Die Nachricht schlug ein wie eine Bombe: Eon will aus der konventionellen Stromerzeugung aussteigen. Dabei ist der Energieriese eigentlich kein Vorreiter. Die Stadtwerke orientieren sich schon längere Zeit neu. Bei einem großen Teil der kleinen, regionalen Energieversorger ist die Realität der Energiewende längst angekommen, nur mit weniger Poltern. Auch die großen Energieversorger werden ihr Geschäft nicht von einem auf den anderen Tag umkrempeln können. Mit dieser Erfahrung müssen die gut 1.000 deutschen Stadtwerke schon wohl oder übel leben.
Sie reiben sich auf zwischen dem Druck der Lokalpolitiker, doch endlich auch die Energiewende voranzutreiben, und der Realität, dass immer noch ein großer Teil des Strommixes aus konventionellen Kraftwerken stammt.
Die Stimmung ist auf dem Nullpunkt. Vor allem die Stadtwerke sehen sich schlecht aufgestellt. Das ist das verheerende Ergebnis einer Befragung des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). In den vergangenen zwei Jahren haben sich die Geschäfte von 41 Prozent der befragten 100 Stadtwerke verschlechtert. Nur jedes fünfte Stadtwerk sieht sich noch gut aufgestellt.
Dabei haben gerade die Stadtwerke ein riesiges Potenzial an Kunden, die sie mit Angeboten in den erneuerbaren Energien locken können. Sie müssen sie aber machen. „Ein Hinderungsgrund ist die Kannibalisierung des eigenen angestammten Geschäfts“, weiß Helmut Edelmann vom Beratungsunternehmen Ernst & Young. Er hat die Umfrage für den BDEW betreut und kennt die Hürden für die Stadtwerke schon seit Jahren. „Aber der Trend ist nicht aufzuhalten“, warnt Edelmann.
Riesiges Potenzial ausschöpfen
Schließlich gibt es schon längst Geschäftsmodelle, mit denen andere Dienstleister Geld verdienen. Sei es die Direktbelieferung mit regenerativem Strom, Anlagenpachtmodelle oder Investitionsmodelle. „Es ist schon erstaunlich, dass diese Konzepte in der Regel nicht von den Energieversorgern aufgegriffen werden, sondern von anderen Dienstleistern“, sagt Edelmann. „Es kann ja nicht sein, dass sich das für diese rechnet, für die Stadtwerke aber nicht.“
Selbst Mieterstromprojekte werden nicht von den Stadtwerken realisiert, sondern von anderen Anbietern. Dabei hätten die Stadtwerke die besten Voraussetzungen. Sie haben nicht nur den Zugang zum Kunden, sondern können auch ähnliche Angebote machen, mit denen sich die Projekte für Unternehmen wie Naturstrom oder Lichtblick rechnen – eine Vollversorgung mit Strom, bei der der Solarstrom vom Dach des Mehrfamilienhauses dort direkt verbraucht wird. Sie haben zusätzlich die Möglichkeit, den überschüssigen Strom gleich an andere Abnehmer vor Ort zu vermarkten.
Suche nach Geschäftsmodellen
„Die Energiewende findet bisher weitestgehend ohne uns statt“, gibt Alfred Kruse mit Blick auf das bisherige Engagement der Stadtwerke in Deutschland zu. Er ist Geschäftsführer der Stadtwerke in Burg. Die kleine Stadt in Sachsen-Anhalt hat immerhin 23.000 potenzielle Kunden. Inzwischen hat sich das Stadtwerk aufgemacht, endlich die Energiewende auch ins eigene Haus zu bringen. Immerhin 32,5 Prozent des angebotenen Strommixes stammen aus erneuerbaren Energien.
Doch immer noch sind die fossilen Gas- und Kohlekraftwerke im Bestand. Über die Hälfte des Stroms, den die Stadtwerke Burg an ihre Kunden liefern, wird mit diesen Energieträgern erzeugt. Die im Vergleich zu den erneuerbaren Energien hohen Kosten für die Verstromung von Erdgas drücken laut Kruse heftig auf das Geschäftsergebnis. Dazu kommen noch 13 Prozent Atomstrom, den die Stadtwerke zukaufen.
Verzweifelt suchen die Burger nach einem Ansatz für Geschäftsmodelle mit erneuerbaren Energien. „Im Mittelpunkt steht für uns dabei die Wirtschaftlichkeit und ob es mittelfristig zu unserem Ergebnis beitragen kann“, definiert Kruse die Anforderungen an ein solches Geschäftsmodell. Bisher hat er noch keins gefunden, und die einstigen Möglichkeiten sind durch die EEG-Novelle im vergangenen Jahr verbaut.
Image aufgebessert
So hat das Stadtwerk ein Mieterstromprojekt geplant. Elf Mehrfamilienhäuser sollten mit Solarstromanlagen ausgestattet werden, die den Strom direkt an die Mieter liefern. Doch dann fiel das Grünstromprivileg weg. „Wir hatten ein sauberes Konzept und mussten dann aber feststellen, dass das Projekt 50.000 Euro zu viel gekostet hätte“, erinnert sich Kruse. Mit Blick auf die EEG-Novelle im vergangenen Jahr fordert er die Politik auf, die Spielregeln so zu gestalten, dass solche Mieterstrommodelle wieder möglich werden. Dies würde voraussetzen, dass der Verbrauch des Solarstroms im Miets- oder Mehrfamilienhaus endlich als Eigenverbrauch anerkannt wird.
Immerhin haben die Burger Stadtwerke mit mehreren Solaranlagen im eigenen Bestand gezeigt, dass sie es ernst meinen mit der Energiewende. Vor zwei Jahren ging es los mit dem Bau eines Solarkraftwerks mit einer Leistung von sieben Megawatt. Ein erster Schritt, die Netzlast im Landkreis von 22 Megawatt abzudecken. Dazu kommen noch einige Anlagen auf dem eigenen Betriebsgelände und auf einer Schule im Nachbarort. Mit diesem deutlichen Engagement hat das Stadtwerk sein Image aufgebessert und in den vergangenen Jahren immer wieder neue Stromkunden gewinnen können. Vor allem immer mehr Gewerbetreibende lassen sich den Strom von den Stadtwerken liefern.
Solarparks in Italien
Mit der Suche nach Lösungen aus dem Dilemma zwischen Energiewende und konventioneller Stromversorgung stehen die Burger nicht allein. Tief im Südwesten hat Johannes van Bergen sein Stadtwerk in Schwäbisch Hall schon früh auf erneuerbare Energien getrimmt. Bereits 2001 ging die erste Anlage der Schwaben ans Netz. Auf dem Dach eines Gewerbegebäudes errichteten die Installateure im Auftrag der Stadtwerke Schwäbisch Hall einen Generator mit 100 Kilowatt Leistung.
Projekte ausgelagert
Inzwischen gibt sich van Bergen mit solchen kleinen Brötchen nicht mehr zufrieden. Im Jahr 2010 entstand der erste eigene Solarpark mit einer Leistung von fast 1,3 Megawatt. Die größte Anlage der Schwaben steht aber in Sachsen. In Borna bei Leipzig hat das Stadtwerk einen Solarpark mit einer Leistung von gut 8,5 Megawatt gebaut. Dazu kommen noch mehrere Photovoltaikkraftwerke in Italien.
Auch im vergangenen Jahr hat das Stadtwerk 43 Millionen Euro in die Hand genommen und neue Solarparks bei Padua und Turin gekauft. „Bevor wir hier komplizierte Mieterstrommodelle realisieren, errichten wir lieber einen Solarpark in der Türkei. Das bringt für das Klima das Gleiche“, verteidigt er seinen Ansatz.
Van Bergen will aber nicht die ganze Finanzierung allein dem Stadtwerk überlassen. So wurde im Jahr 2010 die Solarinvest als Aktiengesellschaft gegründet und alle bisherigen Photovoltaikprojekte dorthin ausgelagert. Damit will er die Bürger von Schwäbisch Hall beteiligen.
Ursprünglich wollten die Stadtwerke nur maximal 25 Prozent der Aktien behalten. „Davon sind wir aber abgekommen“, sagt van Bergen. „Wir werden auf jeden Fall eine Mehrheit von 50,1 Prozent behalten. Die Bürger, die Aktien gekauft haben, vertrauen auf uns. Wenn wir die Mehrheit abgeben und jemand anders die Gesellschaft ruiniert, müssen die Schwäbisch Haller Bürger möglicherweise darunter leiden. Für die Bürger sind wir der Garant, dass die Solarinvest funktioniert.“
Vorteile ausspielen
Damit bringt van Bergen den wichtigsten Vorteil der Stadtwerke im Rahmen der Energiewende auf den Punkt. „Sie sind vor Ort, sie haben dort einen guten Ruf, sie sind nah beim Kunden“, weiß Michel Nicolai, Leiter der Sparte dezentrale Erzeugung bei der Stadtwerkekooperation Trianel in Aachen. „Schon seit Jahren gilt bei den Stadtwerken der Tenor, dass sie vom reinen Strom- und Gasvertrieb wegkommen und sich stärker als Dienstleister aufstellen müssen.“ Dieser Wandel ist für die meist kleinen Stadtwerke aber gar nicht so einfach. Denn sie haben oft weder die Innovationskraft noch die personellen Möglichkeiten, ihr Geschäft umzukrempeln.
Dieses Problem will Trianel mit der Plattform für Energiedienstleistungen (T-Ped) angehen. Sie bieten ihren Partnern die Möglichkeit, die Potenziale auszuschöpfen und gleichzeitig ihre Vorteile auszuspielen. Die Stadtwerke können die Plattform einfach in ihre Internetseite einbinden.
Entscheidung liegt beim Stadtwerk
Gestartet ist die Plattform mit dem Energiedach-Konzept. Dieses soll den Weg des Endkunden zur eigenen Photovoltaikanlage möglichst einfach machen, ohne dass dies viele Ressourcen beim Stadtwerk erfordert. „Dadurch ist auch das Stadtwerk in der Lage, das kleinteilige Dienstleistungsgeschäft mit ähnlicher Effizienz abzuwickeln, wie es dies auch im klassischen Strom- und Gasgeschäft tut“, erklärt Michel Nicolai. „Sie haben über die Plattform die Möglichkeit, den kompletten Vertriebsprozess bis hin zum After-Sales-Geschäft abzuwickeln. Damit können die Stadtwerke eine Reihe von Prozessschritten an Dienstleister auslagern.“
Dabei entscheidet das Stadtwerk selbst, wie viele dieser Schritte und damit auch der Wertschöpfungsstufen es auslagert. „Im Extremfall kann das Stadtwerk fast alles selbst machen“, sagt Nicolai. „Das andere Extrem ist, dass es nur seinen guten Namen gibt, dann aber alles, was nach der Kundenanfrage kommt, an externe Dritte auslagert. Dies wird alles geprüft, wenn wir das Tool für ein Stadtwerk einrichten.“
Systempakete geschnürt
Damit löst Trianel ein riesiges Problem für die Stadtwerke. „Denn der hohe Aufwand und die Komplexität bei den Energiedienstleistungen waren in der Vergangenheit immer das Problem, weshalb es die Versorger bis auf wenige Ausnahmen nicht auf den Markt gebracht haben“, weiß der Aachener Projektleiter. Diese Erfahrungen sind in die Entwicklung von T-Ped mit eingeflossen.
Bindet ein Stadtwerk das Kalkulationstool in seinen Internetauftritt ein, kann jeder Hauseigentümer anhand seiner Verbrauchsdaten eine für seinen Haushalt passende Solaranlage konfigurieren. Danach erhält er einen Kostenvoranschlag, der in den meisten Fällen auch verbindlich ist, wie Nicolai betont. Schließlich sind die Anlagen vor allem auf den Dächern von Einfamilienhäusern jetzt nicht mehr auf die maximale Leistung, sondern auf den möglichst hohen Eigenverbrauch ausgelegt. Dies kann Trianel zum größten Teil mit fertig geschnürten Systempaketen abdecken.
Die Abfrage auf der Internetseite des Stadtwerkes landet dann auf den Servern in Aachen, wo sie bearbeitet wird. Steht das Design der Anlage fest, geben sie den Auftrag an einen Partnerinstallateur weiter, der den Generator auf das Dach des Kunden baut. Die Anlage bleibt aber im Besitz der Stadtwerke. Der Kunde wiederum ist der Betreiber. Damit ist rechtlich sichergestellt, dass es sich tatsächlich um Eigenverbrauch handelt und daraus keine Stromlieferung wird. Dafür zahlt der Kunde einen Obolus an das Stadtwerk, was sich für ihn aber immer noch finanziell rechnet.
Eigenverbrauch rechtlich abgesichert
Zudem hat der Kunde mit den Stadtwerken als Leasinggeber nicht nur einen Ansprechpartner vor Ort, sondern mit dem Netzwerk, das sich Trianel aufgebaut hat, auch einen gewissen Qualitätsmaßstab bei der Installation. Denn die Aachener schulen ihre Solarteure vorher, damit auch hinterher die Wartung der Anlagen reibungslos läuft.
Resonanz ist gut
Das Energiedach-Konzept existiert jetzt seit einem Jahr. „Die Resonanz bei den Stadtwerken ist besser, als wir vorher erwartet haben“, betont Nicolai. Bisher haben die Aachener schon 25 Stadtwerke als Partner gefunden, die das Konzept nutzen.
Doch es werden in Zukunft noch viel mehr werden. Denn mit der Plattform deckt Trianel auch das Dienstleistungsgeschäft mit Blockheizkraftwerken und Ladesäulen ab. Damit wird sie für viele Stadtwerke und Kunden noch attraktiver. Solche Konzepte sind für die Stadtwerke der Strohhalm, um im Sog der Energiewende nicht unterzugehen. „Man muss nicht mehr alles selbst machen, was man machen will“, fasst es Helmut Edelmann von Ernst & Young zusammen.