Deshalb schweben die Scheiben während der Wärmebehandlung auf Luftkissen. Da sich dünne Gläser besser verformen lassen, sind für die Zukunft sogar speziell gebogene Fassadenmodule denkbar.
Ein dünneres Glas, das vorgespannt die gleiche Bruchfestigkeit hat wie ein entsprechend dickeres Glas, ist leichter. Damit gebaute Module heizen sich im Sommer weniger auf. Denn Glas wirkt wie ein Isolator. Je dünner eine Scheibe ist, desto schneller gibt sie die Wärme an die Umgebung ab. Auch schluckt eine dünne Glasschicht von knapp zwei Millimetern weniger Licht als Standardgläser von vier Millimetern. Aus der Vorspannung ergibt sich ein weiterer Vorteil: Die Wechseltemperaturbeständigkeit des Glases erhöht sich. Die Hersteller von Bauglas kennen das Problem: Durch starke Temperaturschwankungen brechen die Gläser am Rand weg. „Die gehärteten Gläser halten Temperaturwechsel von bis zu 200 Grad Celsius aus“, sagt Mader. „Das Problem existiert faktisch nicht mehr.“ Allerdings gibt es noch eine Einschränkung bei der Verarbeitung zu Dünnschichtmodulen. Der nachfolgende Prozess der Siliziumabscheidung darf nicht über 280 Grad Celsius laufen, sonst verschwindet die Vorspannung aus dem Glas.
Hersteller stellen um
Auf der Intersolar musste man die Neuigkeiten zum Glas noch suchen. Doch Experten sagen voraus: Die Zukunft der Dünnschichtmodule liegt im Glas. Bisher kommen Gläser mit einer Dicke von 3,2 Millimetern oder vier Millimetern zum Einsatz. So hat Ersol Thin Film seine Dünnschichtmodule auf 3,2 Millimeter gehärtetes Frontglas umgestellt – „um die Kosten zu senken“, sagt Geschäftsführer Christian Koitzsch. Auch Schott will künftig bei sehr großen Dünnschichtmodulen besonders druckfestes Glas einsetzen, das 2.400 Newton pro Quadratmeter trägt. Diese Steifigkeit genügt sogar, um auf ein zweites Glas auf der Rückseite zu verzichten. Den rückseitigen Abschluss übernimmt eine Folie.
Am Ende zählt jede noch so kleine Einsparung beim Glas. Für Gläser mit 1,9 Millimetern braucht man nur die Hälfte des Rohmaterials und die Hälfte der Energie zum Schmelzen und Abkühlen im Vergleich zum Standard-Floatglas von vier Millimetern. Es geht weniger um technische Finesse als ums Business: Die Gläser verursachen rund ein Viertel der Herstellungskosten bei Dünnschichtmodulen. Bei waferbasierten Dickschichtmodulen sind es nur rund fünf Prozent. Deshalb ist das Thema vor allem für die Zukunft der Dünnschicht interessant. „Die Dünnschichtphotovoltaik wird in den kommenden Jahren zum Glashändler“, prophezeit Heiko Hessenkemper, Professor für Glastechnik an der Bergakademie im sächsischen Freiberg. „Das Glas wird ein wesentlicher Innovationsträger, um die Grid Parity zu erreichen.“
Gussglas ohne Floatkammern
Dabei gerät die Technik der Floatgläser trotz der neuen Entwicklung an ihre Grenzen. Einscheibensicherheitsglas mit einer Stärke von vier Millimetern ist derzeit für acht Euro pro Quadratmeter zu haben. Dabei kostet die Herstellung der Scheiben etwa zwei Euro. Sechs Euro stecken in Logistik, Transport und Wärmebehandlung. Weil der Absatz der Gläser in der Automobilindustrie und am Bau schwächelt, verkaufen die meisten Hersteller ihre Produkte gegenwärtig unter Herstellungspreis. Und die Experten denken über weitere Einsparmöglichkeiten nach: „Wir experimentieren mit Gussglas, bei dem wir die Kantenbearbeitung und die Oberflächenveredelung gleich im heißen Zustand durchführen“, sagt Hessenkemper. „Wir erhalten dadurch ein zwei Millimeter starkes Sicherheitsglas, das ohne Floatkammern und Kühlofen auskommt. Perspektivisch lassen sich die Kosten pro Quadratmeter auf diese Weise auf ein Drittel senken.“
Zudem arbeiten die Wissenschaftler am sogenannten Schwarzglas, das aus Glasabfällen gewonnen wird und billiger ist. Es eignet sich zwar nur für die Rückseite , da es schwarz ist, „entlastet aber die Rohstoffpreise und ist gut für das Recycling“, sagt Hessenkemper, bei dem bereits große Solarhersteller angefragt haben. „Das Schwarzglas lässt außerdem überlegene Eigenschaften erwarten, die auch für den Prozess der Halbleiterabscheidung hilfreich wären.“ Allmählich wird sich die Glasbranche ihres Innovationspotenzials bewusst: Auf der Fachmesse Glasstec 2010 in Düsseldorf bilden die Solargläser einen Schwerpunkt.