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“Goldenes Kalb der Deutschen“

Die Elektromobilität ist in aller Munde, aber scheinbar tut sich wenig. Wie kamen Sie zum Thema?

Georg Beyschlag: Nach vielen Jahren in der Solarbranche kam ich unmittelbar zur Elektromobilität, weil man damit den Eigenverbrauch deutlich erhöhen kann. Und wir können die Photovoltaik auf neue Weise mit Emotionen aufladen. Denn das Auto ist das Goldene Kalb der Deutschen.

Sie haben die Mobilstrominitiative Chiemgau gegründet, um in Ihrer Region vermehrt Ladepunkte zu installieren. Warum so konkret im Chiemgau?

Ich wohne in Grassau, sechs Kilometer südlich vom Chiemsee. Bis zur Grenze nach Tirol sind es nur 20 Kilometer. Wir gehören zur europäischen Euregio-Region Oberbayern, Salzburger Land und Tirol. Die Initiative ist entstanden, weil ich nicht länger auf Herrn Dobrindt in Berlin warten wollte.

Sie meinen den Verkehrsminister im Bundeskabinett?

Unser Bundesverkehrsminister gefällt sich in Ankündigungen, dass die Raststätten an den Autobahnen mit DC-Ladesäulen ausgestattet werden sollen. Ich habe mehrfach bei der Raststätte Samerberg-Süd nachgefragt, die erst kürzlich eröffnet wurde und vier Millionen Euro gekostet hat. Dort wusste man von nichts, nur Achselzucken. Die Elektromobilität können wir selber in Gang bringen, das hat uns Elon Musk vorgemacht.

Wie viele Ladepunkte haben Sie bereits im Chiemgau installiert?

Rund 20. Damit haben wir unseren Plan für diese Region erfüllt. Nun führe ich viele Gespräche mit Menschen im Berchtesgadener Land oder im Landkreis Rosenheim. Auch Stadtwerke und Zweckverbände fragen zunehmend an, um Ladesäulen aufzubauen. Denn es ist doch klar: Elektromobilität kann es nur mit sauberem Strom zum Beispiel von der Sonne geben. Wir müssen genau wissen, woher die Energie für die Autos kommt.

Welche Technik installieren Sie?

Wir bauen ausschließlich Ladestationen mit Drehstromanschluss, mit elf oder 22 Kilowatt Ladeleistung. Welches System tatsächlich zum Einsatz kommt, legt der jeweilige Betreiber fest. Denn die Ladesäule darf seine Hauselektrik oder das Firmennetz nicht überlasten oder zu hohe Lastspitzen erzeugen. Bei 22 Kilowatt brauchen wir Leitungen für 32 Ampere, bei elf Kilowatt genügen 16 Ampere. In unserer Region haben das im Prinzip viele Haushalte verfügbar. Das kann jeder Elektriker installieren.

Welche Partner haben Sie als Betreiber im Auge und wie sprechen Sie sie an?

Wir konzentrieren uns auf kleine und mittlere Unternehmen. Mittlerweile hat sich gezeigt, dass insbesondere Gastwirte und Hoteliers sehr interessiert am Thema sind. Wir haben allein vier Hotels mit Ladestationen ausgestattet. Die Fahrer der Elektroautos parken dort ihre Autos zum Laden und gehen im Restaurant essen oder bleiben gar über Nacht. Für die Tourismusbranche sind Ladesäulen bereits ein echter Mehrwert.

Welches Betreibermodell nutzen Sie für die Stationen?

Wir bringen die richtigen Leute zusammen und kümmern uns auch ein Stück weit um die Finanzierung. Allerdings darf man die Investition nicht überschätzen, so eine AC-Ladestation ist für 2.500 bis 3.000 Euro zu haben. Unsere erste Station befindet sich bei einem Gastwirt, der selbst viel Photovoltaik auf seinen Dächern hat und eine eigene Biogasanlage betreibt. Er hat sich vor fünf Jahren schon einen Prototyp einer Ladesäule hingestellt, die allerdings der TÜV damals nicht abnehmen wollte.

Aber er hat sich nicht entmutigen lassen ...

Zumindest war der Mann bei der Elektromobilität ganz vorne dabei. Jetzt installieren wir die Ladeboxen von The New Motion aus Holland. Das Unternehmen hat europaweit schon 25.000 Ladepunkte aufgebaut, unter anderem auch in Deutschland und Österreich. Für die erste Ladesäule unserer Initiative gab die Gemeinde einen Zuschuss von 1.000 Euro, immerhin fast 40 Prozent der Investition.

Warum haben Sie sich für das holländische System entschieden?

Die Niederländer sind viel weiter als wir hier in Deutschland. The New Motion hat neben den vielen bereits installierten Ladepunkten auch eine eigene App, die zu den Ladepunkten führt und dort den Ladevorgang auslöst. Es geht ja nicht nur um einzelne Ladepunkte, sondern um ein möglichst dichtes Netz. Zur Ausstattung gehören auch ein vernünftiges Backend für die Abrechnung, eine Hotline und die Identifikation übers Internet. Das holländische Unternehmen hat ein Büro in Berlin. Die Ladesäulen sind vom TÜV zertifiziert und erfüllen auch sonst alle wichtigen Normen und Vorschriften.

Wer hat denn die Ladesäulen aufgebaut?

Wie gesagt, das kann jeder Elektriker. Vorzugsweise arbeiten wir mit dem Hauselektriker des Betreibers zusammen, denn er kennt ja die Hausinstallation und die Sicherungen im Gebäude oder auf dem Grundstück am besten.

Welche technischen Hinweise sind zu beachten?

Neben den Säulen braucht man ein fünfadriges Kabel, das bei längeren Abschnitten mindestens 16 Quadratmillimeter Querschnitt haben sollte. Für die drei Phasen am Drehstrom brauchen wir drei separate Absicherungen und einen allstromfähigen Schutzschalter. Um versicherungsrechtlich auf der sicheren Seite zu sein, empfehlen wir prinzipiell den Einbau eines Überspannungsschutzes. Mehr ist nicht zu tun.

Wie kommt Ihr Modell bei den Elektrikern in Ihrer Region an?

Einige verstehen schnell, welche Potenziale die Elektromobilität vor allem für die Elektrobetriebe bietet. Ich habe einen Multiplikator gewonnen, wenn der Elektriker selbst zu seinen Kunden im Elektroauto fährt. Sonst wird er ihn nicht überzeugen, nicht wirklich. Andere brauchen länger, um die Chancen zu verstehen. Auf alle Fälle ist wichtig, dass die Wertschöpfung in der jeweiligen Region verbleibt.

Das Gespräch führte Heiko Schwarzburger.

www.mobilstrom-chiemgau.de

Georg Beyschlag

hat einige Jahre lang das Außendienstbüro Bayern und Österreich eines bekannten Fachgroßhandels in der Solarbranche geleitet, den es seit Mitte 2014 nicht mehr gibt. Danach hat sich der 61-Jährige bei der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie e. V. in Nürnberg als Eigenstrommanager weiterqualifiziert.

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