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Viel Fläche, wenig Dach

Erneuerbare Energien haben es schwer in Frankreich. Niedrige Strompreise dank preiswerten Atomstroms, schleppender Netzanschluss und fehlende gesetzliche Rahmenbedingungen lassen den Ausbau nach wie vor auf einem niedrigen Niveau verharren.

Das vollmundig angekündigte Energiewendegesetz trat mit mehr als einem Jahr Verspätung letzten Herbst in Kraft. Doch es regelt nur die Rahmenbedingungen. Hunderte von Verordnungsermächtigungen sind im Gesetz enthalten und warten auf ihre Ausgestaltung.

So sollte zum Beispiel zum 1. Januar 2016 die Direktvermarktung in einer entsprechenden Verordnung geregelt werden, doch diese gibt es immer noch nicht. Es seien noch Detailfragen mit der EU-Kommission zu klären, ist der offizielle Grund für die Verzögerung.

Austausch zu Direktvermarktung

Die Mechanismen der Direktvermarktung sollen ähnlich wie in Deutschland funktionieren. Immerhin gab es dazu einen intensiven Austausch zwischen Deutschland und Frankreich auf Ebene der Politik, aber auch bei den Unternehmen. Bis dato findet keine Direktvermarktung in Frankreich statt.

Die Netzintegration der Erneuerbaren ist derzeit kein Problem, ihr Anteil am Strommix ist immer noch gering. Doch es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich das ändert. Obwohl moderat zugebaut wird, sind die Wartezeiten für den Netzanschluss nach wie vor lang. 2015 wurden knapp 17.000 Solaranlagen neu ans Netz angeschlossen. Die Zahl der Anlagen, die Ende 2015 noch auf einen Netzanschluss warteten, war höher – sie betrug 22.000. Rein rechnerisch wartet man also mehr als ein Jahr auf den Netzanschluss. Die Leistung der in der Warteschleife befindlichen Anlagen beträgt knapp zwei Gigawatt.

Kein Rechtsrahmen für Eigenverbrauch

In puncto Eigenverbrauch sieht es ähnlich aus. Noch immer haben die Politiker keinen Rechtsrahmen dafür geschaffen. Zwar gibt es Pioniere, die solche Anlagen installieren. Im großen Maßstab spielt der Eigenverbrauch jedoch keine Rolle. Das mag auch an den niedrigen Strompreisen liegen; es lohnt sich schlichtweg nicht oder nur in ganz besonderen Fällen.

Trotzdem wollte die Politik den Bau von Eigenverbrauchsanlagen anregen und bildete eine Arbeitsgruppe, die im Februar einen 200-seitigen Abschlussbericht vorlegte. Doch konkrete Verordnungen gibt es noch nicht.

Angedacht ist, je nach Verbrauchsprofil und Anlagentyp verschiedene Fördermechanismen für den Eigenverbrauch zu testen. Prämien auf selbst verbrauchten Strom über spezielle Ausschreibungen sind im Gespräch. Es kristallisiert sich heraus, dass dabei wohl in der Regel keine Kombination aus Eigenverbrauch und Einspeisetarif ermöglicht werden soll, es sei denn, es bestehen zwei verschiedene Anlagen, von denen eine nur einspeist und eine nur für den Eigenverbrauch produziert.

Regionale Modelle als Vorreiter

Zusätzlich zu einigen bereits existierenden regionalen Ausschreibungen sind nun auch verschiedene Ausschreibungen zur Erprobung des Eigenverbrauchs auf nationaler Ebene angedacht.

So hat die französische Umwelt- und Energieministerin Ségolène Royal 2015 eine Ausschreibung für Photovoltaikanlagen mit angeschlossenem Speicher in den Übersee-Departements und auf Korsika gestartet. Die ausgeschriebene Kapazität von insgesamt 50 Megawatt, die sich gleichmäßig auf Dachanlagen und Freiflächenanlagen verteilt, wird innovativen Projekten mit einer Mindestnennleistung von 100 Kilowatt zugewiesen, die Speichertechnologien mit Eigenverbrauchslösungen kombinieren. Ziel ist es, den Strombezug zu Spitzenlastzeiten zu begrenzen.

Große Vielfalt bei der Ausgestaltung

Die regionalen Initiativen rund um den Eigenverbrauch sind sehr verschieden. Sowohl in einigen Regionen des Mutterlandes als auch in den Übersee-Departments laufen verschiedene Ausschreibungen. So hat zum Beispiel gerade die Insel La Réunion einen sogenannten „chèque photovoltaïque“ aufgelegt. Kleinere Anlagen mit Speicher können mit bis zu 6.000 Euro bezuschusst werden.

Im Mutterland hat die Region Languedoc-Roussillon eine Ausschreibung gestartet, mit der schnell umzusetzende Projekte mit Eigenverbrauch gefördert werden sollen. Fünf Projekte auf Industrie- und öffentlichen Bürogebäuden zwischen zehn und 250 Kilowatt Leistung sollen einen Zuschlag erhalten.

Die Region Aquitanien vergibt Fördermittel für Anlagen mit einer Leistung zwischen zehn und 500 Kilowatt Leistung, die zwar ans Netz angeschlossen sind, aber einen Eigenverbrauch von mindestens 80 Prozent erreichen müssen. Hier sollen vor allem lokale Gebietskörperschaften, der öffentliche oder private Dienstleistungssektor und der soziale Wohnungsbau profitieren.

Verbindliche Ausbauziele jetzt definiert

Die verbindlichen Ausbauziele sollten Ende 2015 bekannt gegeben werden, tatsächlich verkündet hat sie Ségolène Royal in einem Interview Anfang April.

Für Windkraftanlagen an Land soll die Gesamtkapazität bis 2018 auf 14,3 Gigawatt steigen, derzeit sind es 10,3 Gigawatt. Die Photovoltaik soll im gleichen Zeitraum von derzeit 6,5 Gigawatt auf 10,2 Gigawatt ausgebaut werden. Bis 2023 sollen es dann 20,2 Gigawatt Photovoltaikleistung sein.

Vier Gigawatt soll der Photovoltaikzubau bis 2018 also betragen. Wie viel davon über Ausschreibungen vergeben wird, ist in einem Ausschreibungsplan definiert. Bis zum ersten Quartal 2019 sollen nach diesem Plan insgesamt 4.350 Megawatt Solarleistung per Ausschreibung vergeben werden. 2016 sollen es 800 Megawatt sein, 2017 und 2018 jeweils 1.450 Megawatt. Der Trend zur großen Freiflächenanlage wird dabei stabil bleiben. 2016 beträgt ihr Anteil 500 Megawatt, in den beiden Folgejahren dann jeweils 1.000 Megawatt.

Ministerin als Hoffnungsträgerin

Positive Signale für die Branche setzte im letzten Jahr vor allem Umweltministerin Ségolène Royal. An ihr hängen die Hoffnungen der französischen Installateure und der Industrie.

Zwei, wenn auch in ihrer Wirkung sehr unterschiedliche Entscheidungen setzte sie im letzten Jahr durch. Dazu gehört, dass der Tarif T4 für kleine Aufdachanlagen leicht erhöht wurde. Allerdings führte das nicht zu einem nennenswert höheren Zubau in diesem Segment.

Frankreich favorisiert schon seit Jahren mit seinem Fördersystem Indachanlagen. Sie bekommen gute Einspeisetarife, lohnen sich allerdings nur bei Dacherneuerung oder Neubau.

Klassische Aufdachanlagen wie in Deutschland haben es aufgrund der niedrigen Strompreise und der Einspeisevergütung schwer – sie sind kaum wirtschaftlich zu errichten. Diese Einsicht bewegte wohl auch das Ministerium im letzten Jahr dazu, die Tarife leicht anzuheben, doch ist auch ihre Absenkung längst wieder beschlossene Sache. Und auch hier gab es zwischen Ankündigung und tatsächlicher Umsetzung quälend lange Monate des Wartens.

Mehr Ausschreibungen als geplant

Die zweite Initiative von Ministerin Royal betraf die Erhöhung der Ausschreibungsvolumina im Jahr 2015. Für Anlagen zwischen 150 und 250 Kilowatt Leistung wurde das Ausschreibungsvolumen von 40 auf 80 Megawatt angehoben.

Für Anlagen über 250 Kilowatt Leistung waren ursprünglich 400 Megawatt vorgesehen – 200 Megawatt in der Freifläche und 200 Megawatt für größere Dachanlagen. Im August verkündete Royal die Verdoppelung der ausgeschriebenen Leistung, wobei die zusätzlichen 400 Megawatt allein für Freiflächenanlagen aufgestockt wurden.

Trotzdem gab es in dieser Ausschreibungsrunde viel mehr Gebote als verfügbares Projektvolumen. Deshalb wurden zusätzlich Zuschläge in Höhe von 300 Megawatt erteilt für Projekte, die den Kriterien entsprachen, aber keine erteilte Baugenehmigung hatten. Ein bestätigter Antrag auf Baugenehmigung reichte dann auch, um einen Zuschlag zu erhalten. In Summe wurden statt der ursprünglich geplanten 200 Megawatt Freiflächenleistung Zuschläge für 900 Megawatt erteilt. 22 beziehungsweise 24 Monate haben die Projektentwickler nun Zeit, ihre bezuschlagten Projekte zu realisieren. Genaue Zahlen über realisierte Projekte aus den Ausschreibungsverfahren der Vorjahre gibt es allerdings nicht.

So sehr Royal als Hoffnungsträgerin gesehen wird: Ende Februar 2016 äußerte sie sich überraschend klar zur Verlängerung der Laufzeiten französischer Atomkraftwerke. Wenn die Atomaufsicht nichts dagegen habe, würde sie einer Verlängerung um zehn Jahre zustimmen. Ungefähr die Hälfte der 58 Atomkraftwerke erreicht demnächst die vorgesehene Lebensdauer von 40 Jahren, und Ersatzkraftwerke fehlen.

Wenig Zubau bei kleinen Anlagen

Der Photovoltaikzubau war 2015 noch einmal geringer als 2014. Knapp 900 Megawatt Leistung gingen im letzten Jahr neu ans Netz. Im Jahr zuvor waren es 951 Megawatt. Damit beträgt der Zubau das zweite Jahr in Folge weniger als ein Gigawatt.

Außerdem wird die Zubauzahl von knapp 900 Megawatt durch ein großes Solarkraftwerk verzerrt. Rechnet man aus den Zahlen von 2015 die Inbetriebnahme des großen Solarparks in Cestas mit einer Leistung von 230 Megawatt heraus, beträgt die neu geschaffene Solarleistung gerade noch 670 Megawatt.

Die Anlage in Cestas hatte übrigens ihren Antrag auf Netzanschluss schon 2012 genehmigt bekommen und konnte deshalb mit dem damals noch gültigen Tarif T5 für Freiflächenanlagen gebaut werden. Die Vergütung für Strom aus diesem Großkraftwerk beträgt deshalb 10,5 Cent pro Kilowattstunde.

Rund 15.000 Anlagen mit 91 Megawatt Leistung wurden im Segment der Kleinanlagen bis 36 Kilowatt errichtet. Der Zubau erfolgt im Nachbarland vor allem in der Fläche. 70 Prozent der neu installierten Leistung entfallen auf Anlagen mit mehr als 250 Kilowatt Leistung. Konkret sind das 96 Anlagen mit 611 Megawatt Leistung. Insgesamt sind jetzt in Frankreich mit Übersee-Departements 6,5 Gigawatt Solarleistung installiert.

Die Stromproduktion aus dieser Kapazität betrug 6,7 Terawattstunden. Damit ist der Solarstromanteil gegenüber 2014 um 0,2 Prozentpunkte gestiegen, von 1,2 Prozent 2014 auf 1,4 Prozent im Jahr 2015.

Energieeffizienz steigern

Das französische Energiewendegesetz legt einen klaren Fokus auf die Steigerung der Energieeffizienz. Neben der Absenkung des Öl-, Gas- und Kohleverbrauchs um 30 Prozent bis 2030 soll der Gesamtenergieverbrauch bis 2050 um 50 Prozent gegenüber 2012 abnehmen. Bis 2030 ist eine Verringerung um 20 Prozent das Etappenziel.

Bei der Förderung von Energieeffizienzmaßnahmen liegt der Schwerpunkt auf der Sanierung von Bestandsgebäuden. Ab 2017 sollen jährlich 500.000 Wohnungen energetisch saniert werden.

Zinslose Darlehen und Steuergutschriften sind als Maßnahmen vorgesehen. Mindestens zur Hälfte soll diese Sanierung einkommensschwachen Haushalten zugutekommen.

Angst vor steigenden Strompreisen

Seit 2005 verkauft Renusol seine Produkte auch in Frankreich. „Kunden interessieren sich besonders für dachintegrierte Systeme, einfach weil es dafür die höchste Vergütung gibt. Doch wir können in einem anderen Segment stetige Zuwächse verzeichnen. Unser System MS+ für Trapezdächer wird stark nachgefragt“, berichtet Renusol-Vertriebsbeauftragter für Frankreich Serge Heidinger. Grund dafür ist neben der obligatorischen Zertifizierung vor allem das Erdungskonzept des Montagesystems. In Frankreich ist die Erdung der Systeme Pflicht. Das Renusol-System erdet eine Anlage mithilfe der Verschraubung. Der Kunde braucht keine zusätzlichen Kupferkabel für die Erdung zu verlegen. Das spart Montagezeit und natürlich Kosten.

Obwohl es keine Förderung für Eigenverbrauch gibt und die Strompreise niedrig sind, berichtet Heidinger auch von wachsender Nachfrage nach Projekten mit Eigenverbrauch. Seiner Wahrnehmung nach befürchten die Franzosen vor allem steigende Energiepreise in der Zukunft. „Die Nachfrage nach unserem Aufdachsystem VS+ im Bereich Ziegeldächer ging in den letzten zwei Jahren deutlich nach oben“, freut sich Heidinger.

In den wichtigen Jahren 2012 und 2013 hat der Systemanbieter und Projektierer Baywa r.e. in Frankreich 60 Megawatt errichtet. Damals gab es für die Solarsparte des Unternehmens auch eine eigene Niederlassung. Inzwischen wird das Projektgeschäft von Deutschland aus gemanagt. Baywa r.e. entwickelt, finanziert und realisiert Projekte und verkauft sie an institutionelle Anleger. Auch die technische sowie kaufmännische Betriebsführung gehört zum Leistungsspektrum.

Optimistischer Blick in die Zukunft

Benedikt Ortmann, Leiter der Geschäftseinheit Solarprojekte für Europa, Asien und Afrika, schätzt die Marktsituation positiv ein: „Immerhin werden wir mit den bis 2019 geplanten Ausschreibungen einen viel größeren Markt haben als in Deutschland. Das sind doch erfreuliche Aussichten.“

Tatsächlich sind in der Freiflächenausschreibungsverordnung für Deutschland gerade mal 700 Megawatt in Summe für die Jahre 2016 und 2017 vorgesehen, während unsere französischen Nachbarn im gleichen Zeitraum 1.500 Megawatt Freifläche ausschreiben wollen. „Allerdings gibt es auch einen Wermutstropfen für ausländische Bieter. Bisher waren die Gewinner der Ausschreibungen in Frankreich ausschließlich französische Unternehmen, obwohl sich im Unterschied zu Deutschland tatsächlich auch eine ganze Reihe ausländischer Bieter beteiligt hatten“, ergänzt Ortmann.

Frankreich

Wissenswertes auf einen Blick

Das Deutsch-französische Büro für erneuerbare Energien engagiert sich für einen Know-how-Transfer und die Vernetzung der deutschen und französischen Akteure der Energiewende. Auf Fachveranstaltungen, Konferenzen und Seminaren werden aktuelle Fragen und Lösungsansätze diskutiert und Kooperationen angestoßen. Zusätzlich veröffentlicht das DFBEE Hintergrundpapiere und Übersetzungen, die wichtige Einsichten in rechtliche, wirtschaftliche und technische Themen gestatten. Mitglieder haben zusätzlich exklusiven Zugang zu zahlreichen anderen Informationen.

Seit April 2016 hat das Büro auf Beschluss der deutsch-französischen Ministerkonferenz seinen Aktionsradius erweitert und wird künftig inhaltlich alle Aspekte der Energiewende thematisieren. Folgerichtig wurde das Büro deshalb umbenannt. Es heißt nun Deutsch-französisches Büro für die Energiewende.

www.dfbee.eu

Übersee-departement La Réunion

Regionale Speicherförderung

In Frankreichs Übersee-Departement La Réunion wurde ein spezielles Förderprogramm für Photovoltaik aufgelegt. Es wendet sich an Landwirte und besteht aus einem Zuschuss bei der Installation einer Solaranlage. Der sogenannte „chèque photovoltaïque“ verspricht Investitionswilligen beim Bau einer Kleinstanlage zwischen einem und zwei Kilowatt Leistung eine Förderung in Höhe von 1.000 Euro. Wird die Anlage mit einem Speicher realisiert, wird die Summe auf 2.000 Euro verdoppelt. Für Anlagen zwischen zwei und neun Kilowatt betragen die Zuschüsse 3.000 beziehungsweise 6.000 Euro.

www.energies-reunion.com

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