Der Ausbau der öffentlich zugänglichen Ladeinfrastruktur in Deutschland geht mit großen Schritten voran. Allein im Jahr 2023 wurden nach Angaben der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur, basierend auf den Daten des Ladesäulenregisters der Bundesnetzagentur, 29.456 neue öffentlich zugängliche Ladepunkte errichtet. Damit waren zum Ende des Jahres 2023 insgesamt 112.179 Ladepunkte im ganzen Land in Betrieb. Davon waren 17 Prozent Schnelllader.
Diese neuen Ladesäulen liefern zusammen eine Ladeleistung von gut fünf Gigawatt. Allein 2023 entstanden mehr als 1,5 Gigawatt neue Ladeleistung. Damit hat Deutschland die europäischen Mindestziele für die installierte Ladeleistung um das Doppelte übertroffen. Die Elektromobilisten bekommen immer mehr Sicherheit, in der Nähe ihres Aufenthaltsortes eine Ladesäule zu finden.
Ladeinfrastruktur gezielt ausbauen
Wie die existierenden Ladesäulen ausgelastet sind, darüber gibt es nur grobe Informationen. So gibt der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft eine durchschnittliche Auslastung von 12,5 Prozent an. Doch diese Daten werden der Komplexität einer Bedarfsanalyse nicht gerecht. Um die Zufriedenheit der E-Autofahrer zu ermitteln, müsste sich der Bedarf an den Zeiten orientieren, zu denen die Ladesäulen am höchsten ausgelastet sind.
So ist es durchaus möglich, dass Ladesäulen in bestimmten Regionen nachts komplett ungenutzt bleiben, tagsüber aber die E-Autofahrer händeringend nach einem freien Ladepunkt suchen. Umso wichtiger ist es, die öffentlich zugängliche Ladeinfrastruktur gezielt anhand dieses Bedarfs auszubauen.
Doch viele Kommunen und Stadtwerke als potenzielle Betreiber der Ladeinfrastruktur stehen vor jeder Menge Fragen, wenn es um die Entscheidung geht, wo welche Ladesäule gebaut werden sollte. Denn sie kennen das potenzielle Ladeverhalten in der Regel nicht, müssen sich aber darum kümmern, dass die Infrastruktur aufgebaut wird.
Standortplaner entwickelt
Dieser Herausforderung hat sich die Nationale Leitstelle Ladeinfrastruktur im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums angenommen. Sie arbeitet unter dem Dach der Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NOW). Die Expertinnen und Experten haben einen Algorithmus ausgearbeitet, um Kommunen bei der Auswahl der passenden Standorte für öffentlich zugängliche Ladesäulen zu unterstützen.
Das Ergebnis der Entwicklung ist ein Standort-Tool. „Mit dem Standort-Tool geben wir aus, wie viel Ladebedarf wir in ganz Deutschland sehen, und brechen diesen Bedarf kleinräumig herunter“, erklärt Felix Steck. Er ist Leiter des Teams Planen bei der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur, das das Standort-Tool entwickelt hat.
Bedarf wird kleinräumig aufgelöst
Mit dem Standort-Tool haben die Entwickler Deutschland in Flächen von jeweils 500 mal 500 Metern aufgeteilt. Für jede dieser Flächen ist die notwendige Ladeinfrastruktur farblich angegeben. Der Nutzer kann hier auch den Zeithorizont einstellen. So kann er sich den aktuellen Bedarf anzeigen lassen. Es ist aber auch möglich, Prognosen zu visualisieren, wie sich der Bedarf an Ladeinfrastruktur in den Jahren 2025 und 2030 entwickeln wird – auf Basis der verschiedenen Szenarien des Absatzes von Elektroautos.
In der Grundeinstellung zeigt das Tool dann den Bedarf, wenn im Jahr 2025 sechs Millionen und im Jahr 2030 15 Millionen Elektroautos in Deutschland zugelassen sind. Das ist das Ziel, das die Bundesregierung anstrebt. Die Website des Standort-Tools wird aktuell neu aufgesetzt und erscheint im Sommer 2024 mit zusätzlichen Funktionen.
Mit unterschiedlichen Szenarien können verschiedene Ausbaustrategien angezeigt werden, wie beispielsweise ein verstärkter Ausbau des Hochleistungsladens. Zudem kann der Anteil des privaten Ladens variiert werden, um den Zusammenhang zwischen privater und öffentlich zugänglicher Ladeinfrastruktur abzubilden.
Siedlungsstruktur berücksichtigt
Bei der Entwicklung des Tools sind verschiedene Daten eingeflossen. „Grundlage sind eine deutschlandweite Verkehrsmodellierung und vor allem Daten zum Verkehrsverhalten“, erklärt Felix Steck. „Eine wichtige Quelle ist hier die Mobilität in Deutschland, aus der ersichtlich wird, wie die Menschen in Deutschland unterwegs sind. Uns interessiert dabei natürlich vor allem der Pkw-Verkehr.“
Außerdem sind in das Tool jede Menge siedlungsstruktureller Daten, also Angaben zur Bevölkerung, zur Beschäftigung und zum Autobesitz, eingeflossen. Dazu gehören aber auch Angaben über die Art der jeweiligen Siedlungsstruktur. Denn der Ladebedarf in einem Gewerbegebiet ist anders als in einem reinen Wohngebiet oder einem Mischgebiet.
Damit ist es beispielsweise möglich, Standorte zu identifizieren, an denen die Autos länger an der Ladesäule stehen. Zusätzlich sind hier auch noch alle Daten zur Nutzung der bestehenden Ladeinfrastruktur eingeflossen.
Die Entwickler haben dabei unter anderem berücksichtigt, wie viel städtische Ladeinfrastruktur existiert, wie die Ladesäulen mit verschiedenen Ladeleistungen jeweils genutzt werden, wann geladen wird, wie oft die Ladesäulen benutzt werden. „Diese Daten fließen alle ein und geben dann für verschiedene räumliche Ebenen den Bedarf an Ladepunkten aus“, sagt Felix Steck.
Daten aus unterschiedlichen Quellen
Die Daten kommen aus unterschiedlichen Quellen, die aber alle weitgehend öffentlich zugänglich sind. Die Daten zur Mobilitätsprognose stammen beispielsweise vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Die Daten zur Siedlungsstruktur haben die Entwickler vom Bundesamt für Kartographie genommen.
Zur Einarbeitung der bestehenden Ladeinfrastruktur haben sie einerseits auf das Ladesäulenregister der Bundesnetzagentur zurückgegriffen. Dort müssen die Betreiber jede öffentlich zugängliche Ladesäule eintragen. Andererseits sind Daten über geförderte Ladesäulen vom Bundesverkehrsministerium eingeflossen.
Nutzungsdaten integriert
Um mit den Modellen die Realität abbilden zu können, sind natürlich auch Nutzungsdaten der Ladesäulen notwendig. „Es ist uns gelungen, diese Daten, die wir von Betreibern von geförderten Ladepunkten sammeln, jetzt auch öffentlich zugänglich zu machen“, sagt Felix Steck.
Das gesamte Tool wird auch laufend aktualisiert. Es wird nicht hinterlegt, wie sich der Ladebedarf ändert, wenn sich eine Person ein neues Elektroauto kauft. Hier wird auf die Marktentwicklung der Elektromobilität allgemein zurückgegriffen. „Wir differenzieren diesen Markthochlauf aber für verschiedene Raumgebiete und berücksichtigen so, dass in manchen Gebieten in Deutschland die Durchdringung mit Elektroautos schon höher ist als in anderen“, erklärt Felix Steck.
Planungswerkzeug für Netzbetreiber
Allerdings fließt der aktuelle Ausbau der Ladeinfrastruktur mit ein. Wenn neue Systeme im Ladesäulenregister gemeldet werden, wirkt sich dies direkt auf den ermittelten Bedarf in der jeweiligen Region aus. Denn dann wird dieser um die neu errichtete Ladeinfrastruktur reduziert. „Dies setzen wir direkt mit jeder monatlichen Veröffentlichung des Ladesäulenregisters um, sodass automatisiert die Bestandsinfrastruktur berücksichtigt wird“, sagt Felix Steck.
Auf diese Weise bekommen die Kommunen und auch die potenziellen Betreiber von Ladestationen einen räumlich sehr kleinteilig aufgelösten Überblick, wo welche Ladestation noch gebraucht wird – und dann auch wirtschaftlich betrieben werden kann. Auch die Netzbetreiber können so besser planen, mit welchem Aufwand sie wo ihre Netze für die Energiewende auf der Straße fit machen müssen und wo sie zukünftig sogar mit steuerbaren Lasten rechnen können, wenn das bidirektionale Laden auch am Netz perspektivisch endlich umgesetzt wird.
Kommunales Wissen nutzen
Doch an welcher Stelle die Ladesäulen konkret stehen werden, geht aus dem Standort-Tool nicht hervor. „Hier spielt kommunales Wissen vor Ort eine große Rolle, das wir selbst nicht haben“, begründet Felix Steck. Dafür haben die Experten der Leitstelle aber ein zusätzliches Flächen-Tool entwickelt. Dies ist eine Plattform, auf der sich Flächeneigentümer und potenzielle Betreiber von Ladesäulen verbinden können.
So haben Eigentümer von Grundstücken die Möglichkeit, ihre Flächen für die Installation von Ladesäulen anzubieten. Sie können die Grundstücke auf der Plattform mit allen relevanten Angaben eintragen. Dazu gehören unter anderem die genaue Adresse, wem die Fläche gehört, die Anzahl der verfügbaren Stellplätze, Angaben über die Flächenversiegelung und – sehr wichtig – Angaben über den vorhandenen Netzanschluss.
Niedrigschwelliges Angebot
Zusätzliche Angaben über die Umgebung, etwa Hotels, Gewerbebetriebe, Supermärkte oder die Siedlungsstruktur, sind für diejenigen, die eine Fläche für den Bau von Ladesäulen suchen, hilfreich. Diese potenziellen Ladesäulenbetreiber können auf einer interaktiven Karte alle gemeldeten Flächen inklusive der detaillierten Angaben einsehen.
Nach einer Anmeldung auf der Plattform können sie die Flächeneigentümer auch direkt kontaktieren. „Grundsätzlich ist die Plattform so aufgebaut, dass das Angebot sehr niedrigschwellig ist“, sagt Felix Steck. „Auch ohne umfangreiche Kenntnisse zum Thema Ladeinfrastruktur sollen die Eigentümer ihre Flächen mit wenigen Informationen einstellen können und so auf sich aufmerksam machen.“
Dazu gibt es einen Flächencheck. Hier finden Flächeneigentümer und auch Mitarbeiter von Kommunen Hinweise darauf, welche Areale sich für welche Art der Ladeinfrastruktur eignen.
Doch es ist auch umgekehrt möglich, dass Interessenten an einer Fläche nach bestimmten Kriterien auf der interaktiven Karte suchen. Zusätzlich gibt es Investorenprofile. Hier können sich große Betreiber von Ladesäulen registrieren und Flächeneigentümer können direkt auf sie zugehen und Areale anbieten. Inzwischen sind auf der Plattform schon über 100 Betreiber von Ladeinfrastruktur registriert, wie Felix Steck erklärt.
Österreich und Luxemburg machen mit
Die Plattform lebt von ihren Nutzern. So sind aktuell etwa 2.000 Flächen im Angebot. „Wir beobachten auch seit Längerem, wie viele Flächen konkret vermittelt wurden“, sagt Felix Steck. „Das ist inzwischen schon eine hohe zweistellige Anzahl.“ Er sieht das Angebot vor allem als Gewinn für kleinere Kommunen und Städte.
Die großen Städte haben in der Regel Fachleute, die sich mit der konkreten Planung der Ladeinfrastruktur beschäftigen. Das ist in kleineren Kommunen meist anders. Hier fehlen häufig die personellen Kapazitäten. Außerdem geht es in den Großstädten auch um eine andere Art der Ladeinfrastruktur, die dort zu einem großen Teil im öffentlichen Straßenraum errichtet wird.
Hier bauen auch Supermarktketten verstärkt mit festen Partnern auf den Parkplätzen Ladesäulen auf. Solche Areale tauchen dann selbstverständlich nicht auf der Plattform auf, wirken sich aber auf den Bedarf an Ladeinfrastruktur aus.
Die beiden Tools haben sich inzwischen nicht nur in Deutschland etabliert. In Österreich firmiert das Angebot unter dem Titel „Ladegrund“ und wird hier von der österreichischen Leitstelle Elektromobilität von Austriatech betrieben. In Luxemburg ist die Plattform, die auf dem Flächen-Tool der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur basiert, schon seit 2022 unter dem Namen Pro-Charging online.
https://toolbox.nationale-leitstelle.de
Nationale Leitstelle Ladeinfrastruktur
Ladesäulenplanung lernen
Immer noch ist das Wissen über die Elektromobilität sehr lückenhaft. Vor der Entscheidung für ein Elektroauto steht vor allem die Frage: Wie und wo kann ich das Auto laden? Gibt es in meiner Kommune oder meiner Umgebung ausreichend Ladepunkte? Hier sind auch die Kommunen gefragt, die befähigt werden müssen, den Ladeinfrastrukturausbau vor Ort voranzutreiben. Denn nur so kommt die Energiewende im Straßenverkehr in Schwung.
Diese Kommunen stehen aber vor einem Dilemma: Sie müssen sich um den Ausbau von Ladesäulen kümmern, die Mitarbeiter haben aber noch jede Menge anderer Aufgaben zu erledigen und nur wenige Kenntnisse über die Ladeinfrastruktur für Elektroautos.
Aus diesem Grund hat die Nationale Leitstelle Ladeinfrastruktur ein Ladelern-Tool entwickelt. Dies ist eine elektronische Lernplattform, über die kommunale Mitarbeiter anhand von modular aufgebauten Kursen ihr Wissen zum Thema Laden von Elektroautos und Planung von Ladeinfrastruktur flexibel in ihrem eigenen Tempo erweitern können. Nachdem sie in den Kursen das Wissen vermittelt bekommen haben, können sie die Inhalte mit verschiedenen Übungen festigen. Jeder Kurs schließt mit einem Test und dem Erwerb eines Zertifikats ab. Die Zahl der Kurse wächst weiter.