Bundesenergieminister Sigmar Gabriel fürchtet eine Lücke von 20 Gigawatt Kraftwerksleistung in 2022. Eine Abschaltung von Kohlekraftwerken sei deshalb abzulehnen, sagt er seiner Parteikollegin Hendricks kurz vor dem Klimagipfel im Peru. Der Klimaschutz muss hinten anstehen.
Ein Strategiepapier aus dem Hause von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) macht derzeit die Runde. Das Fazit dieses Dokuments, das photovoltaik vorliegt, lautet, „dass es keinen Spielraum für die zusätzliche Stilllegung von Kohlekraftwerken gibt, ohne dass wir die Versorgungssicherheit in Frage stellen. Auch unter dem Gesichtspunkt der Strompreisentwicklung ist eine zusätzliche Abschaltung von Kohlekraftwerken abzulehnen.“
Denn mit der Stilllegung von weiteren AKWs gehen zwölf Gigawatt Leistung aus dem Strommarkt. Im Hause Gabriel fürchtet man offenbar, dass der Strom knapp werden könnte. Das gesamte „Leistungsdefizit“ liegt demnach bei rund 20 Gigawatt – also deutlich höher als die Leistungslücke, die durch die abgeschalteten AKWs verursacht wird.
Das dreckigste Dutzend
Bundeswirtschaftsminister Gabriel zeige nun sein wahres Kohle-Gesicht, kommentiert Oliver Krischer, stellvertretender Fraktionsvorsitzender bei Bündnis 90/Die Grünen. „Wer das Klimaschutzziel 2020 erreichen will, kommt nicht um substanzielle Emissionsreduzierungen bei den Kohlekraftwerken herum“, sagt Krischer. Es bräuchte einen organisierten Strukturwandel. „Dazu müsste das dreckigste Dutzend der ältesten und ineffizientesten Kohlekraftwerke aus dem Markt genommen werden“, fordert der Grüne. Gleichzeitig stünden hochmoderne Gaskraftwerke und Anlagen mit Kraft-Wärme-Kopplung still, weil sie am Strommarkt keine Chance mehr haben. Es wäre die Aufgabe von Wirtschaftsministers Gabriel, einen Strukturwandel einzuleiten und zu organisieren.
Denn zwischen den Häusern im Wirtschafts- und Umweltministerium gibt es einen Clinch: Um das von der Bundesregierung gesteckte Klimaschutzziel bis 2020 zu erreichen, müssten zwischen 15 bis 20 Kohlekraftwerke stillgelegt werden. Nur so könnte der Kohlendioxidausstoß in Deutschland bis zum um 40 Prozent gegenüber 1990 verringert werden.
Gipfel in Lima
„Die Kanzlerin darf Umweltministerin Hendricks nicht im Regen stehen lassen und wegsehen, wenn Energieminister Gabriel die Klimaschutzziele unseres Landes infrage stellt“, sagt BUND-Vorsitzende Hubert Weiger. In diesen Wochen entscheide sich, ob Deutschland beim Klimaschutz scheitert oder ob die Merkel-Regierung bei diesem Thema noch handlungsfähig ist. Weiger: „Die Kanzlerin darf kein Aktionsprogramm Klimaschutz akzeptieren, das auf die Reduzierung der Kohleverstromung verzichtet.“ Denn: Im Dezember verhandelt die Weltgemeinschaft in Perus Hauptstadt Lima über ein neues UN-Klimaabkommen. (Niels Hendrik Petersen)