Die Energiewende treibt komische Blüten. Neben Ökostrom legt auch der Kohlestrom im Energiemix deutlich zu. Braunkohle ist der Energieträger Nummer eins bei der Stromerzeugung. Grund ist der niedrige Preis für Verschmutzungsrechte.
Im Jahr 2013 erhöhte sich der Ökostromanteil an der Bruttostromerzeugung gegenüber dem Vorjahr um 0,6 Prozentpunkte auf immerhin 23,4 Prozent. Der Anteil am Stromverbrauch stieg sogar auf rund 25 Prozent. Das geht aus aktuellen Angaben des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft hervor. Braunkohlekraftwerke halten weiterhin den höchsten Anteil mit 25,8 Prozent. „Durch bewährte Förderinstrumente konnten die Erneuerbaren ihren Anteil an der Stromproduktion im vergangenen Jahr weiter steigern. Allerdings legte zuletzt auch die Braunkohle im Strommix deutlich zu, die von den viel zu billigen Verschmutzungsrechten im EU-Emissionshandel profitierte“, resümiert der Geschäftsführer der Agentur für Erneuerbare Energien (AEE), Philipp Vohrer.
Verschmutzungsrechte zu billig
Damit die Erneuerbaren künftig zur tragenden Säule der Energieversorgung werden, seien die richtigen Rahmenbedingungen nötig. „Dazu gehört vor allem eine gerechte Bepreisung der umweltschädlichen Effekte der Verstromung fossiler Energien“, so Vohrer. Während die Erneuerbaren in Deutschland allein auf dem Strommarkt jährlich Umweltschäden in Höhe von rund zehn Milliarden Euro vermeiden würden, erhält die Braunkohle Anreize, umso größere Schäden anzurichten. An der Leipziger Strombörse EEX lagen die Preise für Kohlendioxid-Emissionsrechte im Jahresmittel 2013 jedoch deutlich unter der Marke von fünf Euro pro Tonne. Die Umweltschäden des Kohlendioxidausstoßes werden in der Forschung hingegen üblicherweise mit einem Wert von rund 80 Euro je Tonne beziffert. Für einen Umstieg von der Braunkohle auf das weniger klimaschädliche Erdgas wären laut einer Studie von Energy Brainpool Zertifikatspreise von mindestens 40 Euro je Tonne nötig.
„Allein Sachsen emittiert durch den neuen Kraftwerksblock in Boxberg zwischen 4,5 bis 5 Millionen Tonnen mehr an Kohlendioxid”, sagt Professor Martin Maslaton von der Forschungsstelle Erneuerbare Energien und Recht (NEuR). „Hier zeigen sich die Auswirkungen des Stillstands beim europaweiten Emissionshandel sowie die Notwendigkeit, nun endlich umzusteuern.“ Insgesamt müsse die anstehende Debatte um Deutschlands Strommarkt und die Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) dazu führen, wieder den eigentlichen Grund der Energiewende, „nämlich die Reduzierung der Treibhausemissionen und die Schonung endlicher Ressourcen in den Mittelpunkt zu stellen“, so Maslaton.
Keinen weiteren Tagebau
„Das beinhaltet aber auch einen verbindlichen Fahrplan zum Ausstieg aus der Braunkohleverstromung. Wirksame Maßnahmen gegen einen weiteren Anstieg der Strompreise wären eine konsequente Begrenzung der Ausnahmeregelungen auf tatsächlich im internationalen Wettbewerb stehende stromintensive Unternehmen, ein engagiertes Eintreten der Politik für angemessene Kohlendioxid-Zertifikatpreise auf EU-Ebene sowie eine Anpassung des Ausgleichsmechanismus für die Vermarktung des EEG-Stromes, zählt der NEuR-Vorsitzende auf.
Weitere Experten äußerten sich ebenfalls kritisch zur Braunkohleverstromung: „Deutschlands Versorgungssicherheit braucht keinen einzigen weiteren Tagebau“, sagt Professor Christian von Hirschhausen. Er ist Forschungsdirektor am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin. Die Energiewende mache Braunkohle mittelfristig überflüssig, so Hirschhausen. (Niels Hendrik Petersen)