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Markt

Speicher auf vier Rädern

Die Idee ist charmant: Das Elektroauto kann nicht nur der Mobilität dienen, sondern auch als rollender Stromspeicher. Interessant ist das vor allem für Hauseigentümer. Aber auch die Netzbetreiber hätten viel davon, wenn die Elektroautos nicht nur flexibel geladen werden, sondern auch das Netz aktiv unterstützen würden. Das ist aber noch Zukunftsmusik.

Bei den Herstellern von Wallboxen ist diese Zukunftsmusik aber schon zu hören. Viele Anbieter haben bereits angefangen, ihre Wallboxen fit für den neuen Trend zu machen. Sie integrieren im ersten Schritt die Kommunikation zwischen Auto und Ladestation in ihre Wallboxen. So hat Mennekes in seine Produktfamilie Amtron 4You schon längst den Kommunikationsstandard ISO 15118 integriert, der für das bidirektionale Laden notwendig ist.

Daten aus dem Auto nutzen

Auch Compleo arbeitet unter dem Dach der Kostal-Gruppe mit Hochdruck daran, das bidirektionale Laden in die Realität zu bringen. Ziel ist die Entwicklung einer bidirektionalen Ladestation. „Wir erwarten, dass das Produkt bis 2026 marktreif sein wird“, sagt Geschäftsführer Jörg Lohr.

Einen ersten Einblick, wie die Energieflüsse dann aussehen, zeigt das Unternehmen auf dem Stand B6.410 der diesjährigen Power2Drive. „Bei der DC-Schnittstelle für das bidirektionale Laden sind wir technisch bereits weit fortgeschritten. Der Serien-Rollout wird beginnen, sobald die Ladeinfrastruktur und die Fahrzeuge nahtlos miteinander kommunizieren können“, sagt Frank Löhr.

Damit spricht er eine recht hohe Hürde an, die dem bidirektionalen Laden noch im Wege steht. Denn auch andere Unternehmen beklagen, dass die Fahrzeughersteller die Batterien der Autos immer noch nicht freigeben – oder bestenfalls einen Teil des Speichers für eine bestimmte Anzahl an Ladezyklen, wie Matthias Fischbacher, Geschäftsführer von Smartfox, erklärt (siehe Interview auf Seite 108).

Kunden wollen bidirektional laden

Dabei wollen die Hauseigentümer den Strom aus ihrem Elektroauto auch im Gebäude nutzen. „Die Kunden fragen nach bidirektionalem Laden“, weiß Thomas Schmeink. Er ist Geschäftsführer von Tekloth Solar. Das Unternehmen aus Bocholt verbaut jährlich etwa 100 bis 150 Wallboxen, hauptsächlich die Enector-Geräte von Kostal Solar Elektrik. Der Vorteil: Die Wallboxen sind in das System aus Wechselrichter und Smart Energy Meter leicht einzubinden, weil alles miteinander kompatibel ist.

Thomas Schmeink weiß natürlich, dass es beim bidirektionalen Laden noch Dinge zu klären gibt, wie zum Beispiel die Garantie der Fahrzeugakkus, was er seinen Kunden auch immer wieder sagt. „Andererseits stehen mit ­einem geparkten Elektroauto viele Kilowattstunden Speicherkapazität zur Verfügung, die aktuell nicht genutzt werden. Ein großes Potenzial für eine effiziente Energiewende mit mindestens ebenso großem Klärungsbedarf“, sagt Thomas Schmeink.

Kommunikation ist geklärt

Zwar sind mit der ISO 15118-2 und der ISO 15118-20 die Normen für die Kommunikation zwischen Auto und Wallbox weitgehend geklärt. Doch die endgültige Festlegung aller Normen und Regularien könnte sich noch bis 2027 hinziehen. Denn derzeit werden vor allem noch die Fragen debattiert, welche Schutzvorrichtungen notwendig sind und wo diese eingebaut werden – in der Ladesäule oder im Auto.

Dabei wird es im Bereich des DC-Ladens schneller gehen, weil die Umsetzung einfacher ist. So könnten die Autohersteller das bidirektionale Laden über ein Softwareupdate dann über die normale CCS-Schnittstelle zulassen. Das Ladegerät des Autos ist hier nicht mehr beteiligt. Bei der Installation der Ladesäulen kann man sich wiederum an den Standards von Photovoltaiksystemen orientieren.

Allerdings fehlen hier immer noch komponentenspezifische Normen als Grundlage für einen sicheren Betrieb. Auch die Zusammenarbeit zwischen den DC-Systemen innerhalb der Ladesäule ist noch nicht gegeben. Denn in der Regel können zwei Fahrzeuge an den schnellen DC-Ladern auftanken. Doch bidirektional wird dann zunächst möglich sein, dass nur ein Auto lädt. Zudem sind die Kosten für die DC-Ladestationen derzeit noch immens hoch.

Netzfähigen Wechselstrom bereitstellen

Beim bidirektionalen AC-Laden liegt die Latte noch höher. Denn hier kommt noch das Ladesystem im Auto ins Spiel. Abgesehen davon, dass die Rückspeisung von Wechselstrom ins Netz – sei es im Gebäude oder ins Stromnetz – nur in Verbindung mit weiteren smarten Komponenten funktioniert.

Unter anderem deshalb ist beim AC-Laden eine Rückeinspeisung in das Netz aktuell noch nicht möglich. „Denn herkömmliche AC-Wallboxen erfüllen nicht die technischen Voraussetzungen eines Photovoltaikwechselrichters“, sagt Frank Löhr. Doch diese müssten sie mitbringen, um tatsächlich für das Netz geeigneten Wechselstrom bereitzustellen. Schließlich wird das Elektroauto dann zur Stromquelle am Netz.

Zudem sind sich die Akteure hier noch uneins, ob das Fahrzeug inklusive des verbauten Ladegeräts oder, analog zum bidirektionalen DC-Laden, die AC-Wallbox eine Zertifizierung erhalten muss und wie das Zertifikat vom Netzbetreiber überprüft werden kann. „Außerdem müsste das Fahrzeug bei einer AC-Wallbox zusätzliche Sicherheitsfunktionen übernehmen, was die Implementierung erschwert“, weiß Compleo-Chef Frank Löhr.

Erste Prototypen Ende 2024 erwartet

Ziel sei es, ein System zu entwickeln, das europaweit funktioniert, ähnlich den Standards, die für Photovoltaikwechselrichter gelten. „Die Entwicklung einer solchen AC-Lösung ist komplex und wird voraussichtlich noch drei bis fünf Jahre in Anspruch nehmen“, sagt Frank Löhr.

Von diesem Zeithorizont gehen auch andere Hersteller aus. Zwar könnte es Ende 2024 oder Anfang 2025 prototypische AC-Wallboxen geben, die bidirektional laden können und in unterschiedlichen Pilotprojekten erprobt werden. Lösungen für die breite Masse und auch Elektrofahrzeuge mit passenden Ladegeräten an Bord könnten dann voraussichtlich ein bis zwei Jahre später im Markt erhältlich sein.

Derweil haben die Anbieter von Wallboxen und Ladelösungen noch weitere Aufgaben auf dem Tisch. So werden ab kommendem Jahr auch in Deutschland flexible Strompreise für die Energieanbieter obligatorisch – eine Steilvorlage für die Elektromobilisten. Denn bei flexiblen Preisen könnten sie ihre Autos dann laden, wenn es am billigsten ist.

Flexible Strompreise integriert

Das wäre natürlich in erster Linie, wenn Solarstrom vom eigenen Dach kommt. Doch wenn er nicht ausreicht, kommen die flexiblen Strompreise ins Spiel. Hierauf reagieren immer mehr Hersteller. So kann der Energiemanager Pro 2-3Y von Smartfox schon auf dynamische Stromtarife reagieren.

Auch E3/DC hat mit dem jüngsten Update seiner Speichersoftware die dynamischen Stromtarife integriert. Die erste konkrete Anwendung im Update ist das Laden von Elektroautos mit der Wallbox von E3/DC. Ein selbst entwickelter Algorithmus verbindet solares Laden mit dem Day-Ahead-Preis an der Strombörse. Dazu wird eine individuelle Preisgrenze festgelegt, bis zu der der Elektromobilist Strom aus dem Netz laden will. Steigt der Börsenpreis darüber, nutzt der Algorithmus keinen Netzstrom mehr. Das Angebot ist unabhängig vom Stromanbieter, den jeder Kunde weiterhin selbst wählen kann. Das Hauskraftwerk von E3/DC holt sich dabei selbst die Preise vom Day-Ahead-Markt.

Flexibilität vermarkten

Dazu kommen noch weitere Geschäftsmodelle für die Besitzer eines Elektroautos, um nicht nur preiswerter zu laden, sondern aktiv Geld zu verdienen. So wird The Mobility House aus München auf der Power2Drive unter anderem seinen intelligenten Autostromtarif Eyond bei der Vermarktung von flexiblen Fahrzeugbatterien in den Mittelpunkt stellen. Diese gibt es schon seit Oktober 2023. „Wir vermarkten inzwischen schon über 5.400 Fahrzeugbatterien mit über 100 Megawattstunden Kapazität“, erklärt Geschäftsführer Marcus Fendt.

Solche Lösungen werden für die Energiewende immer wichtiger. „Denn die Batterien der Elektroautos sind für das Energiesystem die größte verschiebbare Last in die Zeiten, in denen viel Ökostrom im Netz ist“, erklärt Marcus Fendt den Nutzen.

Wenn die Nutzer ihre Autobatterien flexibel laden, profitieren sie von sehr günstigen Strompreisen. The Mobility House vermarktet die Flexibilität der steuerbaren Last Autobatterie am Day-Ahead- und am Intraday-Markt. Die Erlöse gibt das Unternehmen an die Nutzer weiter.

Die Flexibilität stellen die Nutzer in der Eyond-App ein. Sie geben den minimalen und maximalen Ladestand an, den sie brauchen. Zudem legen sie fest, wann der vorgegebene Ladestand erreicht werden soll, und gegebenenfalls, ob vorzugsweise Solarstrom vom eigenen Dach geladen werden soll. Aus diesen Parametern ergibt sich die Flexibilität, die vermarktet wird.

Kunden werden mutiger

Die Kunden nehmen das Modell gut an und werden entspannter. „Während am Anfang die Nutzer noch meist bis zu 70 Prozent des Batteriespeichers zu einem bestimmten Zeitpunkt vollgeladen haben wollten, liegen sie inzwischen bei weit unter 50 Prozent des Speichervolumens. Bei der letzten Auswertung lagen wir bei etwa 30 Prozent“, berichtet Marcus Fendt.

Das bidirektionale Laden an DC-Stationen ist technisch und regulatorisch einfach. Die Autohersteller müssen nur die Software aktualisieren und brauchen kein neues Ladegerät einzubauen.

Foto: Velka Botička

Das bidirektionale Laden an DC-Stationen ist technisch und regulatorisch einfach. Die Autohersteller müssen nur die Software aktualisieren und brauchen kein neues Ladegerät einzubauen.

Foto: The Mobility House

Phoenix Contact

Ungekühltes DC-Ladekabel

Phoenix Contact hat mit dem Charx ein DC-Ladekabel entwickelt, das Autos mit Strömen von 150 bis 375 Ampere laden kann. Da das Kabel für bis zu 1.000 Volt zugelassen ist, ergeben sich Ladeleistungen zwischen 150 und 375 Kilowatt. Im Boostmodus verträgt das Kabel sogar kurzfristig noch höhere Stromstärken.

Das Ladekabel kommt ohne die sonst bei solchen Strömen übliche Flüssigkeitskühlung aus. Stattdessen verbaut Phoenix Contact vier Leitungen mit einem Querschnitt von 50 Quadratmillimetern. In den bisherigen flüssigkeitsgekühlten Kabeln waren zwei Leitungen mit einem Querschnitt von 35 Quadratmillimetern verbaut.

Zudem hat Phoenix Contact dem neuen Charx ein Zwei-Kammer-Dichtsystem spendiert. Dabei sind die beiden Leistungskontakte DC+ und DC- räumlich voneinander getrennt, was Kurzschlüsse vollständig ausschließt. Das Kabel und die Stecker sind zudem für die Vierleitermesstechnik vorbereitet. Das ist für eine eichrechtskonforme und zuverlässige Abrechnung von Ladevorgängen notwendig.

Kurz nachgefragt

„Wir machen die Rechnung ohne den Wirt“

Matthias Fischbacher ist Geschäftsführer von Smartfox im österreichischen Radstadt bei Salzburg. Er erläutert die Schwierigkeiten beim Austausch von Daten mit den Herstellern der E-Autos.

Was tut sich gerade bei Smartfox in Sachen Elektromobilität?

Matthias Fischbacher: Wir beginnen gerade mit dem Ausrollen unseres neuen Pro Chargers 2. Das ist eine AC-Wallbox, allerdings mit maximaler Konnektivität. Damit sind wir auf verschiedene Entwicklungen eingestellt. Denn wir haben in der Vergangenheit gesehen, dass die Fahrzeughersteller nicht sehr entscheidungsfreudig sind, was Standards betrifft. Sie hatten schon Schwierigkeiten, sich auf den CCS-Standard in Europa zu einigen. Wenn es im nächsten Schritt darum geht, mit einer Wallbox zu kommunizieren wird es noch schwieriger.

Das ist beispielsweise für das bidirektionale Laden die Grundlage. Wie weit ist der Markt gediehen?

Die Fahrzeughersteller sind sich auch hier nicht wirklich einig. Wir gehen jetzt davon aus, dass die ISO 15118-20 zum Standard wird, über die wir die maximale Kommunikation zum Fahrzeug aufbauen und stabil halten können. Unser Schwerpunkt liegt auf der Kommunikation, sodass wir Daten beispielsweise zum Ladezustand aus dem Auto auslesen können.

Können Sie schon auf die Batteriedaten zurückgreifen?

Grundsätzlich funktioniert das. Allerdings ist die Kommunikation mit den Autos immer noch nicht stabil. Das ist sehr von den Fahrzeugen abhängig. Deshalb versuchen wir, unser System universell aufzustellen, damit wir mit allen Autos kommunizieren können. Das betrifft nicht nur bidirektionales Laden, sondern auch andere technologische Entwicklungen.

Welche sind das zum Beispiel?

Beispielsweise die Plug-and-Charge-Funktionen, wenn der Nutzer das Auto nur ansteckt und die Wallbox automatisch mit dem Laden startet. Das betrifft aber auch das Laden von solaren Überschüssen. Als die Wallboxen noch nicht mit dem Auto kommunizieren konnten, haben wir das über die Analyse von Ladekurven gelöst. So konnte die Wallbox erkennen, welches Auto angesteckt wird und welches Ladegerät im Fahrzeug verbaut ist. Durch stabile Kommunikation mit dem Fahrzeug könnten wir Daten direkt mit dem Fahrzeug austauschen und auswerten.

Woran scheitert das bisher?

Leider haben sich die Autohersteller noch nicht zur einheitlichen Kommunikationsnorm bekannt. Außerdem geben sie teilweise die Batterien nicht frei oder sie stellen nur einen Teil der Batteriekapazität für eine bestimmte Anzahl von Ladezyklen frei. Wir machen da gerade die Rechnung ein bisschen ohne den Wirt.

Smartfox hat seinen Pro Charger für bidirektionales Laden vorbereitet. Was bedeutet das konkret?

Der Pro Charger kann auf Basis des Ladestandards ISO 15118-20 mit Autos kommunizieren, wenn diese das auch anbieten. Die Kommunikation läuft über die Wallbox zum Fahrzeug. Das zentrale Steuerelement bleibt der Energiemanager. Er misst den Bedarf im Gebäude und kennt den Füllstand des stationären Speichers. Ist dieser nahezu leer und gibt es zusätzlichen Energiebedarf im Gebäude, schickt das Energiemanagement einen entsprechenden Wert zur Wallbox, wie viel Leistung gebraucht wird. Die Wallbox leitet die Information an das Ladegerät im Auto weiter, das die Leistung bereitstellt.

Bidirektionales Laden – wollen das die Kunden überhaupt?

Die Nachfrage ist durchaus groß. Die Hauseigentümer reizt der Gedanke, dass sie eigentlich eine große Batterie im Auto haben, die sie nutzen können. Das ist nur leider nicht ganz einfach. Wir klären die Kunden auf, Schritt für Schritt.

Das Gespräch führte Sven Ullrich.

Foto: Vorsatz Media

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