Immer noch ist die Reichweitenangst eines der größten Hindernisse beim Umstieg auf ein Elektroauto. Auch Handwerker stehen oft vor der Frage, ob die Akkus der Fahrzeuge lange genug durchhalten, um zum Kunden und wieder zurück zu kommen, oder sogar für längere Montagetouren geeignet sind.
Um auszuprobieren, wie hoch der zusätzliche Zeitaufwand zum Laden eines Elektrofahrzeugs für die Montagetour tatsächlich ist, hat die Redaktion der photovoltaik dies in der Praxis einmal ausgetestet. Damit es auch besonders schwer wird, wurde der Versuch zudem im tiefsten Winter durchgeführt, der allerdings in diesem Jahr relativ mild ausgefallen ist. Über mehrere Tage ging die Reise zunächst über eine lange Strecke von Berlin ins erzgebirgische Annaberg-Buchholz. Dort wurden danach mehrere kurze Touren unternommen und zwischendurch wurde das Fahrzeug mehrmals geladen.
Als Testfahrzeug stand ein MG Marvel R zur Verfügung. Er bringt mit einem Leergewicht von 1.810 Kilogramm, einer Leistung von 180 PS und einer Batteriekapazität von 70 Kilowattstunden ähnliche Grunddaten mit wie ein kleiner Transporter wie beispielsweise der Vivaro-e von Opel. Beide Fahrzeuge können über die Wechselstromladesäule Strom mit einer Leistung von elf Kilowatt tanken. An der Schnellladesäule zieht der Opel bis zu 100 Kilowatt und der MG lädt hier mit einer Leistung von bis zu 92 Kilowatt.
Kälte ist kaum problematisch
Es standen zwei Tests zum Einstieg in die Elektromobilität an. Der erste Test sollte die Frage beantworten: Wie funktioniert das Laden unterwegs, ohne dass der Aufwand vorher riesig wird? Im zweiten Test ging es darum, Erfahrungen zu sammeln, wie ein Elektroauto unter winterlichen Bedingungen im praktischen Gebrauch ist. Schließlich fühlen sich die Akkus in den Fahrzeugen in der Regel bei niedrigen Temperaturen nicht so wohl, wodurch es zu Entladungsverlusten während längerer Standzeiten kommen könnte. Diese Annahme hat sich nicht bestätigt. Selbst nach zehn Stunden parken bei Minusgraden war der Akku genauso voll wie beim Abstellen des Autos. Eine Entladung war kaum festzustellen – zumindest beim noch relativ neuen Testfahrzeug nicht.
Ladesäule einfach finden und starten
Bleibt die Frage nach dem Laden unterwegs. Das immer dichter werdende Netz an Ladestationen macht dies immer einfacher. Roamingdienstleister wie Plugsurfing, Charge Now oder BE Charge haben sich genau auf dieses Segment spezialisiert. Auch verschiedene Versorger wie EnBW oder Vattenfall bieten das Laderoaming für Elektromobilisten an. Die Roamingdienstleister schließen Verträge mit den Betreibern der Ladesäulen ab. Das geht online schnell und unproblematisch. Der Inhaber eines Zugangs zur Roaming-App kann dann den Ladevorgang starten, ohne einen Vertrag mit dem Betreiber der Ladestation abschließen zu müssen. Die Abrechnung erfolgt ebenfalls über den Roaminganbieter.
Ladevorgang in der App starten
Allerdings sind hier die Preise etwas höher, als wenn direkt mit dem Ladesäulenbetreiber abgerechnet würde. Dafür bietet die Roaming-App eine Karte, auf der die nächste Ladestation zu finden ist, sowie ein umfangreiches Netz an Ladestationen. In der Regel wird dort auch in Echtzeit angezeigt, ob die angesteuerte Ladestation frei und in Betrieb ist. Das Auto wird dann einfach an die Ladesäule angeschlossen und der Ladevorgang über die App gestartet und beendet. Die Abrechnung erfolgt automatisch über die hinterlegten Konto- oder Kreditkartendaten.
Direkte Abrechnung an der Autobahn
Wer auf Autobahnen unterwegs ist, kann aber auch direkt mit Betreibern der dortigen DC-Schnellladestationen wie beispielsweise Ionity, Eon oder Fastned abrechnen. Dann muss der Elektromobilist oder Handwerker auf Montage nur vorher die App des Anbieters downloaden, einen Zugang anlegen und die Abrechnungsdaten hinterlegen. Dann ist das Laden dort preiswerter als über die Roaming-App, zumal die Zahl der Anbieter im Schnellladesegment übersichtlicher ist als die der AC-Ladesäulen mit geringerer Leistung. Auf diese Weise werden auch längere Touren mit dem Elektroauto inzwischen ohne Weiteres möglich.
Wer diese Möglichkeiten ausschöpft, für den ist das Unterwegsladen kein Problem mehr, auch wenn es etwas länger dauert als das schnelle Auftanken eines Benziners oder Diesels. Das zeigt die Testfahrt. Gestartet in Berlin mit einer zu 83 Prozent gefüllten Batterie war auf den 353 Kilometern allerdings ein Ladestopp notwendig. Denn der Akku war bis zur Raststätte Dresdner Tor – inklusive eines Umwegs über Cottbus – nur noch zu 17 Prozent gefüllt.
Schnell oder langsam laden
Es waren also noch 11,9 Kilowattstunden verfügbar. Bei einem Durchschnittsverbrauch von gut 25 Kilowattstunden auf 100 Kilometern auf der Autobahn bei durchschnittlich 115 Sachen und einer Landstraßentour von Cottbus zurück auf die Auto wären noch etwa 47 weitere Kilometer drin gewesen. Doch wer will dieses Risiko eingehen?
Zumal das Fahrzeug an der Schnellladestation an der Raststätte in einer knappen Stunde wieder auf 82 Prozent geladen ist. Gut 55 Kilowattstunden sind in dieser Zeit in den Akku geflossen. Das Fahrzeug hat also die angegebene DC-Ladeleistung nicht erreicht.
Vor Ort im Erzgebirge war das Laden an den gängigen Säulen mit elf oder 22 Kilowatt Ladeleistung unproblematisch. Dank der Roaming-App war auch überall klar, ob die Ladesäule funktioniert und frei ist. Hier dauerte das Laden allerdings länger, die Säulen sind vor allem für kürzere Strecken in der Region geeignet. Das ist unproblematisch, wenn es bei den kurzen Wegen zum Kunden bleibt. Die Vorbereitung auf eine längere Fahrt dauert dann aber schon durchaus 3,5 bis vier Stunden – die Maximalzeit, die die Autos zumindest in Deutschland in der Regel an der Ladesäule hängen dürfen, bevor es teuer wird. Denn die meisten Anbieter berechnen danach zusätzlich zum getankten Strom noch eine sogenannte Blockiergebühr. Diese legt der Ladesäulenbetreiber in seiner Gebührenordnung fest. Eine einheitliche Regelung gibt es dafür nicht.
Die Blockiergebühr ist sinnvoll, damit die vorhandenen Stromtankstellen nicht von Autos blockiert werden, die eigentlich schon voll geladen sind. Allerdings muss der Elektromobilist die Zeit im Blick behalten, wann er sein Auto abstöpseln muss. Die Schnellladesäulen sind in der Regel auf zwei Stunden begrenzt. Doch da diese ohnehin meist auf den Autobahnraststätten stehen, ist es hier einfacher, die Maximalzeit nicht zu überschreiten.
Für die Tour zum Kunden ausreichend
Am Ende des Tests stand das Elektroauto insgesamt gut elf Stunden an verschiedenen Ladesäulen – meist an Stromtankstellen mit einer Ladeleistung von elf Kilowatt. Schnellladesäulen wurden nur insgesamt knapp zwei Stunden genutzt. Wer auf längeren Strecken unterwegs ist, sollte ohnehin die Schnelllader nutzen. Es ist sinnvoll, hier das Auto aufzuladen, um nicht unterwegs Ladestationen mit geringerer Leistung nutzen zu müssen.
In allen anderen Fällen reicht die Reichweite für die Touren zum Kunden und zurück in der Regel aus. Dann stöpselt der Handwerker das Auto am Abend wieder an und hat es am nächsten Morgen wieder voll geladen zur Verfügung.
Vertrag mit örtlichem Anbieter abschließen
Beim Test flossen insgesamt 203 Kilowattstunden in die Akkus des Autos, mit dem eine Strecke von 809 Kilometern zurückgelegt wurde. Das sind 25,1 Kilowattstunden auf 100 Kilometer, wobei der größte Teil auf Autobahnen und Landstraßen zurückgelegt wurde. Die Ladekosten beliefen sich im Test auf 134,71 Euro. Das sind 17 Cent pro Kilometer. Wobei hier nur mit den teureren Roaminganbietern geladen wurde und der Test in einem Zeitraum mit allgemein sehr hohen Strompreisen durchgeführt wurde.
Handwerker, die regelmäßig im Einzugsgebiet eines Ladesäulenbetreibers wie eines Stadtwerks oder Regionalversorgers unterwegs sind, sollten mit diesem einen Tarifvertrag abschließen. Denn dann wird das Laden preiswerter als mit den Roaminganbietern. Ein Tipp: Wenn der regionale Betreiber der Stromtankstellen selbst keine Infos über freie Ladesäulen anzeigt, findet der Handwerker diese immer noch in der Roaming-App. Das Laden mittels Roaminganbieter ist vor allem dann sinnvoll, wenn der Handwerker in eine Region kommt, in der er keinen Vertrag mit dem regionalen Versorger abgeschlossen hat. Hier ist Flexibilität gefragt.