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Firmenflotten

Mehr als 200 Ladepunkte

Manchmal entstehen sehr gute Lösungen, wenn ein Unternehmen selbst sie braucht. Das war zumindest der Weg, den der Leistungselektronikspezialist Fronius bei der Entwicklung seines Lademanagements für elektrifizierte Firmenflotten gegangen ist.

Denn seit vielen Jahren wächst bei Fronius der Bestand an eigenen Elektroautos und auch immer mehr Mitarbeiter kommen mit dem elektrischen Fahrzeug zur Arbeit. Alle wollen laden, um entweder zum Kunden oder wieder nach Hause zu kommen.

Prioritäten beachten

Schon im Jahr 2017 haben die Experten bei Fronius gesehen, was da auf sie zukommt. „Wir haben uns dann am Markt umgesehen, ob wir eine Lösung finden, mit der wir die vielen Elektrofahrzeuge laden können, ohne den Netzanschluss zu überlasten“, erklärt Jürgen Baumgartner, Vertriebsleiter für Elektromobilität bei Fronius. „Allerdings haben wir kein für uns passendes Lademanagement gefunden.“

Die einzelnen Wallboxen sollten nach verschiedenen Prioritäten gesteuert werden – je nachdem, wie viel Energie vorhanden ist und wie viel Strom das jeweils angeschlossene Elektroauto braucht. Damit sollten einerseits die Fahrzeuge zu einem bestimmten Zeitpunkt mit einer vorgegebenen Menge an Energie betankt sein. Andererseits sollte sichergestellt werden, dass die Last im Unternehmen nicht die Netzanschlussleistung übersteigt.

Was einfach klingt, kann komplex werden

Das klingt einfach, ist aber am Ende sehr komplex. Denn jeder Mitarbeiter und jedes Auto hat andere Prioritäten. Wenn der Außendienst- oder Vertriebsmitarbeiter einen Termin beim Kunden hat, braucht er schnell volle Batterien. Der Produktions- oder Büromitarbeiter hingegen ist ohnehin acht Stunden vor Ort. Damit hat das Auto auch viel mehr Zeit zum Laden.

Bei den damals vorhandenen Lösungen konnten zwar die Wallboxen fest priorisiert werden, aber keine Nutzer. Der Anspruch war jedoch, dass jeder Nutzer mit der Leistung lädt, die ihm auf Basis seines Profils zugeordnet wird, egal, an welcher Ladestation im Unternehmen er tankt. Da Fronius auf dem Markt nicht fündig wurde, hat das Unternehmen kurzerhand selbst eine Lösung entwickelt. Sie wurde Fronius Emil getauft. Für das Unternehmen war das Neuland. „Fronius war lange ein klassischer Hardwarehersteller im Bereich Photovoltaik, bewegt sich aber schon seit einigen Jahren im Bereich der Gesamtlösungen für Solarenergie, somit auch ganz stark im Bereich Software. Mit Emil haben wir genau so eine derartige Stand-alone-Software entwickelt“, sagt Jürgen Baumgartner.

Ende 2023 war Emil marktreif. Von vornherein stand die Idee Pate, die Lösung nicht nur im eigenen Unternehmen zu verwenden, sondern über die Systempartner von Fronius am Markt auch anderen Gewerbebetrieben anzubieten. Für die Fachpartner von Fronius hat dies den großen Vorteil, dass sie auch ein Lastmanagement und damit eine Gesamtlösung für Photovoltaik und E-Mobilität in ihr Portfolio aufnehmen können.

400 Elektroautos wollen laden

Seit einigen Jahren sammelt Fronius mit Emil auch schon eigene Erfahrungen, die zeigen, dass sich die Entwicklungsarbeit gelohnt hat. So hat das Unternehmen am Standort im oberösterreichischen Wels einen Netzanschluss mit einer Leistung von 800 Kilowatt geerbt. Das war am Anfang ausreichend. Doch das Unternehmen ist gewachsen und mit ihm auch die E-Mobilität. Fronius merkte schnell, dass der Netzanschluss an seine Grenzen kommt.

Der Stromverbrauch in den Niederlassungen ist in den letzten Jahren drastisch gestiegen. Dazu kommen inzwischen mehr als 200 elektrische Firmenwagen und etwa 170 private Elektroautos, die jeden Tag an den drei Standorten von Fronius – Wels, Sattledt und Pettenbach – laden wollen. „Bei einer Ladeleistung von elf Kilowatt kommt da einiges zusammen“, erklärt Baumgartner.

Einfach anschließen

Zum Laden hat das Unternehmen inzwischen 200 Wallboxen und vier DC-Schnelllader installiert. An diesen Ladestationen kommen jeden Tag etwa 500 Ladungen zusammen, bei denen neun Megawattstunden in die Fahrzeugbatterien geschoben werden. Das bedeutet, dass jedes Auto im Schnitt täglich 18 Kilowattstunden lädt – manche mehr, manche weniger.

Bei einer Leistung von elf Kilowatt pro Ladepunkt sind innerhalb von zwei Stunden diese 18 Kilowattstunden geladen. Bei einem durchschnittlichen Acht-Stunden-Arbeitstag können also an einem Ladepunkt vier Fahrzeuge getankt werden. Das smarte Lastmanagement hilft wiederum dabei, dass sich die Mitarbeiter darüber keine Gedanken machen müssen, wann sie ihr Auto am Ladepunkt anstecken können, um eines dieser Zwei-Stunden-Zeitfenster abzubekommen. Sie schließen ihr Auto morgens an und am Nachmittag ist die Energie im Akku.

Diese 18 Kilowattstunden pro Tag sind für die Mitarbeiter ausreichend. „Ein Auto fährt in der Regel eine Stunde pro Tag. Das sind im Schnitt nicht mehr als 100 Kilometer – meist sogar weniger. Für diese Strecke braucht ein Elektroauto nicht mehr als 20 Kilowattstunden Strom“, rechnet Jürgen Baumgartner vor. „Damit reicht die Energiemenge, um nach Hause und am nächsten Tag wieder in die Firma zu kommen.“

Dennoch müsste selbst bei diesen geringen Strommengen der Gewerbebetrieb ohne dynamisches Lademanagement wie Emil kräftig überdimensionieren und meist auch neue Kabel verlegen und eine neue Verteilung installieren. Mit der Priorisierung der Nutzer ist das nicht mehr notwendig.

Lastmanagement begrenzt Ladestrom

Im Gegenteil: Die bestehende Elektrik, wie sie die Handwerker meist vorfinden, kann weiter genutzt werden. Sie muss nur besser ausgelastet werden, indem beispielsweise das Laden der Autos über den gesamten Arbeitstag gestreckt wird. So kann der Handwerker beispielsweise an einen Verteiler, der mit 50 Ampere abgesichert ist, auch mehrere Wallboxen mit jeweils 16 Ampere anschließen. Wenn alle Ladestationen gleichzeitig starten, würde das die Strombelastbarkeit übersteigen.

Doch das dynamische Lastmanagement sorgt dafür, dass alle an dieser Leitung angeschlossenen Wallboxen zusammen niemals über 50 Ampere kommen. Dazu schaut sich Emil an, welche Nutzer an den jeweiligen Wallboxen hängen. Je nach Priorisierung wird dann der vorhandene Strom über die verbauten Smart Meter auf die Wallboxen so verteilt, dass die Leitung maximal ausgenutzt, aber niemals überbeansprucht wird.

Dazu übermitteln die Smart Meter permanent die Anschluss- und Stromwerte in eine Cloud. Dort holt sich Emil die Daten ab und schickt Regelinformationen an die jeweiligen Wallboxen. Diese stellen die Stromwerte auf Basis der Priorisierung ein, mit der das jeweilige Auto geladen werden soll.

Auf diese Weise kann Fronius mit Emil die gesamte Energieverteilung im Unternehmen nachbilden und sicherstellen, dass an keinem Verteiler die maximale Strombelastbarkeit überschritten wird. Das funktioniert auch in anderen Gewerbebetrieben. Damit kann der Handwerker die Ladeinfrastruktur im Vergleich zur Belastbarkeit der verlegten Kabel und sogar des Netzanschlusses mehrfach überdimensionieren, ohne eine Überlastung zu riskieren.

So wird es möglich, auch bestehende elektrische Anlagen in Gebäuden und auf einem Unternehmensgelände zu nutzen. Doch auch im Neubau hat das Vorteile. „Denn mit einem dynamischen Lastmanagement kann der Handwerker bewusst das Leitungssystem unterdimensionieren und damit viel Geld sparen“, erklärt Jürgen Baumgartner.

Nutzergruppen definieren

Ein kleiner Aufwand entsteht vor allem bei der Einrichtung des dynamischen Lastmanagements. Denn Emil muss zunächst einmal wissen, wer wie viel Ladestrom bekommen soll. Dazu definiert der Administrator Nutzergruppen, die unterschiedliche Priorisierungen haben. Danach ordnet er jeden Nutzer einer dieser Gruppen zu. Diese Zuordnung speichert der Administrator auf die Ladekarten. Mit diesen wiederum kann der Mitarbeiter den Ladevorgang starten.

Anhand der Daten auf der Ladekarte bekommt Emil die Information, welcher Nutzer an welcher Wallbox angeschlossen ist, und ordnet die vorhandenen Ladeströme entsprechend zu. Sollten neue E-Autos hinzukommen, weist der Administrator sie einfach jeweils einem Nutzerprofil zu. Auf diese Weise können die Elektroflotten in den Gewerbebetrieben unkompliziert wachsen, ohne dass die vor Ort verbaute Elektrik mitwachsen muss.

Nicht jedes Auto muss am Ende immer vollgeladen sein. Das ­Lastmanagement weiß, wer wie viel Strom tatsächlich braucht.

Foto: Fronius International

Nicht jedes Auto muss am Ende immer vollgeladen sein. Das ­Lastmanagement weiß, wer wie viel Strom tatsächlich braucht.
Der Administrator weist dem Mitarbeiter ein bestimmtes Ladeprofil zu.

Foto: Fronius International

Der Administrator weist dem Mitarbeiter ein bestimmtes Ladeprofil zu.

Kurz nachgefragt

„Wir ermitteln die passende Portion Energie für jedes Auto“

Die Firma Lade GmbH aus Mainz kombiniert dynamisches Lastmanagement mit künstlicher Intelligenz (KI). Die Software erstellt Prognosen für den Bedarf der Nutzer von E-Ladepunkten. Welche Vorteile dies hat, erklärt Geschäftsführer Dennis Schulmeyer.

Lade nutzt mit Ladegreen KI, um bestehende Energiesysteme für die Elektrifizierung von Firmenflotten zu nutzen. Geht es da um die weitere Verbesserung des dynamischen Lastmanagements?

Dennis Schulmeyer: Unser KI-basiertes System fängt da an, wo herkömmliches dynamisches Lastmanagement an seine Grenzen stößt: Dann, wenn es darum geht, mehrere Ladepunkte mit Überschüssen aus der Solaranlage vor Ort zu versorgen. Die KI hilft aber auch in Bezug auf das Lastmanagement, wenn viele Ladepunkte an leistungsschwache Netzanschlüsse angeschlossen werden. Sie hilft dabei, die passende Portion Energie, die jeder wirklich braucht, zu ermitteln. Das ist auch für den Einfamilienhausbereich geeignet, wenn mehrere Elektroautos vorhanden sind.

Wie ermittelt die KI das notwendige Häppchen Strom für das Elektromobil?

Das übernehmen verschiedene Machine-Learning-Modelle, die im Hintergrund arbeiten. Diese ermitteln auf der einen Seite den Strombedarf eines Fahrzeugs und auf der anderen Seite die Verfügbarkeit an erneuerbarer Energie im Gebäude, an erneuerbarer Energie aus dem Stromnetz, den Bedarf des Gebäudes oder die Verfügbarkeit von Strom am Netzanschlusspunkt. Wir optimieren den gesamten Ladevorgang anhand der vorhandenen Daten.

Wie funktioniert das genau?

Zunächst wird der Fahrzeugbedarf ermittelt. Das ist noch relativ simpel. Die KI schaut sich die verschiedenen Gegebenheiten an: Wie oft und wann lädt ein bestimmtes Fahrzeug, wann fährt es weiter? Daraus versucht die KI ein Muster zu erkennen. Der nächste Schritt ist zu ermitteln, wie viel Energie das Auto braucht. Im besten Fall haben wir Zugriff auf den Ladezustand des Akkus, den State of Charge oder SOC. Dann können wir noch genauer regeln. Damit steht schon mal der Bedarf des Fahrzeugs fest.

Der nächste Schritt ist dann die Bereitstellung der Energie. Woher kommen diese Informationen?

Dazu müssen wir das Angebot an Energie kennen. Für den Photovoltaikstrom betrachten wir die Erzeugungsdaten der Wechselrichter vor Ort. Wir korrelieren diese mit Wetterdaten für den Standort. Bei der Nutzung von Netzstrom schauen wir uns wiederum in erster Linie die Verfügbarkeit von erneuerbaren Energien an. Dazu nutzen wir unser eigenes Modell, das man auch auf www.gruenstromprognose.de frei einsehen kann. Diese Daten korrelieren wir und haben so einen Überblick über das Komplettangebot an Strom, um den Bedarf jedes einzelnen Fahrzeugs abzudecken.

Wie hoch aufgelöst sind die Daten?

Wir haben dafür eigene Modelle entwickelt und in unser System integriert. Denn in der Regel sind die Wetter- und Stromdaten nur für 24 Stunden im Voraus verfügbar. Doch wir schauen auch auf die vergangenen Wetterdaten, die wir mit den Stromerzeugungsdaten aus der Vergangenheit abgleichen. Daraus ermitteln wir, wie viel Potenzial Deutschlands erneuerbare Energieerzeugung unter welchen Wetterbedingungen hatte. Anhand der aktuellen Wetterbedingungen können wir daraus eine Prognose ermitteln, wie viel Solarstrom vom Dach und wie viel Ökostrom aus dem Netz zur Verfügung steht. Den darauf basierenden Ladeplan zeigen wir dem Nutzer in der App an. Er kann dann entscheiden, wie er lädt und wie viel Strom er zu welchem Zeitpunkt im Akku haben will.

Hier sind aber immer die Erneuerbaren priorisiert?

Richtig. Wir haben das zunächst auf das Ökostromangebot optimiert. Die erste Priorität hat der Solarstrom vor Ort. Reicht dieser nicht aus, schaut die KI auf das Angebot an erneuerbarem Strom im Netz. Erst wenn dieser nicht ausreicht, um genügend Strom in den Autoakku zu laden, greift sie auf Graustrom aus dem Netz zurück.

Jeder Gewerbebetrieb und auch jeder Hauseigentümer hat ein anderes Verhalten. Muss die künstliche Intelligenz deshalb erst einmal angelernt werden?

Nein. Das machen wir vorher. Wir haben auf Basis unserer eigenen Daten und anderer Informationen für den entsprechenden Standort die Machine-Learning-Modelle vortrainiert. Nach der initialen Anlernphase muss der Nutzer im Regelfall nie mehr eingreifen. Er schaut in die App, ob alles passt. Bei einer Sondersituation, wenn er unvorhergesehen früher das Auto braucht, kann er das ebenfalls über die App einstellen. Dann lädt die Wallbox schneller mit dem Strom, der gerade vorhanden ist. Aber grundsätzlich nimmt ihm die KI die Entscheidung ab, wann und wie viel Energie das Auto optimal lädt.

Wie wird das Ganze installiert?

Wir steuern das nicht über Ethernet oder WLAN, sondern setzen ganz bewusst auf RS485-Kommunikation. Das macht die Installation und die Einrichtung einfacher. Außerdem kann das Kommunikationskabel 400 Meter lang sein, nicht wie bei Ethernet nur 100 Meter. Dadurch können wesentlich größere Parkflächen ausgestattet werden und es wird zur Einrichtung kein Netzwerktechniker gebraucht. Der Elektrohandwerker kann das ganz einfach anschließen. Der Betreiber braucht auch keinen Netzwerkschrank, keinen Switch.

Das Gespräch führte Sven Ullrich.

Foto: Julia Teine

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