Innerhalb eines Jahres hat sich der Photovoltaikmarkt in Deutschland, Österreich und der Schweiz gedreht: Statt einspeisender Anlagen steht nun der Eigenverbrauch von Solarstrom im Mittelpunkt. Wie bewerten Sie diese Entwicklung?
Herbert Schein: Persönlich begrüße ich diese Entwicklung. Auch im Hinblick auf die Nachhaltigkeit und ressourcensparenden Umgang kann eine zukunftsfähige Entwicklung doch nur sein, den Strom dort zu verbrauchen, wo er auch produziert wird. Das ist in den Privathaushalten. Sicherlich hängt der Wunsch nach mehr Autarkie vom öffentlichen Stromanbieter vor allem in Deutschland auch mit den steigenden Stromkosten und rückläufigen Einspeisevergütungen zusammen. So ist der Strompreis im vergangenen Jahr im Schnitt um 13 Prozent gestiegen. Dass wir in dieser Entwicklung noch nicht das Ende der Fahnenstange erreicht haben, ist allseits bekannt. Photovoltaikspeicher können bereits heute trotz der relativ hohen Anschaffungskosten wirtschaftlich betrieben werden, wie neueste Berechnungen zeigen. Das erscheint vielen Verbrauchern attraktiv.
Wie sieht es in anderen Märkten aus?
In Österreich beispielsweise, wo wir es nicht mit explodierenden Stromkosten zu tun haben, kann der Wunsch nach Unabhängigkeit durchaus als ein gesellschaftlicher Trend gewertet werden. Dieser Trend zeichnet sich übrigens in allen westlichen Industriestaaten immer mehr ab.
Welche Vorgaben vonseiten des Gesetzgebers wären wünschenswert, um den Eigenverbrauch von Privathaushalten und Gewerbebetrieben zu unterstützen?
Durch reduzierte Einspeisevergütungen wurde der Photovoltaikbranche ein Stück weit die Attraktivität genommen, sodass sie auf ihr Normalmaß zurückfiel. Dennoch kann Deutschland im Hinblick auf die Nachfrage immer noch als weit vorne gesehen werden. Bezugnehmend auf den Speicherbedarf gibt es in Deutschland ein enormes Potenzial. Hier ist deshalb auch mit einer Spitzennachfrage zu rechnen. Um diese ins Rollen zu bringen, wären Marktanreizprogramme hilfreich, wie zum Beispiel einfach gestaltete Programme für die Anschaffung eines Speichers für Endverbraucher.
Wie bewerten Sie das Förderprogramm der KfW für stationäre Stromspeicher?
Sehr begrüßenswert ist, dass durch das KfW-Programm eine Möglichkeit für Endverbraucher geschaffen wurde, die die Anschaffungskosten für Speicher senkt. Es bleibt zu hoffen, dass die Banken diese Fördermöglichkeit in Zukunft mehr publik machen, obwohl das Kreditvolumen für solche Projekte eher niedrig ist.
Die Engion-Produktfamilie von Varta Storage bietet eine Vielzahl technischer Möglichkeiten zur Speicherung von Solarstrom im Gebäude an. Wie bewerten Sie den Markterfolg 2013?
Wir konnten beim Fachgroßhandel ein gutes Netz auf- und ausbauen. 2013 ist es uns auch gelungen, uns mit dem im Vorjahr eingeführten Speicher bereits gut im Markt zu positionieren. Das spricht für Qualität und das Team.
Wie viele Engion-Speicher wurden 2013 verkauft? Wie bewerten Sie die Nachfrage?
Die Pipeline bei unseren Kunden ist großartig gefüllt. Jetzt geht es um den Abverkauf bei den Großhändlern, auf den wir sehr gespannt sind. Die Rückmeldung ist jedenfalls durchweg positiv. Wir stellen uns auf einen Zuwachs ein. Deshalb haben wir auch unsere Produktionsflächen in diesem Jahr erweitert.
Welche Entwicklung Ihres Geschäfts erwarten Sie im laufenden Jahr?
Wir rechnen mit einem kontinuierlich steigenden Markt. Wir wissen heute, dass sich 90 Prozent der Verbraucher, die sich eine Photovoltaikanlage anschaffen wollen, auch für einen Speicher interessieren. Eine große Anzahl befindet sich momentan in einer Entscheidungsphase. Wir können die Verbraucher nur ermutigen, sich dafür zu entscheiden, da unsere Produkte auf einem optimalen Stand hinsichtlich ihrer Qualität, Sicherheit, Leistungsfähigkeit und Langlebigkeit sind.
Welche Ziele haben Sie für das Geschäftsjahr 2014?
Ich sehe die Varta Storage, wie übrigens auch die gesamte Varta Micro Gruppe, auf Wachstumskurs. Wir haben im vergangenen Jahr einen guten Umsatz bei Varta Storage erzielt und avisieren, diesen 2014 zu verdreifachen. Insgesamt sind wir als Unternehmen in den letzten Jahren stetig gewachsen. Wir konnten unseren Umsatz um weit über 30 Prozent in den letzten Jahren steigern, was mit einem Aufbau der Mitarbeiterzahl von 30 Prozent einherging. Da ich in allen Managementbereichen größten Wert auf Nachhaltigkeit lege, muss ich hinzufügen: Es handelt sich um absolut gesundes Wachstum, das wir unter anderem auch den neuen Märkten wie der Energiezwischenspeicherung zu verdanken haben. Dieses Segment bündeln wir bei Varta Storage. Diese Entwicklung auch 2014 fortzusetzen, sehe ich als übergeordnetes Ziel meiner Unternehmensführung an.
Ist die neue Fabrik in Nördlingen ausgelastet? Gibt es weitere Pläne, um die Fertigungskapazitäten aufzustocken?
Unser Produktionskonzept bei Varta Storage ist so aufgebaut, dass wir die Fabrik in modularer Bauweise erweitern können. Dieses Konzept ist somit auf die nächsten Jahre ausgelegt. Wie ich bereits erwähnte, haben wir zum Jahresanfang unsere Produktionsflächen um weitere 1.500 Quadratmeter erweitert.
Über welche Vertriebskanäle liefern Sie die Engion-Speicher an die Installateure aus?
Wir haben im Großhandel mit verschiedenen Vertriebspartnern aus der Energie-, Elektro- und vor allem Solarbranche enge Partnerschaften geschlossen, welche Engion Family beispielsweise über von Varta Storage zertifizierte Elektroinstallateure vertreiben. Für interessierte Endkunden bieten wir einen entsprechenden Service auf unserer Varta-Storage-Homepage an, damit sie den nächsten zertifizierten Installateur ausfindig machen können.
Innerhalb einer Anlage für den solaren Eigenverbrauch stellt der Speicher derzeit noch den größten Kostenpunkt dar. Wie schätzen Sie die Preisentwicklung bei den Lithiumspeichern in diesem Jahr und 2015 ein? Welche Potenziale durch Kostensenkung in der Fertigung und durch die Marktentwicklung sind realistisch?
Wir haben den Produktionsprozess wie auch das Speichersystem optimiert. Dadurch konnten wir unsere Preise in diesem Jahr entsprechend senken. Nun kann ein Endverbraucher schon ab 7.999 Euro für einen hochwertigen Lithium-Ionen-Speicher einsteigen, der für die Zukunft gerüstet ist. Die potenzielle Kostensenkung bei den Lithium-Ionen-Zellen hat auf die Gesamtkosten nur mäßiges Potenzial, da diese nicht den Löwenanteil an der Wertschöpfung ausmachen.
Die Intersolar in München rückt näher. Alle Blicke richten sich auf die Neuheiten der Speicheranbieter. Mit welchen Innovationen wird Varta aufwarten? Welche neuen technischen Lösungen bieten Sie an?
Mit dem Engion Family hat Varta Storage natürlich im vergangenen Jahr die Messlatte denkbar hoch gelegt. Varta Storage konnte sich mit dem Engion Family sehr gut positionieren. Ich gehe davon aus, dass dies so weitergeht. Die Technologie und die individuelle Anpassbarkeit werden das Maß sein, das die Spreu vom Weizen trennt. Ein Engion-Speicher beispielsweise lebt mit den Bedürfnissen der Kunden. Praktisch heißt das, dass die Kapazitäten von 3,7 Kilowattstunden in Schritten zu je 0,5 Kilowattstunden aufgestockt werden können. Wir werden auf der diesjährigen Intersolar zusätzlich einen kleineren Speicher vorstellen, der ebenso modular ausbaufähig ist. Alle Varta-Storage-Speicher haben eines gemeinsam: Sie sind für die Zukunft gerüstet. Damit meinen wir, dass auch zukünftige Zelltechnologien, etwa die nächste oder übernächste Generation von Lithium-Ionen-Zellen, mit dem heutigen System kombiniert werden können. Das können nur unsere Engion-Speicher.
Das Interview führte Heiko Schwarzburger.
Herbert Schein
ist Vorstandsvorsitzender der Varta Micro Gruppe mit Sitz in Ellwangen. Das Unternehmen hat weltweit rund 2.000 Mitarbeiter, davon 700 in Deutschland. In Nördlingen im Ries hat die Varta Micro AG im vergangenen Jahr das Unternehmen Varta Storage GmbH gegründet, um Speicher für Gebäude, vor allem Privathaushalte, zu entwickeln und zu fertigen.