Angesichts steigender Kohlendioxidemissionen fordert Agora Energiewende ein Sofortprogramm für den Klimaschutz. Das muss in der nächsten Legislaturperiode ganz oben auf der Aufgabenliste der Bundesregierung stehen. Sonst wird es nichts mit dem Erreichen der Klimaziele.
Im ersten Halbjahr 2017 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 1,2 Prozent gestiegen. Insgesamt wurden in Deutschland 428 Millionen Tonnen des Treibhausgases ausgestoßen. Das sind fast fünf Millionen Tonnen mehr als in der ersten Hälfte des vergangenen Jahres. Das haben Agora Energiewende und Agora Verkehrswende auf der Basis der Daten zum Energieverbrauch ermittelt, die von der Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen erhoben werden.
Auf diese Weise ist das anvisierte Klimaschutzziel der Bundesregierung nicht zu erreichen. „Die Lücke zum Klimaschutzziel von minus 40 Prozent wird nicht kleiner, sondern bleibt bei rund 150 Millionen Tonnen“, erklärt Patrick Graichen, Direktor von Agora Energiewende. Diese 40 Prozent Minderung der Emissionen beziehen sich auf das Basisjahr 1990. Bisher hat die Bundesrepublik den Treibhausgasausstoß um 27,6 Prozent im Vergleich zum Anfang des vorletzten Jahrzehnts gesenkt.
Braunkohle ersetzt Steinkohle
Allerdings ist in den letzten drei Jahren bei der Minderung des Kohlendioxidausstoßes nicht viel geschehen, auch wenn die Stromproduktion aus erneuerbaren Energien zugelegt. „Um das Klimaschutzziel, das von Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrem Sommerinterview vor kurzem bekräftigt wurde, doch noch zu erreichen, muss unmittelbar nach der Bundestagswahl ein ‚Sofortprogramm Klimaschutz 2020‘ aufgelegt werden, das für Strom, Wärme und Verkehr schnell wirkende Maßnahmen enthält“, fordert Graichen als Reaktion auf diese Stagnation.
Die Gründe für den Anstieg sind vielfältig. Zwar wird in Deutschland immer mehr Ökostrom erzeugt. Doch die Braunkohlekraftwerke haben im ersten Halbjahr 2,3 Millionen Tonnen Kohlendioxid mehr in die Luft geblasen, als noch im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Außerdem stieg der Ausstoß des Treibhausgases durch die Nutzung von mehr Erdgas um 2,9 Millionen Tonnen. Der Kohlendioxidausstoß aus Steinkohlekraftwerken ging hingegen um 5,1 Millionen Tonnen zurück. Das liegt vor allem daran, dass einige dieser Kraftwerke in den ersten sechs Monaten dieses Jahres stillgelegt wurde. Diese Lücke wurde aber nicht mit erneuerbaren Energien aufgefüllt. Vielmehr haben die Gaskraftwerke – hier vor allem die KWK-Anlagen – und auch die Braunkohlemeiler mehr Strom produziert.
Verkehr wird zum Problemkind
Doch damit wäre die Bilanz weitgehend ausgeglichen gewesen. Doch dazu kommt noch der Verbrauch von Mineralölen. Durch deren Verbrennung haben die Deutschen im ersten Halbjahr satte 4,6 Millionen Tonnen Kohlendioxid mehr ausgestoßen als noch im Vorjahreszeitraum. Bisher musste der Wärmesektor für die steigenden Emissionen herhalten. Tatsächlich ging aber trotz der kühlen Witterung in den ersten Monaten dieses Jahres der Absatz von Heizöl zurück. Im Gegenzug dazu haben die Deutschen mehr 6,5 Prozent mehr Diesel und 2,5 Prozent mehr Benzin in ihren Autos verbrannt. Zudem ist der Verbrauch von Kerosin durch die Luftfahrtbranche um acht Prozent angestiegen.
Das Stiefkind Verkehr entwickelt sich mit Blick auf den Klimawandel und die Energiewende langsam zum Problemkind – nicht erst seit dem Dieselskandal, den die deutsche Autoindustrie verursacht hat. „Das zeigt, wie wichtig es ist, endlich auch Klimaschutzpolitik im Verkehr entschlossen zu betreiben“, sagt Christian Hochfeld, Direktor von Agora Verkehrswende, angesichts der steigenden Emissionen im Verkehrssektor. „Wenn eine umfassende Verkehrswende kein Schwerpunkt in der nächsten Legislaturperiode wird, lassen sich Deutschlands ambitionierte Klimaschutzziele nicht erreichen“, resümiert er. (su)