Modern und transparent ist die Kulisse. Filmreif, könnte man sagen. Denn der im November 2017 ausgestrahlte Dresdener Tatort spielte in der Gläsernen Manufaktur von VW. Im Krimi tarnt sich die Autofertigung als Versicherungszentrale. Auch Gebäude spielen Rollen, wichtige Rollen. Sie sind Teil der neuen Energiewelt, wie das zweite sogenannte Plugfest bei VW zeigte.
Auf der Agenda stand die intelligente Vernetzung von Autos mit Gebäuden. Deshalb müssen Elektroautos ihre Stromnachfrage mit anderen Geräten abstimmen. Das Plugfest definiert eine der letzten Etappen, bevor ein Produkt den einheitlichen EEBus-Standard erfüllt. Ein Standard, der sich zumindest in Deutschland und in Europa durchsetzen könnte. An der Initiative sind mehr als 60 Unternehmen beteiligt, darunter ABB, Miele, Liebherr sowie Bosch, Intel und IBM. Laut der beteiligten Unternehmen soll EEBus die Weltsprache der Energie im Internet werden.
Die Daten bleiben im Auto
Allerdings gibt es in Japan schon einen eigenen Standard namens Echonet. Auch China wird sich eine eigene Sprache nicht nehmen lassen, und Google und Co haben auch etwas Eigenes im Köcher. Nichtsdestotrotz ist ein eigener Standard im Land der Autobauer sinnvoll.
Aber nicht nur VW, sondern der gesamte Branchenverband VDA bekennt sich zu dem neuen Standard. „In gut zwei Jahren wird der EEBus-Standard in E-Golfs von VW integriert sein“, meint Gunnar Bärwaldt, Entwicklungskoordinator bei dem Autobauer.
Die Daten über die Nutzung sollen allerdings im Auto bleiben und nicht auf einer Plattform gespeichert werden, verspricht der zuständige Automanager.
Rund drei Dutzend Softwareingenieure sitzen in einem gläsernen Raum in der Manufaktur. Die Rechner vor sich, diskutieren sie in drei verschiedenen Tischgruppen. So oder so ähnlich könnte eine Hacker-Party beim Chaos Computer Club aussehen. Zeitgleich schrauben im Hintergrund Techniker neue E-Golfs zusammen. Gut sichtbar durch die Panoramafenster.
VW und Mennekes setzen auf EEBus
Für eine erfolgreiche Energiewende ist es wichtig, dass eine Kommunikation unter verschiedenen Geräten in unterschiedlichen Sektoren gelingt. Das hat auch VW verstanden. Der Konzern arbeitet an einer intelligenten Ladeeinrichtung. „Der Volkswagen Konzern setzt dabei auf EEBus, um seine Ladetechnik auf möglichst breiter Basis mit der Haustechnik kompatibel zu machen“, erläutert Bärwaldt. Nach den Vorgaben des Fahrers entscheidet das Auto in diesem Rahmen, ob und wann es lädt, um beispielsweise bis morgens um acht Uhr aufgeladen zu sein. Aus diesem Grund will VW künftig den neuen einheitlichen Standard einbauen. Auch Ladesäulenhersteller Mennekes ist der Initiative bereits beigetreten.
Denn die Vernetzung von Erzeugern und Verbrauchern im Haus mit dem Elektroauto ermöglicht auch eine Entlastung der Stromnetze sowie einen schnellen Infrastrukturausbau der Ladetechnik. Denn noch übersteigt die nötige Leistung von Ladesäulen heute in vielen Fällen die verfügbare Kapazität des Stromnetzes. Ein intelligentes Energiemanagement vermeidet Eingriffe ins Netz und teure Baumaßnahmen.
Eigenverbrauch ist ein weiterer Treiber: Ein modernes Wohnhaus mit einer Photovoltaikanlage erzeugt unter Umständen mehr Strom, als es verbraucht. Gerade die wachsende Anzahl an Elektroautos lässt sich mit dem überschüssigen Strom günstig laden. Auch Wärmepumpenheizungen werden stärker nachgefragt.
Allerdings kann der Strombedarf von Elektroautos mit anderen Verbrauchern im Haus konkurrieren. Aus diesem Grund müssen Photovoltaikanlage, Heizung, Haushaltsgeräte und eben elektrische Ladestation miteinander vernetzt sein. Und sie müssen mit einer Sprache sprechen.
IT-Sicherheit steht auch auf der Agenda der beteiligten Unternehmen. Demnach lassen sich Nachrichten künftig zwischen den einzelnen Akteuren im Energienetzwerk verschlüsselt über alle wichtigen Netzwerk- und Smarthome-Standards übertragen. Das Ziel: So wird möglichst viel selbst erzeugter Strom für das Laden des eigenen Elektroautos eingesetzt, ohne die öffentlichen Netze zu belasten, wenn der Ladevorgang mit dem Netzbetreiber abgestimmt ist. Auch eine Überlastsicherung wurde berücksichtigt. Schaltet sich etwa ein Durchlauferhitzer ein, wird der Ladestrom gedrosselt.
Beim Plugfest in der Gläsernen Manufaktur in Dresden wird das Zusammenspiel von verschiedenen Systemen geprobt. Energiemanager sollen mit Haustechnikgeräten und dem Elektroauto kommunizieren können. „Zu einem nachhaltigen Elektromobilitätskonzept gehört auch die Einbindung des E-Autos in das Energiemanagement von Gebäuden und Smarthomes“, erklärt Bärwaldt.
Variable Stromtarife fehlen
Im heimischen Netzwerk organisiert eine Steuerzentrale, also ein Energiemanager, die Kommunikation. „Wir binden mit den EEBus-Spezifikationen über die Sektoren Strom, Wärme und Elektromobilität hinweg alle Energieerzeuger, Verbraucher und Speicher in das System ein und sorgen automatisch und ohne Komfortverlust dafür, dass Energie effizient genutzt wird“, erläutert Frank Blessing, der bei SMA für das Thema Energiemanagement zuständig ist. So werden Haushalte und Unternehmen laut Blessing künftig erheblich Stromkosten sparen.
Was fehlt, sind variable Tarife und Smart Meter, um das fluktuierende Stromangebot an die Nachfrage anzupassen. Mithilfe der intelligenten Steuerung weiß das Auto, wann Strom günstig ist und ob er von der Photovoltaikanlage oder aus dem Stromnetz bezogen werden soll, erläutert Blessing.
Wie beim Laden soll eine einfache sowie einheitliche Lösung für den Kunden möglich werden. Der ISO-Standard 15118 ermöglicht eine leichte Kommunikation zwischen Ladestation und Ladesteuergerät durch Plug-and-play für den Kunden. Der Fahrer kann den Stecker einfach einstecken und das Fahrzeug wird automatisch erkannt, ohne dass eine App oder Nutzerkarte erforderlich sind. Denn die Elektromobilität wird sich nur durchsetzen, wenn die Fahrer keine Einbußen beim Komfort erfahren.
Normen für Laden und Bezahlen
„Die Nutzer wünschen sich einen kundenfreundlichen Zugang an der nächsten Ladesäule mit einem einfachen Bezahlsystem“, weiß Roland Bent. Er ist Technikchef bei Phoenix Contact und stellvertretender Vorsitzender der Arbeitsgruppe Normung, Standardisierung und Zertifizierung bei der Nationalen Plattform Elektromobilität, kurz NPE. Bent hebt den Stellenwert einheitlicher Normung für die Bedürfnisse der Fahrer von Elektrofahrzeugen hervor. Dafür seien einheitliche Ladeschnittstellen ebenso notwendig wie transparente und diskriminierungsfreie Abrechnungsmodelle.
Möglich sei dies nur durch einheitliche Standards. „Diese sorgen für Investitionssicherheit, etwa bei Herstellern, Energieversorgern oder Ladesäulenbetreibern“, erläutert er. Der aktuelle Stand der Normung: Erreicht wurde insbesondere die europaweite Durchsetzung des Schnellladens mit CCS, dem Combined Charging System.
Ladesäulen meist privat
Die Arbeiten an den Normen für einen einheitlichen Ladestecker und für einheitliche Anforderungen an die Ladeschnittstellen sind bereits abgeschlossen. Sie fanden mit der EU-Richtlinie 2014/94/EU über den Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe bereits 2014 Eingang in die europäische Gesetzgebung.
Die aktuelle Ladesäulenverordnung der Bundesregierung schreibt die Ausrüstung von Ladestationen mit genormten Steckverbindungen Typ 2 und Combo 2 als Mindeststandard verbindlich vor.
Mit 85 Prozent befindet sich der größte Teil der Infrastruktur vor privaten Häusern. Die Anzahl der öffentlichen Ladepunkte wird mit der Anzahl der Elektrofahrzeuge wachsen.
Ziel der Regierung nicht erreichbar
Für das Jahr 2020 prognostiziert die NPE einen Bedarf von 70.000 öffentlichen Ladepunkten und 7.100 Schnellladesäulen. So werden auch lange Fahrten entlang von Autobahnen möglich (siehe Grafik Seite 35). Eine Million Elektrofahrzeuge sollen nach den Plänen der Bundesregierung bis 2020 auf deutschen Straßen fahren.
Autoexperten wie unter anderem Ferdinand Dudenhöffer, Professor an der Universität Duisburg-Essen, halten das Ziel für nicht mehr erreichbar. Dennoch nehmen die Nachfrage und die Anmeldungen bei Behörden für Stromer immer mehr zu. Bis 2030 liegt das gegenwärtige Ausbauziel der Regierung bei sechs Millionen Elektrofahrzeugen.
Magneten lassen Autos schweben
Es heißt, das Drehmoment zu erhöhen. Die Tagesproduktion des E-Golfs soll deshalb ab März 2018 schrittweise von 35 auf 70 Fahrzeuge steigen. „Nach dem Start des E-Golf im April 2017 gehen wir nun mit der zweiten Schicht einen weiteren wichtigen Schritt für Dresden als Standort der Elektromobilität von Volkswagen“, erklärt VW-Standortleiter Lars Dittert.
Wie von Geisterhand schiebt sich der Boden mit halbfertigen Stromern langsam weiter. Dank 60.000 in den Boden eingelassener Magneten. An jeder Station erledigen die Autobauer ihre entsprechenden Handgriffe. Auch Besucher werden davon magnetisch angezogen.
Jede Stunde gibt es Führungen für interessierte Gäste aus nah und fern, viele Familien mit autobegeisterten Vätern. Die Besucher werden in 14 verschiedenen Sprachen durch die Etagen der Werkshallen geführt. Der E-Golf lernt auch eine neue Sprache: den EEBus-Standard.
EEBus-Initiative
IT-Sicherheit mitdenken
Die EEBus-Initiative mit mehr als 60 Mitgliedern hat einen international einheitlichen Standard für Gerätekommunikation entwickelt. So wird eine effiziente und intelligente Vernetzung von Haushaltsgeräten und Fahrzeugen ermöglicht. Ein Fokus liegt auf der Anwendung im Energiemanagement für Weißware, Heizungs- und Lüftungssysteme sowie Elektromobilität. Der Standard EEBus ist offen zugänglich für alle Gerätehersteller.
Um die hohen Sicherheitsanforderungen aus der Energiebranche optimal umzusetzen, haben die Mitglieder mit SPINE sowohl ein gemeinsames Datenmodell als auch eine eigene durchgängige IP-Lösung entwickelt. Diese Smart Home IP, kurz SHIP, ist aktuell im Normierungsprozess bei der DKE. SHIP basiert auf stark verbreiteten RFCs und ist zusätzlich konform zur TR03109, der BSI-Richtlinie für sichere, verschlüsselte Energienetze und Smart Metering.
SPINE ist die technische Sprache des EEBus-Standards. Sie verschlüsselt Nachrichten zwischen den einzelnen Akteuren im Energienetzwerk. So lassen sich Informationen plattformneutral und sicher verschlüsselt über alle wichtigen Netzwerk- und Smarthome-Standards übertragen.
CONEVA
SMA gründet Tochter für digitale Energielösungen
Coneva heißt die neue Tochtergesellschaft des Wechselrichterherstellers SMA. Die Gesellschaft mit Sitz in München wird künftig digitale Energielösungen für neue Kundengruppen anbieten.
SMA sieht in der digitalen Energieversorgung viele attraktive Geschäftschancen: „Vor diesem Hintergrund gehört die Weiterentwicklung der SMA zu einem Energiedienstleister in den kommenden Jahren zu unseren wichtigsten strategischen Zielen“, erklärt SMA-Vorstandschef Pierre-Pascal Urbon. Durch eine Energiedienstleistungsplattform, Dienstleistungen und Partner aus der Energiebranche sollen neue Märkte und Kunden erschlossen werden.
Stadtwerken und Wohnungsbaugesellschaften sowie Telekommunikationsfirmen sollen sogenannte White-Label-Lösungen zum Energiemanagement und der Einbindung in den Energiemarkt angeboten werden. Ein weiteres Geschäftsfeld seien Energiemonitoring, -steuerung und -management für Gewerbebetriebe und öffentliche Einrichtungen, verkündet SMA.
Im Kern des Geschäftsmodells von Coneva steht ein Energiemanagement über alle Sektoren hinweg, also von Erzeugern wie Photovoltaik- oder Windkraftanlagen, Verbrauchern wie Beleuchtung, Heizung, Lüftung, Kälte, Kühlung, Speichern und Elektromobilität, sowie die Zusammenführung von Angebot und Nachfrage über die von SMA entwickelte Plattform Ennex OS.
Chaos Computer Club
Nerds hacken Ladesäulen
Die Experten vom Chaos Computer Club (CCC) warnen vor Unsicherheiten beim Laden von Elektroautos. Diese sollten endlich auf den aktuellen Stand der Technik gebracht werden. Zudem sollten Ladenetzbetreiber ihren Kunden sichere Bezahlmöglichkeiten bieten. Die Abrechnungsdaten sollten nicht innerhalb eines Ladeverbundes, sondern auch beim Roaming, also dem Laden des Autos bei einem anderen Netzbetreiber und Anbieter, geschützt werden.
Die Computerexperten haben festgestellt, dass es einfach sei, Strom auf fremde Rechnungen zu tanken, weil die bequem zu nutzenden Ladekarten üppige Lücken bei der Datensicherheit aufweisen. Praktisch alle Ladekarten seien von diesem Problem betroffen, und die Ladenetzbetreiber, die diese Karten ausgeben, weigerten sich, die Schwachstellen zu beheben. „Die Anbieter haben grundlegende Sicherheitsmechanismen nicht umgesetzt“, sagt CCC-Mitglied Mathias Dalheimer.
Um zu zeigen, wie einfach es ist, an die Daten anderer Nutzer zu kommen und auf deren Rechnung Strom zu tanken, hat er zusammen mit anderen Mitgliedern des CCC Ladesäulen gehackt. So werden die Konfigurationen der meisten Ladestationen über einen USB-Stick geändert und Software-Updates aufgespielt. Durch einen unsicheren Update kann ein beliebiger Code in die Ladestation eingeschleust werden. Darüber könnten Angreifer beispielsweise alle Ladevorgänge gratis machen oder aber die Kartennummern ernten. Deshalb sollten Nutzer die Abrechnungen kontrollieren, um eventuelle Hackerangriffe schnell zu erkennen.
Zudem sei die auf den Ladekarten gespeicherte Nummer komplett öffentlich, kritisieren die Hacker. Mit dieser Nummer wird wiederum der Nutzer von der Ladesäule erkannt. Dadurch kann die Nummer beliebig kopiert werden und man kann recht leicht eine Ladekarte klonen. „Das ist, als ob ich mit einer Fotokopie meiner Girokarte im Supermarkt bezahlen würde – und der Kassierer das akzeptiert“, vergleicht Dalheimer.