Ein Mehrfamilienhaus in Huttwil, gut 40 Kilometer nordöstlich von Bern, produziert mehr Energie, als von den Bewohnern innerhalb eines Jahres verbraucht wird.
Die Photovoltaikanlage auf dem Flachdach verfügt über knapp 45 Kilowatt Leistung. Die BenQ-Module hängen in Ost-West-Richtung. So weit wäre das nichts Besonderes. Der Clou: Zusätzlich sind 37 Kilowatt in der Fassade in West- und Südrichtung und am Balkon gen Süden montiert. Installiert wurden Module der österreichischen Firma Ertex Solar. So liefert die Sonne Strom aus drei Himmelsrichtungen.
Solarstrom hat Vorfahrt
Ein relativ großer Batteriespeicher von E3/DC mit 78 Kilowattstunden Kapazität dient zudem als Strompuffer, um den eigenen Solarstromverbrauch zu steigern. „So mussten seit Bezug am 1. Juni nur wenige Watt als Ausgleichsstrom bezogen werden“, berichtet Geschäftsführer Franz Schnider. Seine Firma Arento hat das Solarhaus als Generalunternehmer gebaut.
Das System hat demnach in diesen ersten Monaten einen Autarkiegrad von 99 Prozent erreicht. Dazu trägt auch ein Energiemanager bei, der die großen Verbraucher wie die Wärmepumpe, drei Haushaltsgeräte pro Wohnung sowie die Elektroautos ansteuert, wenn Solarenergie da ist. Aber das ist nicht alles: Auch die Regenwasseranlage oder die verwendeten Baustoffe sind besonders.
Die Lehmwand kühle die Innerseite der Räume, auch mithilfe einer Erdsonde, auf angenehme 23 Grad. Während draußen an der Fassade über 70 Grad Celsius herrschten, erläutert Schnider. Das neue Energiegesetz in der Schweiz gilt erst seit Januar 2018. Es erleichtert das nachhaltige Bauen.
Neues Gesetz, neue Ideen
Viele Ideen, wie die Stromabrechnung über den Eigenverbrauchsmanager, konnten aber erst mit dem neuen Gesetz umgesetzt werden. „Da wir dieses Projekt aber schon vor über zwei Jahren gestartet haben, mussten wir vor allem bei den Behörden und Werken viel Überzeugungsarbeit leisten“, weiß der Arento-Chef zu berichten.
Ein Beispiel: Die Stromabrechnungen der jeweiligen Wohnungen liefen direkt über den Eigenverbrauchsmanager. Das Geschäft der alten Energieversorger ist deshalb bedroht – ihnen brechen die bis dato sicheren Einnahmequellen weg. „Das stößt nicht unbedingt auf Begeisterung.“
Kostenlos E-Golf fahren
Schnider sieht durchaus einen Trend bei Neubauten in der Schweiz, immer häufiger Solardächer und auch die Elektromobilität einzubinden. „Aus unserer Sicht bewegt sich aber noch zu wenig“, moniert er. Beim Sonnenpark Plus stellt die Firma einen E-Golf von VW kostenlos für fünf Jahre zur Verfügung. Nur so können Fahrer eines Verbrennungsmotors für Stromer begeistert werden.
Das Elektroauto tankt, gesteuert über den Verbrauchsmanager, ausschließlich Solarstrom vom eigenen Dach des Wohnparks.
Bern forciert Stromer
Die Bewohner können das über eine App buchen. Insgesamt waren zum Halbjahr 2018 immerhin 17.739 reine Stromer bei den Eidgenossen gemeldet. Ihre Zahl wächst langsam, aber stetig.
Insgesamt macht ihre Quote weniger als ein Prozent der Pkw aus. Aber allein die Zuwachsrate zeigt den Trend: 18,8 Prozent Zuwachs im Vergleich zum Vorjahreshalbjahr. Mit Hybridmodellen wächst der Anteil auf insgesamt drei Prozent.
Der Branchenverband Swiss E-Mobility verleiht seit 2017 den Preis „Goldener Stecker“ an Städte und Gemeinden, die die Elektromobilität besonders voranbringen. 2018 erhielt die Stadt Basel diese Auszeichnung.
Die Begründung der Jury: Die Stadt richtet die Verkehrsplanung besonders auf nachhaltige Mobilität aus. Im öffentlichen Dienst und Personennahverkehr sind bereits elektrische Fahrzeuge und Busse im Einsatz. Auch Taxen fahren elektrisch. Bis Ende 2018 will Bern ein ganzheitliches Konzept für Elektromobilität vorlegen. In 20 Jahren soll alles auf Stromer umgestellt sein.