Eine Frau und 25 Männer ziehen spätabends durch enge Gassen der Aachener Altstadt. Vorbei am Dom, Rathaus und historischen Bürgerhäusern. Eine Touristengruppe auf Stippvisite in der westlichsten Großstadt Deutschlands? Keineswegs. Die Stadtführung ist Teil des Abendprogramms der Priocar AG.
Partner aus dem Handwerk
Das Unternehmen vertreibt Elektrofahrzeuge und hat das erste Training durchgeführt, in dem Partner für den Verkauf der Fahrzeuge qualifiziert wurden. Konnten die Teilnehmer im zweitägigen Workshop überzeugt werden, dass ein Solarteur in Zukunft auch Autos verkaufen soll? Wir waren dabei.
Die Priocar AG wurde im Herbst 2018 gegründet – und gibt seitdem ordentlich Gas. Das Unternehmen ist eines der ersten, das elektrisch betriebene Fahrzeuge zum Verkauf anbietet. Angefangen haben die Gründer David Muggli und Philip Müller mit dem E-Go Life, einem Elektro-Kleinwagen, der in Aachen produziert wird, sowie mit dem E-Transporter Streetscooter, mit dem die Deutsche Post ihre Pakete zustellt. Schrittweise wollen die Rheinländer auch E-Mobile anderer Hersteller anbieten und diese vom Firmensitz in Zülpich über die ganze Republik vertreiben.
Dass sie das trotz stetig steigender Mitarbeiterzahl nicht allein schaffen, leuchtet ein. Aus diesem Grund luden Muggli und Müller Ende Mai zu einer Informationsveranstaltung, um Partner zu finden, die sie beim Vertrieb der E-Mobile bundesweit unterstützen – und so ihr eigenes Solargeschäft erweitern.
Das Ergebnis: 20 Teilnehmer reisten aus ganz Deutschland an, um an dem Workshop teilzunehmen. Von Rendsburg bis Oberammergau, von Erkelenz bis Berlin kamen die Solarexperten in die alte Kaiserstadt Aachen, um zu lernen, wie sie als Solarteure auch E-Autos verkaufen.
Solarteure sind nah an den Kunden
Für Vorstand David Muggli ist das ganz einfach: „Ein Photovoltaikhändler ist viel besser für den Vertrieb von E-Mobilen geeignet als ein Autohaus, weil er sich bereits mit der Technik auskennt und auch die Photovoltaikanlage mitliefern kann“, erläutert er die Idee. „Er hat zudem bereits Zugang zur richtigen Kundengruppe. Die klassischen Autobauer sind heute noch gar nicht in der Lage, E-Mobile im großen Stil zu liefern – sonst würden sie es längst tun. Vermutlich ist das Interesse auch nicht so groß, weil bei Elektromobilen mit Reparaturen nicht viel zu verdienen ist. E-Mobile sind von der Technik her sehr einfach und damit nicht so reparaturanfällig.“
Die Priocar-Gründer sehen das Geschäftsmodell des Solarteurs im Wandel. Bisher geht der Vertriebler zum Kunden, berechnet den Strombedarf im Haushalt und kalkuliert die Größe der Anlage. Dazu kommt meistens noch ein Speicher. Ende der Geschichte.
Größere Anlagen benötigt
Wenn der Händler neben der Photovoltaikanlage noch E-Mobile im Angebot hat, sieht das Vorgehen anders aus. Hier wird von Anfang an nicht nur der Energie-, sondern auch der Mobilitätsbedarf ermittelt.
„Wenn der Solarteur berücksichtigt, ob neben dem Strombedarf mittelfristig auch noch Energie für Wärme oder Mobilität benötigt wird, um zum Beispiel ein Elektroauto zu laden, wird das Ergebnis eine größere Anlage und ein größerer Speicher sein“, erklärt Philip Müller. „Zudem kann er dem Kunden gleich das Elektroauto mit anbieten. Er macht also in Summe ein größeres Geschäft.“
Auch für den Kunden hat dieses Vorgehen Vorteile: Der Solarfachmann löst für ihn nicht nur das Problem der steigenden Energiekosten im Haushalt, sondern bietet zusätzlich eine Lösung für die ausufernden Kraftstoffkosten an. Auch wenn das Geschäftsmodell sicher nicht allen Kunden so ohne Weiteres darstellbar ist, kommt es bei den Teilnehmern des Workshops gut an.
Am zweiten Veranstaltungstag erscheinen die Teilnehmer zwar müde, aber sie wirken neugierig. Bevor die Schulung losgeht, starten sie zunächst mit einer Produktionsbesichtigung. Damit die Gruppe einen authentischen Eindruck aus der Welt der E-Mobile bekommt, hat Priocar den Veranstaltungsort in Aachen gewählt – beim Hersteller des E-Go Life, der E-Go Mobile AG.
Wie viel kann der Solarteur verdienen?
Das Unternehmen hat den Elektro-Kleinwagen entwickelt, um dessen Vertrieb es heute – unter anderem – geht. Im Gegensatz zu den meisten anderen Herstellern ist E-Go zeitnah lieferfähig: Seit dem Frühjahr 2019 laufen in Aachen die ersten Wagen vom Band.
Nach der Besichtigung und Zeit für einen Kaffee geht es mit der Theorie weiter – die alles andere als langweilig ist. Themen wie „Vertragsgestaltung“ und „Provision“ stehen auf der Agenda. Kurz: Was bringt es mir, wenn ich als Solarteur Elektroautos in mein Angebot aufnehme – und wie viel kann ich damit verdienen?
Auch eventuelle Ängste werden thematisiert: Binde ich mir womöglich neue Probleme ans Bein, wenn ich als Installateur Autos verkaufe und für eventuelle Schäden haften muss? Keineswegs. Priocar hat sich für seine Partner ein ausgeklügeltes und dennoch einfaches Vertragswerk ausgedacht.
Auch die Ängste thematisiert
Es ermöglicht dem Solarteur zusätzlichen Verdienst, ohne dass er selbst in der Gewährleistungspflicht steht. Vorstand Philip Müller: „Für unsere Partnerunternehmen ist das Geschäft äußerst risikoarm, da sie selbst nicht Vertragspartner beim Verkauf eines E-Mobils werden. Unsere Partner sind nur die Vermittler. Im Falle einer Gewährleistung haften sie nicht.“
Vorteile und Zusatzverdienst ergeben sich nicht nur dadurch, dass zukünftige Partner neben der Solaranlage ein E-Auto verkaufen. „Der Händler verdient auch an der Solaranlage mehr, weil Anlage und Speicher größer werden als ohne Elektroauto.“
Und wie sieht nun das Vertragsmodell aus? Der zukünftige Partner schließt insgesamt drei Verträge mit Priocar ab. Das liegt auch daran, dass unterschiedliche E-Mobile angeboten werden und die Abwicklung aufgrund der Herstellervorgaben unterschiedlich ist.
Beim Verkauf eines E-Go Life wird zum Beispiel immer E-Go Mobile, also der Hersteller, Vertragspartner. Dennoch rät Priocar den Partnern, ihre Kunden auf dem Weg zum Elektromobil zu begleiten. „Es ist möglich, dass der Endkunde sein Auto bei dem Händler abholt, der ihn beraten hat, auch wenn dieser gar nicht der Vertragspartner ist“, erklärt Vorstand David Muggli. So entsteht Kundenbindung und dem Endnutzer werden die ersten Schritte auf dem Weg zur Elektromobilität so einfach wie möglich gemacht.
Gewinn durch mehrere Faktoren
Der Gewinn für die beteiligten Partner entsteht aus dem Zusammenspiel mehrerer Faktoren. Die Provision für die Vermittlung der Kaufinteressenten ist ein Faktor, der zusätzliche Verdienst durch eine größere Photovoltaikanlage der andere. Bei der Provision ist zu berücksichtigen, dass sich E-Mobile oft gut als Flottenfahrzeuge eignen.
So war die Caritas einer der ersten Kunden, der seine Fahrzeugflotte auf Elektromobile umstellt: Die Fahrten der Pflegekräfte sind in der Regel kurz. Nachts stehen die Wagen ohnehin, sodass das Laden kein Problem ist. Ideale Voraussetzungen für Elektroautos – und für den Händler, der nicht nur einen einzelnen Wagen, sondern gleich eine ganze Fahrzeugflotte ausstatten kann. Davon abgesehen kann der Solarteur selbst ein Elektroauto als Firmenfahrzeug nutzen. Er zeigt sich so als innovativer Unternehmer und Vorreiter einer neuen Technologie, lebt authentisch vor, was er seinen Kunden erzählt, und spart selbst Kosten.
Fazit der ersten Schulung
Nach 1,5 Tagen endet die Veranstaltung. Ich blicke in erschöpfte, aber zufriedene Gesichter. Hat sich die teilweise weite Anreise gelohnt?
Das Feedback, das per Fragebogen in der folgenden Woche eingeholt wird, ist eindeutig: „Ich bin an Bord, bitte schickt mir die Verträge“, „Eine rundum gelungene Veranstaltung“, „Für uns ist besonders das Leasing-Modell spannend“. Natürlich gab es auch kritische Stimmen: „Eine Probefahrt wäre schön gewesen“, „Die Reichweite des E-Go ist für uns zu gering“, „Showrooms in ganz Deutschland wären klasse“.
Weitere Treffen folgen
Insgesamt sind sich Müller und Muggli aber einig: Die Veranstaltung war ein großer Erfolg und wird regelmäßig wiederholt.
Alle Teilnehmer haben die Vertragsunterlagen bestellt. Eine bessere Bestätigung, dass Elektromobilität bei den Solarteuren angekommen ist, gibt es wohl kaum.
Priocar AG
Anmeldung für künftige Veranstaltungen
Die Qualifizierungsworkshops bei Priocar finden nach der Auftaktveranstaltung im Mai regelmäßig statt. Wer sich für den Vertrieb von Elektroautos interessiert und Partner von Priocar werden möchte, kann sich für eine der kommenden Veranstaltungen anmelden. Die Workshops beginnen mit einem gemeinsamen Abendessen am Anreisetag und gehen am Folgetag bis zum frühen Nachmittag. Die Teilnahme ist kostenlos. Die Anmeldung bei der Priocar AG erfolgt entweder telefonisch unter (02252) 8 35 21-21 oder per E-Mail:
Kurz nachgefragt
„Alle waren bis in die Haarspitzen motiviert“
Ende Mai haben Sie Solarteure aus ganz Deutschland nach Aachen eingeladen, um sie für Elektromobilität zu begeistern. Was war das Ziel der Veranstaltung?
David Muggli: Zunächst einmal wollten wir den Solarteuren das Geschäftsmodell näherbringen, also zeigen, wie sie in Zukunft neben Photovoltaikanlagen auch Elektroautos verkaufen können. Daneben wollten wir aber auch sehen, wie die Reaktion der Teilnehmer ist.
Philip Müller: Richtig, wir wollten ein Stück weit selbst lernen und schauen, wie unser Geschäftsmodell ankommt. Es war gar nicht nötig, die Teilnehmer für die Idee zu begeistern, alle waren bis in die Haarspitzen motiviert.
Priocar ist eines der ersten Unternehmen, das Elektromobile vertreibt. Was hat Sie bewogen, schon früh in dieses Geschäftsfeld einzusteigen, sodass Sie jetzt einer der Ersten auf dem Markt sind? Was ist Ihr Erfolgsrezept?
David Muggli: Wir haben einfach erkannt, dass Photovoltaik und Elektromobilität – also Energieerzeugung und Verbrauch – sehr gut zusammenpassen. Wir hatten schon früh eine starke Nachfrage nach Elektroautos, die von den klassischen Herstellern bisher nicht bedient wird.
Philip Müller: Durch meine Kontakte zur E-Go Mobile in Aachen, wo der E-Go Life produziert wird, bin ich schon früh zur Elektromobilität gekommen. E-Go Mobile war auf der Suche nach einem modernen Absatzweg, und da war die Solarbranche genau der richtige Partner.
Warum sollte ein Solarteur Elektroautos mit ins Angebot aufnehmen? Kann man damit so viel verdienen?
David Muggli: Wenn ein Solarteur zur Solaranlage noch ein Elektroauto verkauft, werden Speicher und Anlage automatisch größer – und er verdient mehr. Außerdem ist das Geschäft sehr risikoarm, weil der Solarteur selbst nicht haftet. Der Endkunde schließt den Vertrag mit Priocar oder dem Autohersteller.
Philip Müller: Der Gewinn für den Solarteur liegt wesentlich im größeren Umsatz in seinem Kerngeschäft. Die meisten würden auch Elektroautos verkaufen, wenn sie gar keine Provision bekämen.
Sie wollen in Zukunft noch weitere Veranstaltungen durchführen, um Vertriebspartner zu finden, und auch Elektroautos anderer Hersteller anbieten. Was sind die Ziele der Priocar AG?
Philip Müller: Wir sind überzeugt, dass sich unser Geschäftsmodell deutschlandweit ausrollen lässt. Für den ersten Workshop haben wir bewusst nur eine begrenzte Anzahl Bewerbungen angenommen, um zu sehen, wie es funktioniert. Unser Ziel ist es, bis 2020 ein bundesweites Netzwerk aufzubauen, sodass jeder interessierte Endkunde in seiner Umgebung einen Ansprechpartner findet, bei dem er ein Elektromobil kaufen kann.
David Muggli: Zudem haben wir auch viele Pläne im Bereich Produktentwicklung. Wir sind in Gesprächen mit Herstellern anderer E-Mobile und werden in Zukunft noch andere Marken anbieten können.
Kurz nachgefragt
„Wir haben schon drei Kaufinteressenten“
Bitte stellen Sie sich und Ihren Betrieb kurz vor.
Nils Tiedemann: Sonne Wind Elektro ist ein klassischer Installationsbetrieb. Wir verkaufen Solaranlagen und Speicher, dazu kommen hier bei uns im Norden auch Mikro-Windräder. Das Unternehmen gibt es seit 2017, aber ich war vorher schon sieben Jahre angestellt in der Solarbranche tätig.
Wie hat Ihnen die Veranstaltung bei Priocar gefallen?
Die Veranstaltung war rundum gelungen und sehr gut organisiert. Die Inhalte waren so spannend, dass ich wirklich bis zur letzten Minute mit voller Konzentration dabei war. Aber auch das Abendprogramm am Anreisetag war interessant. Die Stadtführung und das gemeinsame Essen waren eine gute Gelegenheit, die anderen Teilnehmer und die Priocar-Geschäftsführung kennenzulernen.
War Elektromobilität schon vor der Veranstaltung ein Thema für Sie oder haben Sie sich zum ersten Mal damit beschäftigt?
Ich habe mich schon lange für das Thema interessiert und fahre selbst ein Elektroauto. Wenn man Solaranlagen verkauft, liegt es nahe, sich in Richtung E-Mobilität zu bewegen. Es gibt beim Klimaschutz so viel zu tun, dass es mir persönlich am Herzen liegt, den Menschen zu zeigen, was alles möglich ist. Elektromobilität ist eine der großen Entwicklungen, die auf uns zukommt.
Werden Sie in Zukunft Elektromobile verkaufen? Wie schätzen Sie das Potenzial ein?
Ja, wir werden auf jeden Fall in die Elektromobilität einsteigen. Ich hatte schon vor der Veranstaltung drei Kaufinteressenten für ein Auto. Wir sind im Raum Hamburg unterwegs und hier sehe ich großes Potenzial. Es gibt viele Familien mit Zweitwagen, die mit dem Pkw nur kurze Strecken zurücklegen. Dafür sind Elektroautos ideal.